Gestern regte sich Sascha Lobo ganz fürchterlich über das schändliche und zukunftsverweigernde Verhalten der Deutschen auf; beschuldigte sie der Indolenz und Ignoranz. Sie zeigen kein Interesse für die wichtigsten Themen und sind zu dumm zum Wählen.
Das
wußte man doch spätestens im Wahlkampf 2013 ganz genau:
TTIP:
CDU dafür, SPD, Grüne, Linke dagegen
Homoehe:
SPD, Grüne, Linke dafür, CDU dagegen
Höhere
Vermögenssteuer: SPD, Grüne, Linke dafür, CDU dagegen
Höhere
Erbschafsteuer: SPD, Grüne, Linke dafür, CDU dagegen
Doppelte
Staatsbürgerschaft: SPD, Grüne, Linke dafür, CDU dagegen
Anti-Ausländer-Maut:
CSU dafür, SPD, Grüne, Linke dagegen
Herdprämie:
CDU dafür, SPD, Grüne, Linke dagegen
Und
wer bekommt um ein Haar die absolute Mehrheit?
Die
CDU.
Wieso
passiert immer wieder so ein Mist, daß Milliarden von Steuergeldern sinnfrei zu
dubiosen Rüstungsunternehmen umgeleitet werden, während aber kein Geld dafür da
ist genügend Personal in den Pflegeheimen einzustellen, damit die dort wohnenden
zwei Millionen Senioren nicht mehr verdursten müssen; weil niemand Zeit hat
ihnen Wasser zu reichen?
Wieso werden milliardenschweren Hoteliers und Industriellen-Erben großzügig Steuergeschenke gemacht, während wir nicht in der Lage sind Krankenschwestern vernünftig zu bezahlen?
Wieso werden milliardenschweren Hoteliers und Industriellen-Erben großzügig Steuergeschenke gemacht, während wir nicht in der Lage sind Krankenschwestern vernünftig zu bezahlen?
Wieso
werden zehnstellige Milliardensummen mit maximaler Intransparenz an
tierquälerische Großmäster und naturschädliche Monokultur-Agrarriesen als
Subventionen verteilt, während Naturschutz-bewegte Klein-Biobauern in den Ruin
getrieben werden?
Die
Gründe sind immer die gleichen:
Je reicher und mächtiger Industrielle sind, desto mehr politischen Einfluss können sie sich durch professionelles Lobbytum erkaufen.
Je reicher und mächtiger Industrielle sind, desto mehr politischen Einfluss können sie sich durch professionelles Lobbytum erkaufen.
Heckler
und Koch oder EADS können dem Verteidigungsministerium minderwertigen Schrott
auf Kosten der Steuerzahler andrehen, weil ihre Lobbyisten sich längst in den entsprechenden Ministerien
breit gemacht haben.
Völlig
ungeniert halten Unions- und FDP-Minister die Hände auf;
lassen sich schmieren.
Seit
November weiß Merkel, daß Pofalla beim Staatskonzern Deutsche Bahn richtig
abkassieren will und kam trotz der Vorgängerfälle Hildegard Müller und Ecki von Klaeden
nicht auf die Idee, daß es ein schlechtes Licht auf sie wirft.
Ist
es ihr egal, was man über ihre Moral denkt?
Oder denkt sie sich (womöglich zu Recht), daß sie so extrem adoriert wird, daß an ihr doch nie etwas hängenbleibt?
Oder denkt sie sich (womöglich zu Recht), daß sie so extrem adoriert wird, daß an ihr doch nie etwas hängenbleibt?
Warum
sollte man ihre Teflonbeschichtung auch ausgerechnet im Jahr Neun ihrer
Kanzlerschaft erste Kratzer zufügen?
Ausgerechnet jetzt, während sie einen völlig willenlosen und willfährigen Koalitionspartner hat, der devot und still die causa Pofalla mitmacht.
Ausgerechnet jetzt, während sie einen völlig willenlosen und willfährigen Koalitionspartner hat, der devot und still die causa Pofalla mitmacht.
[….] Bei Klaeden und Pofalla zeigt die Kanzlerin
überraschende Schwächen in politischen Stilfragen.
Neulich beim kleinen
Parteitag der CDU machte Angela Merkel während des Einzugs in den Tagungssaal
plötzlich einen Abstecher von der vorgesehenen Route. Die Kanzlerin zwängte
sich in eine der ziemlich engen Delegiertenreihen und reichte einer
dunkelhaarigen Frau die Hand. "Ich muss ja die Wirtschaft begrüßen",
sagte Merkel fröhlich in die Gesichter der umstehenden Parteifreunde, die nicht
persönlich willkommen geheißen wurden. Die Frau hieß Hildegard Müller, war in
Merkels erster Regierung drei Jahre lang Staatsministerin im Kanzleramt, galt
als Vertraute der Chefin - und wechselte 2008 als Geschäftsführerin zum
Hauptverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
Aus Sicht mancher
Kritiker war Müller eine Art Eva in der Beziehungsgeschichte zwischen dem
Kanzleramt Merkels und der äußeren Welt, weil sie als Erste der Versuchung
nicht widerstand, ihr politisches Amt gegen einen anderen Posten einzutauschen.
[….]
Von Hildegard Müller
zum mutmaßlichen neuen Bahn-Vorstand Ronald Pofalla zieht sich seither
jedenfalls eine Kette aus ehemaligen engen und engsten Mitarbeitern Merkels,
deren Gemeinsamkeit zunächst darin besteht, dass sie es alle nicht so lange im
Kanzleramt ausgehalten haben wie die Frau, für die sie arbeiteten.
Man könnte es aber
auch so sehen, dass Merkel in acht Jahren Kanzlerschaft ein Netzwerk von
Vertrauten in einflussreichen Positionen geknüpft hat: Müller verdingte sich
bei der Stromindustrie; ihren Wirtschaftsberater Jens Weidmann machte Merkel
zum Bundesbankpräsidenten; ihr erster Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wurde
Intendant des Bayerischen Rundfunks; Ex-Staatsminister Eckart von Klaeden
arbeitet jetzt als Cheflobbyist der Daimler AG - und Ronald Pofalla künftig in
vergleichbarer Position bei der Bahn. [….]
So beschädigt Merkel
das Image der Politik
Im Fall Pofalla möchte
Merkel Abstand zeigen, ohne Abstand zu nehmen. Man kann nur hoffen, dass sie
damit nicht durchkommt. Denn als Regierungschefin ist die Kanzlerin mit für die
Affäre verantwortlich.
[….]
Merkel lässt ausrichten, sie habe dem Ex-Minister
"ihren Überzeugungen entsprechend" geraten, vor einem Wechsel eine
"gewisse zeitliche Distanz" herzustellen. Dass es diese Distanz nun
nicht gibt, will sie aber nicht kritisieren. Merkel möchte Abstand zeigen, ohne
Abstand zu nehmen.
Man kann nur hoffen,
dass die Kanzlerin mit dieser Pontia-Pilatus-Nummer nicht durchkommt. Denn der
Fall offenbart nicht nur eine erschütternde Stillosigkeit im Umgang mit
höchsten Staatsämtern, er schadet auch der Akzeptanz des gesamten politischen
Systems. [….] Die Kanzlerin hat Staatsminister Eckart von
Klaeden selbst nach der Ankündigung des Wechsels zu Daimler nicht entlassen.
Und jetzt durfte sich auch noch Pofalla aus dem Kanzleramt heraus um einen
hochdotierten Job bemühen. [….]
Merkel
empfindet allerdings immer weniger Scham und Anstand.
Wieder
geht einer ihrer engsten Mitarbeiter, der vorher die perfekten
Industrie-freundlichen Regelungen formulierte auf direktem Weg zu den
Auftraggebern – als hätte es die Fälle Pofalla, von Klaeden und Müller nie
gegeben.
CDU-Staatssekretär
Steffen Kampeter wird Cheflobbyist der Arbeitgeber. Der CDU-Staatssekretär im
Bundesfinanzministerium startet im nächsten Jahr.
Die meisten Menschen
kennen Reinhard Göhner nicht, aber Reinhard Göhner kennt so ziemlich alle
Menschen, die in Berlin wichtig sind. Kein anderer Lobbyist in der Hauptstadt
ist so gut vernetzt wie der Hauptgeschäftsführer der BDA, der Bundesvereinigung
der Deutschen Arbeitgeberverbände. 19 Jahre hat Göhner, einst Staatssekretär im
Bundesjustiz- und im Bundeswirtschaftsministerium, diesen einflussreichen Job
ausgeübt; und er wird ihn, wie die BDA am Dienstag bekannt gab, im Juli 2016 an
jemanden übergeben, der - wenn man die Lebensläufe vergleicht - geradezu
prädestiniert ist dafür.
Auch Steffen Kampeter,
52, ist Parlamentarischer Staatssekretär; auch er gehört der CDU an und saß
viele Jahre, genauer genommen: ein Vierteljahrhundert, im Bundestag; auch er
wurde in Ostwestfalen geboren: nicht in Bünde, so wie Göhner, aber nur 35
Kilometer entfernt in Minden. Und noch etwas hat Kampeter mit seinem Vorgänger
gemein: Er ist bestens vernetzt; in der Politik, in der Wirtschaft, in den
Medien; er ist einer, der seine Kontakte hegt, sie pflegt und sie zu nutzen
weiß. [….]
All das
kann man in den ganz normalen Nachrichten verfolgen, den ganz normalen Zeitungen lesen.
Aber es
tut Merkels Maxi-Popularität nicht den geringsten Abbruch.
Die
Deutschen wollen offensichtlich verarscht werden.
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