Nein, von Andrea Nahles bin ich ob ihres Antigewerkschaftsgesetzes, ihres Rentenkonzepts, das Reiche, Bundestagsabgeordnete und Beamte aus der Finanzierung ausnimmt und ihres löchrigen Mindestlohngesetzes nicht enttäuscht.
Ich habe
mich in ihr nicht das geringste bißchen getäuscht.
Die
schwer katholische Religiotin Andrea Nahles hielt ich schon immer für
vollkommen ungeeignet. Hundertfach habe ich in diesem Blog mit ihr abgerechnet,
Kabarettisten zitiert, die dafür plädierten sie möge da bleiben, wo die Pfalz
am Dunkelsten ist.
Es ist
ein Versagen der SPD-Parteistruktur, daß so eine Frau, die zudem durch extrem
dämliche Aktionen der Partei schwer schadete* immer weiter in Toppositionen
blieb, obwohl sie noch nicht mal an der Basis beliebt ist und als
Generalsekretärin für ihr völliges konzeptionelles Missmanagement mit so
schlechten Wahlergebnissen auf Parteitagen abgestraft wurde, daß sie heulte.
*
(Absägen des eigenen Parteivorsitzenden während der Koalitionsverhandlungen 2005,
Versagen beim Sarrazin-Ausschluss, desaströse Kanzlerkandidatenkür, äußert
blamable Bundestagsreden, die
nur als Futter für Satiriker dienten, Verprellen aller
Säkularen durch das Verbot eines entsprechenden Arbeitskreises, erbärmlich schlechte öffentliche Stellungnahmen,
Ausrufen eines Wahlkampfmottos – das wir entscheidet – welches zuvor als
Werbung für eine ausbeuterische Zeitarbeitsfirma diente,…)
Man
kennt das aber aus vielen großen Firmen oder Behörden oder auch internationalen
Sportfunktionärsvereinigungen: Ganz oben sitzen entweder Typen, die
verständlicherweise aufgrund ihrer Leistungen so weit gekommen sind oder diese
offensichtlichen Fehlbesetzungen, bei denen sich jeder fragt, wie sie jemals so
eine Karriere machen konnten.
Manchmal
kann man sich schon zu recht reimen, wie jemand den Aufstieg schaffte; Vitamin
B, Quoten oder die Gabe sich selbst besonders gut verkaufen zu können, mögen
geholfen haben.
Und dann
gibt es die Nahlesse dieser Welt, deren Aufstieg sich jeder Erklärung entzieht.
Bei
Sigmar Gabriel ist das anders.
Nach der Mega-Niederlage von 2009 brauchte die psychologisch niedergeschmetterte Partei, deren baldige Auflösung schon von vielen Zeitungen kolportiert wurde, jemand, der sie wieder aufrichtet. Jemanden, der Mut machen kann.
Nach der Mega-Niederlage von 2009 brauchte die psychologisch niedergeschmetterte Partei, deren baldige Auflösung schon von vielen Zeitungen kolportiert wurde, jemand, der sie wieder aufrichtet. Jemanden, der Mut machen kann.
Sigmar
Gabriel hat viele Talente und dazu gehört, daß er gelegentlich sehr gute bis
brillante Reden hält. Darin ist er Merkel weit überlegen.
Zudem
ist Gabriel intelligent und in der Lage in kleineren Kreisen extrem sensibel
und tiefgründig zu argumentieren.
Er kann beeindrucken;
beispielsweise so geschehen auf der ZEIT-Matinee im Juni 2011, als er so
brillierte, daß die gesamte feine Gesellschaft Hamburgs schwor bei der nächsten
Bundestagswahl SPD zu wählen.
Ich habe
ihn gelegentlich in Talkshows zu Randthemen gesehen, bei denen er mich absolut
überzeugte.
Der
SPD-Vorsitzende ist allerdings nicht nur wankelmütig bezüglich der vertretenen
politischen Inhalte, sondern weist auch charakterlich enorme Schwankungen auf.
Er kann
die leisen, behutsamen Zwischentöne und poltert im nächsten Moment wie eine
Dampfwalze los.
Er bohrt
einerseits mit Engelsgeduld dicke Bretter, bereitet Jahre lang vor und dann
reißt ihm abrupt doch die Hutschnur.
Er
argumentiert manchmal hochseriös und überzeugend, um dann im nächsten Moment seine
Gegner für dumm zu verkaufen.
Er war
seit Jahrzehnten durch seinen Vater extrem für Rechtsradikalismus
sensibilisiert, engagierte sich persönlich für den Erhalt von KZ-Gedenkstellen,
leistete Aufklärungsarbeit gegen Neonazis. Plötzlich aber lässt er seinen
vorbildlich gegen rechts engagierten Justizminister Maas im Regen stehen und
besucht als Vizekanzler den menschlichen PEGIDA-Abschaum.
Auch
andere Parteien haben äußerst wankelmütige Politiker. Bei Horst Seehofer sind
seine permanenten Richtungswechsel legendär. Kein Thema, zu dem er nicht drei
Meinungen hätte, die er im Stundentakt ändern kann.
Crazy
Horst gehen dabei allerdings die positiven Seiten völlig ab. Er ist immer
unseriös und charakterlich soziopathisch. Das macht den Umgang mit ihm leicht,
weil man ihn wenigstens nach Herzenslust verachten kann.
Gabriel
ist schwieriger zu bewerten, weil er durchaus seine Momente hat.
Gegenwärtig
habe ich den Eindruck, daß sein Frust über die kontinuierlich miesen
SPD-Umfragewerte neroeske Charakterzüge von ihm offenbart.
Schon
mehrfach tacklete er grob unfreundlich Justizminister Heiko Maas. Ganz
offensichtlich nur deswegen, weil Maas dabei ist großes Ansehen für überzeugende
Arbeit zu gewinnen.
Maas ist
der einzige der SPD-Ministerriege, der sich vorbildlich und engagiert gegen
rechtsradikale Umtriebe und die Gida-Pest darstellte.
Prompt
grätschte ihm sein Chef in die Beine, indem er sich unter den Dresdner Mob
mischte.
Genau
das Gleiche passierte als sich Maas zum Entzücken der SPD-Basis gegen die
Vorratsdatenspeicherung stemmte: Gabriel sah schwarz, demütigte ihn mitten in
der Kabinettssitzung vor den CDU-Ministern und zwang ihm seinen Willen auf.
Gabriels
CDU-Affinität ist derzeit kaum auszuhalten.
Im Bestreben
vor dem Wähler als superseriöser Regierungsprofi zu erscheinen und aus blanker
Panik wegen Zerstrittenheit noch weiter abgestraft zu werden, hatte der
SPD-Parteichef die Parole „Krötenschlucken!“ ausgegeben.
Offensichtlich
analysierte er einen Zusammenhang zwischen der gewaltigen Zustimmung für Merkel
mit ihrer geschmeidigen Nicht-Festlegbarkeit.
Die
konfrontative Strategie Steinbrücks hatte im Wahlkampf offensichtlich nichts
genützt, also versuchte Gabriel noch merkeliger als das Original zu wirken.
Er wirbt für
TTIP, gibt zwar auch den Kritikern Recht, hat aber doch nicht den Mut den
Lobbyisten entgegen zu treten.
Er schränkt
Waffenexporte ein bißchen ein und gibt gleichzeitig Export-Genehmigungen in die
problematischsten Länder.
Er läßt seine
Partei im Wahlkampf gegen die Vorratsdatenspeicherung Position beziehen, kippt
dann aber zu Liebe der CDU doch um. Er behauptet den Schritt zur Doppelten
Staatsbürgerschaft bei der CDU durchgesetzt zu haben, bleibt aber doch für die
allermeisten betroffenen Menschen bei der Optionspflicht. CO2-Abgabe gibt es
auch nur in der Androhung, in Wahrheit setzt Energieminister Gabriel auf mehr
Kohlekraft.
Es
spricht auch niemand in der SPD mehr davon Snowden nach Deutschland einzuladen.
Merkels
Weigerung die Selektorenliste herauszugeben und im BND-Skandal aufzuklären wird
auch tumb-devot hingenommen.
Wenn das
Taktik ist, scheint sie nicht aufzugehen.
Taktisch
kann man nur bedingt Themen verbiegen.
Ich kann
beispielsweise verstehen den Mindestlohn für 4 Millionen Menschen einzuführen
und viele dabei ausgeklammert zu lassen, wenn die einzige Alternative aufgrund
der Mehrheitsverhältnisse lautet: Mindestlohn für niemand!
Es gibt
aber moralische Grenzen.
Für
Auftritte bei PEGIDA gilt: Das tut man nicht!
Ganz
schlimm auch Gabriels Versuch à la Seehofer mit xenophoben Ressentiments beim
Wähler zu punkten. Auch das tut man nicht und schon gar nicht als Chef der SPD.
Der
Vizekanzler hatte das Griechenlandthema ohnehin taktisch völlig falsch
angefasst und sich ohne Not bräsig an Merkels Kurs gehängt. Ein Kurs, der gar nicht funktionieren kann
und Athen sicher und sehenden Auges in den Ruin treibt.
Wie dumm
von der SPD, daß sie a) die Chance vergibt sich gegen die CDU zu profilieren
und b) viel wichtiger, die Chance verwirft Griechenland und der EU tatsächlich
zu helfen.
Die verpasste Chance
der SPD
Alexis Tsipras geht
mittlerweile auch vielen Sozialdemokraten auf die Nerven. Schade, denn an der
SPD hängt viel in der Eurokrise. Sie könnte helfen, das unrealistische
Spardiktat zu durchbrechen.
Wie die
CDU/CSU-Fraktion über Griechenland momentan denkt, braucht man nicht weiter zu
vertiefen. Wenn es wirklich so ist, dass die Griechen mittlerweile auch der SPD
auf die Nerven gehen, wie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz das so
forschfrisch formulierte, dann kommt wohl bald der Grexit - das Ende von
Griechenland im Euro.
An der SPD hängt die
Stimmungslage in der Großen Koalition. Merkel könnte einen
Griechenland-Kompromiss zwar gegen die Mehrheit ihrer eigenen Fraktionen
durchsetzen. Aber wenn die SPD auch mauert, dann wird es schwierig. Die Haltung
der Sozialdemokraten ist wichtig.
[….]
Die SPD ist gerade dabei, eine einmalige
Chance zu verpassen. Merkels großer historischer Fehler war ihre Unfähigkeit,
die Krise im Euroraum als eine Chance zur politischen Vertiefung zu begreifen,
und stattdessen auf unrealistische Regeln und Verträge zu pochen.
[….]
Merkels zweiter Fehler war ihr Beharren
auf einer Sparpolitik, die Griechenland in eine fünf Jahre andauernde Rezession
stürzte. [….] Ich würde den Sozialdemokraten
empfehlen, die Griechenland-Politik der Kanzlerin als die Sollbruchstelle der
Koalition zu begreifen, anstatt diese Politik inhaltlich und verbal zu
verstärken. Ich fürchte, dass sich die SPD hier eine einmalige Chance durch die
Lappen gehen lässt.
Das
inhaltliche und strategische Versagen der Sozis ist schon schlimm.
Aber für
die xenophobe Tonlage Gabriels habe ich nur
Verachtung übrig.
Müssen wir
im Jahre sechs der griechischen Rezession nach 40% Rentenkürzung und über 50%
Jugendarbeitslosigkeit immer noch erklären, daß die deutschen Milliarden
natürlich NICHT „den Griechen“, sondern den (deutschen) Kreditgeber-Banken oder
deutschen Rüstungsfirmen zu Gute kamen????
Mit teils drastischen
Formulierungen und nationalistischer Rhetorik haben SPD-Politiker gegen die
griechische Regierung Front gemacht. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel ließ
sich in der Bild-Zeitung mit den Worten zitieren, Europa und die Bundesrepublik
würden sich nicht durch die Forderungen nach einer alternativen Krisenlösung
seitens Athen »erpressen lassen. Und wir werden nicht die überzogenen
Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen
Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen.« Gabriel sagte weiter, »wenn
die Einigung jetzt nicht bald kommt, droht bei vielen in Europa der
Geduldsfaden zu reißen«. [….]
Auch der linke Europaabgeordnete Fabio De
Masi hat die Äußerungen des SPD-Vorsitzenden zurückgewiesen. »Gabriel ist
offenbar nervös, weil die SPD im 25-Prozent-Ghetto hängt«, sagte De Masi
gegenüber »nd«. Die Attacke gegen die Regierung in Athen sei zudem »interner
SPD-Wahlkampf mit ›Mr. Tacheles‹ Martin Schulz«, dem Präsidenten des
Europaparlaments, der unlängst als möglicher Spitzenmann im kommenden
Bundestagswahlkampf im Gespräch war. De Masi weiter: »Gabriel lügt«, Nicht
deutsche Beschäftigte würden wie vom SPD-Politiker behauptet für SYRIZAs
Wahlversprechen haften, vielmehr könnten sie zu den Leidtragenden einer
»Insolvenzverschleppung und des Kaputtsparens der griechischen Wirtschaft«
werden. Der SPD-Vorsitzende habe mitgemacht, als »neue Kredite auf alte
Schulden getürmt« wurden, »um deutsche und französische Banken zu retten«.
Während die Sozialdemokraten dem im Bundestag zugestimmt hätten, verwies De
Masi darauf, dass die Linksfraktion dies abgelehnt habe. »Es waren die
korrupten Freunde von Merkel und Gabriel, die Griechenland kaputt
gewirtschaftet haben«, so der Europaabgeordnete weiter. [….]
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