Freitag, 12. Juni 2015

Taten, Taktik, Talfahrt.


Klar, das nervt Gabriel und Fahimi:
Die SPD ist eindeutig der Leistungsträger der GroKo, arbeitet strebermäßig ihre Wahlversprechen ab, während die Union durch allgemeine Planlosigkeit (Schmidt, Dobrindt, Schäuble), Blockade (Seehofer), Lügenenthüllungen (Merkel, de Maizière, von der Leyen) oder debile Schilda-Gesetze (Herdprämie, Antiausländermaut) beweist, daß sie es nicht verdient hat zu regieren.

Und wie dankt es der Wähler?
Bleischwer hängen die Sozis im 20%-Keller und scheinen auf Bundesebene nicht die geringste Chance haben der meilenweit enteilten CDU auch nur nahe zu kommen.

Es war eigentlich überfällig, daß dem chronisch wankelmütigen Sigmar Gabriel der Kragen platzen würde.
Im Bestreben vor dem Wähler als superseriöser Regierungsprofi zu erscheinen und aus blanker Panik wegen Zerstrittenheit der Regierung noch weiter abgestraft zu werden, hatte der SPD-Parteichef die Parole „Krötenschlucken!“ ausgegeben.
Offensichtlich analysierte er einen Zusammenhang zwischen der gewaltigen Zustimmung für Merkel mit ihrer geschmeidigen Nicht-Festlegbarkeit.
Die konfrontative Strategie Steinbrücks hatte im Wahlkampf offensichtlich nichts genützt, also versuchte Gabriel noch merkeliger als das Original zu wirken.
Er wirbt für TTIP, gibt zwar auch den Kritikern Recht, hat aber doch nicht den Mut den Lobbyisten entgegen zu treten.
Er schränkt Waffenexporte ein bißchen ein und gibt gleichzeitig Export-Genehmigungen in die problematischsten Länder.
Er läßt seine Partei im Wahlkampf gegen die Vorratsdatenspeicherung Position beziehen, kippt dann aber zu Liebe der CDU doch um. Er behauptet den Schritt zur Doppelten Staatsbürgerschaft bei der CDU durchgesetzt zu haben, bleibt aber doch für die allermeisten betroffenen Menschen bei der Optionspflicht. CO2-Abgabe gibt es auch nur in der Androhung, in Wahrheit setzt Energieminister Gabriel auf mehr Kohlekraft.

All das nützt aber demoskopisch auch rein gar nichts. Die SPD bleibt im 20%-Tal.

Langsam wird der Vizekanzler sauer und startet einen Frontalangriff auf die der Lüge überführte Kanzlerin.
Sie habe ihm ihr Wort gegeben, daß der BND keine deutschen Firmen oder europäische Regierungen ausspähe.
Perfide. Aber gut.
So eindeutig hätte Merkel selbst das nämlich öffentlich nie gesagt.
Andererseits steht es nun durch das zweitwichtigste Mitglied er Bundesregierung gewissermaßen in Stein gemeißelt. Merkel kann also unmöglich a posteriori verbreiten eben doch ein bißchen Spionage in diese Richtung betrieben zu haben.

Dieser Angriff Gabriels könnte durchaus Sprengkraft entfaltet haben, weil Merkel wichtigstes Wählerpfund zur Debatte stand; ihre Vertrauenswürdigkeit.

Die SPD hätte den Sack allerdings zumachen müssen; die Kanzlerin weiter der Lüge bezichtigen müssen.
Sie hätte ultimativ fordern sollen Snowden nach Deutschland zu holen und die Selektorenliste zu veröffentlichen.
Das Momentum war da.

Die Majorität des Urnenpöbels hätte Gabriel sicher auf seiner Seite gehabt, wenn er Merkel in dieser Angelegenheit weiter gequält hätte.

Stattdessen nässte sich der Obersozi gleich wieder ein. Er ließ die Forderung nach Snowden-Asyl gleich wieder fallen und als gestern die Bundesregierung verkündigte ddie peinliche Selektorenliste eben NICHT der Presse zugänglich zu machen, war die SPD auch wieder einverstanden.
Die Sozen liefen voll in der Merkelsche Hinhaltefalle.

Aber Gabriel hat gelegentlich auch mal Glück.
Das Irische Homo-Ja und die daraus resultierende Stimmung für die Eheöffnung bringt die CDU in eine ganz blöde Lage.

Ich bin immer noch fest davon überzeugt, daß Merkel persönlich vollkommen egal ist, ob alle Menschen die gleichen Rechte haben, oder ob einige weiterhin diskriminiert werden.
Sie will einfach, daß die CDU so positioniert ist, daß ihre Macht erhalten bleibt.
Die ultrakonservativen Stammwähler dürfen nicht verprellt werden.
Merkel hat durchaus schon angedeutet, daß sie sich letztendlich nicht dagegen wehren würde, wenn durch Gerichte oder Initiativen ihrer eigenen Partei gewünscht würde homofreundlich zu werden.
Sie will aber keine Angriffsfläche bieten und wie üblich unter keinen Umständen vorangehen.

Nun passiert aber genau das. Durch die Bundesratsentschließung für die Eheöffnung und die Gesetzesinitiativen der Bundestagsopposition ist die CDU auf einmal gezwungen sich mit einem Thema zu profilieren, das man nicht gewinnen kann.
Mit ihrer schwulen- und lesbenfeindlichen Einstellung steht die CDU auf einmal ganz allein da und muß dies auch noch irgendwie bei Abstimmungen begründen.

Für jeden ersichtlich stehen nun SPD-Leute als die vernünftigen Macher da, während die CDU entweder auf Tauchstation geht, oder sich als ewiggestrige Peinlichkeit geriert.

So ein farbloser Mensch wie der neue Berliner Bürgermeister Müller (SPD), kann sich plötzlich mit einer fabelhaften Rede gegen die tumbe CDU profilieren, nachdem der Ober-CDUler Frank Henkel hysterisch mit Koalitionsbruch gedroht hatte, sollte sich Berlin der Entschließung für die vollen Homorechte anschließen.
Was daran aber verkehrt wäre, konnte er nicht sagen.


Ein klassisches taktisches Versagen der CDU. Sie hat versäumt ein Loserthema rechtzeitig abzuräumen, weil sie zu feige ist den Fundis in ihren Reihen etwas zuzumuten. Und nun steht sie als die menschenfeindliche muffige Partei der 50er Jahre da, die zudem auch noch klar gegen eine große Mehrheit der Bevölkerung positioniert ist.
Ganz schlecht für Merkel, gut für die SPD.

Aus wahltaktischen Grünen würde ich mir wünschen, daß die CDU bei ihrem Homodiskriminierungskurs bleibt und damit stets eine Wunde geöffnet hält, in die Sozis, Grüne und Linke beständig Salz streuen können.

Wie schlimm die Lage in dieser Angelegenheit ist, zeigt sich schon daran, daß kein einziger Politiker der ersten CDU-Reihe sich überhaupt traut öffentlich den eigenen Kurs zu verteidigen.

Anne Wills Blabla-Sendung mußte zum Thema „Ehe für alle“ auf den längst ausrangierten Thomas Goppel zurückgreifen.

Interessanterweise waren zu diesem Vierer-Talk, plus Will, keine prominenten CDU oder CSU Parteimitglieder anwesend, die sich sonst auf solchen Sendeplätzen mit Vorliebe tummeln. Was auch die Moderatorin erstaunte. Sie fragte denn auch gleich den B-Promi von der CSU, Thomas Goppel, Bayerischer Staatsminister a.D., ob die Unionsführung auf „kollektivem Tauchgang“ sei – aus Feigheit, sich nicht öffentlich zur Diskriminierung von Menschen bekennen zu wollen?  [….]

Und Goppel ist eben außerhalb der CSU ungefähr so sympathisch wie Fußpilz oder Mundfäule.

[….]  Goppel, der, auf eine Öffnung der Ehe angesprochen, in Kramp-Karrenbauer-Manier kontert: "Wer anfängt mit der Feststellung, dass Männer mit Männern und Frauen mit Frauen zusammen sein können, warum soll der was dagegen haben, dass die Liebe auch woanders aufkreuzt? Bei Sohn und Vater und was weiß ich.“
Den nächsten Fauxpas leistet sich der 68-Jährige, als es ums Thema Gleichstellung geht. Während Fahimi erklärt, zwecks einer Abnahme von Diskriminierung auch das Grundgesetz ändern zu wollen, "wenn es notwendig ist", befindet Goppel, dass vor dem Gesetz nicht alle Menschen gleich seien. Erst auf Wills erneutes Nachhaken rudert er zurück: "Doch, vor dem Gesetz. Das Gesetz ist auf alle anzuwenden."
[….] Zehn Minuten später läuft der Politiker abermals zur "Hochform" auf. Nachdem er die seiner Meinung nach zunehmende Säkularisierung beklagt und Reicherts seine Erfahrungen als schwuler Geistlicher erläutert hat, greift Goppel den Theologen persönlich an. "Warum ist die Gesellschaft daran schuld, wenn Sie nicht zurechtkommen? Sie kommen nicht zurecht mit Ihrer eigenen Lebensweise", so sein Vorwurf. Reicherts platzt da fast der Kragen. "Es reicht. Ich lasse mich gerne von Ihnen beleidigen, aber so geht es nicht. Ich habe überhaupt kein Problem mit meiner Lebensweise, anscheinend haben Sie Probleme mit meiner Lebensweise", kontert der 50-Jährige. [….]

I love it!
Mehr davon! Solche CDU- und CSU-Vertreter sollten viel mehr in den Medien ihre heuchlerische Ekel-Ideologie verbreiten. Besser kann man die Wähler nicht abschrecken.
Schade, daß TVE nicht mehr da ist, um in Talkshows als zuständiger Familienbischof die Position der katholischen Kirche zu erläutern. Er würde sich mit jedem Auftritt tausende zum Kirchenaustritt treiben.

Merkel kann in diesem Fall schlecht durch Aussitzen aus der unangenehmen Situation entwischen.
Es sei denn Opposition und SPD lassen sie freiwillig von Haken, indem sie keinen Druck mehr für die Gleichstellung machen.
Auch das ist (leider) Sigmar Gabriel zuzutrauen.

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