Noch vor
zehn Jahren war der öffentliche politische Tabu-Bruch etwas für rechtsradikale
Spinner.
Man
erinnere sich an den CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, der 2003 am Tag der
Deutschen Einheit den Juden eine
Mitschuld am Holocaust zuschob, sie gar als „Tätervolk“ bezeichnete.
Es war
ein klarer Fall von „das tut man nicht!“
Wer nach
einer Begründung für dieses Tabu fragt, verfügt über keinerlei Moral. Sechs
Millionen europäische Juden wurden von Deutschen und Österreichischen Christen
zwischen 1941 und 1945 ermordet. Das sind die ungeheuerlichen Fakten, die es
anständigen Menschen unmöglich machen darüber zu sinnieren, ob es eine Schuld der Juden gäbe.
Es
existier(t)en auch politische Tabus, die gar keine moralische Rechtfertigung
hatten, sondern durch konservatives Kalkül postuliert wurden.
20 Jahre
lang war eine Bundesregierungsbeteiligung der Grünen tabuisiert. CDU, CSU und
FDP kreischten Zeter und Mordio, warnten immer wieder vor dem „rotgrünen Chaos“,
in welches Deutschland nicht gestürzt werden dürfe. Ich bin heute noch
verblüfft darüber, daß die Welt nach 1998 immer noch weiter existierte, obwohl
die Sozis diesen Tabubruch gewagt hatten und ein leibhaftiger Grüner Vizekanzler
wurde.
Nachdem
Schwarz und Gelb den Charme der Grünen als Mehrheitsbeschaffer erkannten, fiel
diese Tabu und beschränkt sich nun auf „Die Linke“, mit der man nicht regieren
darf.
So ein
Tabuisierungsversuch ist machttaktisch nachvollziehbar. Die Rechten möchten der
SPD eine Mehrheitsoption nehmen, um selbst umso länger zu regieren.
Das
funktioniert. Merkel wurde 2013 Kanzlerin trotz einer rotrotgrünen Mehrheit im
Bundestag.
Wenig
erstaunlich also, daß Unionsmitglieder alles dafür tun, um das Anti-LINKE-Tabu aufrecht
zu erhalten.
CDU und
CSU haben dabei in Sahra Wagenknecht eine große Wahlhelferin,
die heute bei ihrer Hauptrede der Bundestagsgeneraldebatte alles dafür tat, um
Merkel die Kanzlerschaft zu sichern, indem sie R2G de facto
zerstörte.
Bizarr
sind die vielen gesellschaftlichen Tabus, die oft aus kruden religiösen
Vorzeiten stammen, keinerlei erkennbaren Sinn haben und zum Teil immer noch
befolgt werden.
Masturbation,
unehelicher Geschlechtsverkehr, Scheidung, Frauen in Hosen, Linkshändigkeit,
Kriegsdienstverweigerung oder gemischtrassige Ehen waren über Jahrhunderte
tabuisiert.
Menschen
empfinden unterschiedlich, daher kann es sinnvoll sein gewisse Tätigkeiten in
der Öffentlichkeit zu unterlassen: Zigarre-Rauchen, Nacktheit, lautes
Telefonieren, Körpergeruch sind Beispiele dafür. Das sollte man unterlassen,
wenn man sich unter Fremden befindet. Hierbei handelt es sich aber nicht um Tabus,
sondern soziale Konventionen.
Ich
möchte auch nicht in der U-Bahn neben einer Stinkerin sitzen oder jemand bei
der Onanie zusehen. Gleichzeitig trete ich natürlich für eines jeden Rechtes
ein im privaten Kreis zu transpirieren und masturbieren.
Wer
diese Dinge tatsächlich tabuisiert, verlangt aber, daß man überhaupt nie nackt
rumläuft oder ins Telefon brüllt.
Solche
Tabus sind nicht nur sinnlos, sondern auch schädlich.
Die
Zusammenarbeit mit dem politischen Rechtsextremismus und die Verbreitung
rechtsradikaler Thesen sind aber völlig zu Recht tabuisiert, da die
Enttabuisierung bereits der erste große Schritt zur Gewalt ist.
Das
macht es so schwer erträglich AfD-Politiker zu beobachten, wie sie reihenweise
Tabus brechen und jedes Mal anschließend grinsen wie ein Zweijähriger, der sein
erstes Häufchen in den Nachttopf gedrückt hat.
Wer sich
öffentlich vernehmbar über Behinderte mokiert, verächtlich über Homosexuelle
spricht, ausländerfeindlich argumentiert, senkt jedes Mal die Hemmschwelle bei
den moralisch Desparaten, die solche Hassgefühle in die Tat umsetzen.
Dieser
Zusammenhang ist vielfach belegt, wie die rapide ansteigende Zahl der Brandanschläge
auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland, die schwulenfeindlichen Attacken in Frankreich nach dem Aufstand gegen die Homoehe oder die Hassangriffe auf Muslime in der USA nach der Wahl Trumps
zeigen.
Amerika führt
gerade eine Enttabuisierung des Nazitums à la Hitler vor, wie man es noch vor
einem Jahr nie für möglich gehalten hätte.
Brutaler
als KKK und andere White Supremacists setzen die „Alt-Rights“ auf Hitler pur.
[…..] After dinner, when most journalists had
already departed, Spencer rose and delivered a speech to his followers dripping
with anti-Semitism, and leaving no doubt as to what he actually seeks. He
referred to the mainstream media as “Lügenpresse,” a term he said he was
borrowing from “the original German”; the Nazis used the word to attack their
critics in the press.
“America was until this past generation a white country designed for
ourselves and our posterity,” Spencer said. “It is our creation, it is our
inheritance, and it belongs to us.”
The audience offered cheers, applause, and enthusiastic Nazi salutes. [….]
“Lugenpressa”
– da verfällt auch Richard Spencer mit seiner Hitler-Frisur ins Deutsch.
Whoopi Goldberg hat Recht – das passiert; solche Typen
kriechen nach oben, if you stir up the
base.
Alt-Right
ist insofern höchst relevant, weil Trumps rassistischer Stabschef, der Breitbart-Mann Steve Bannon Vordenker
dieser Nazibewegung ist.
Alt-Right
hat also nicht nur einen Fuß im Weißen Haus, sondern sitzt mitten drin an der
wichtigsten Schaltstelle.
[….]
Bislang trat die rechte amerikanische
Bewegung Alt-Right kaum in Erscheinung. Doch seit Trumps Sieg fühlen sich die
Radikalen ermutigt wie nie. [….] Sie
haben Trump gewählt, weil in ihm zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Kandidat
zur Wahl stand, der sich ganz bewusst rechtsradikale Positionen zu eigen
machte. Er diffamierte die Latinos als "Vergewaltiger", kündigte die
Deportation illegaler Einwanderer an und die Aufrüstung der Grenze. Doch nicht
nur das: Er distanzierte sich nur widerwillig vom Zuspruch vonseiten eines der
Idole der weißen Suprematisten, des früheren Führers des Ku-Klux-Klan, David
Duke. Und er spielte unbekümmert mit den Zeichen einer jungen Bewegung von
ultrarechten weißen Suprematisten, die seit knapp zehn Jahren unter dem Label
"Alternative Right", kurz "Alt-Right", im rechten
Untergrund fermentiert.
Bisher kam Alt-Right
über ein paar Tausende Anhänger nicht hinaus. [….]
Richard Spencer [….] deklamierte: "Weiß zu sein heißt, ein Kämpfer zu sein, ein
Kreuzfahrer, ein Entdecker und ein Bezwinger." Am Ende rief er in den
Saal: "Heil Trump! Heil unserem Volk! Heil unserem Sieg!" Spencer,
38, ist der Kopf der Alt-Right-Bewegung und ein Meister des politischen
Brandings. Rechtsradikale Gruppen gab es immer in den USA, auch nachdem der Ku-
Klux-Klan weitgehend verschwunden war. [….] Spencer versteht sich als
Intellektueller. Gerne erzählt er, wie sehr Friedrich Nietzsche ihn beeinflusst
habe. Und wenn er über Napoleon liest, so gestand er dem Rolling Stone, kriege
er "einen Steifen". Verheiratet ist er mit der Russin Nina Kouprianova,
einer Putin-freundlichen Wissenschaftlerin und Übersetzerin.
[….]
Ein nicht geringer Teil der Amerikaner, die
"birther", weigern sich bis heute, [Obama] als Präsidenten anzuerkennen, da er in Wahrheit in Kenia geboren sei.
Doch während die Birther die Tatsache, dass sie einen schwarzen Präsidenten
niemals anerkennen würden, noch mit der Frage nach dem Geburtsort kaschierten,
bekennen sich die Alt-Right-Anhänger nun offen zu ihrem weißen Suprematismus. [….]
Mit der
Berufung Bannons zum Stabschef des US-Präsidenten ist ein Tabu gefallen, das
außerordentlich notwendig war und für immer hätte aufrechterhalten werden
sollen.
Nun sind
die Dämme gebrochen, nun kann sich eleminatorischer Menschenhass nicht nur
ungehindert entfalten, sondern der Einpeitscher des Hasses ist zu einem der
mächtigsten Männer der Supermacht Amerika reüssiert.
Trumps sehr schwache und 18 Monate zu späte Distanzierung
kann auch nichts mehr retten. Die Nazikatze ist aus dem braunen Sack.
Wäre
Amerika nicht moralisch nicht schon lange bankrott, hätte eine rassistische Breitbart-Lügenkampagne
niemals zu einem „President elect“ führen können.
Die von
Trump so verachteten „liberal media“ diskutieren diesen Vorgang, aber was gibt
es da noch zu reden?
Es müßte Generalstreiks geben bis Trump zurücktritt.
Es müßte Generalstreiks geben bis Trump zurücktritt.
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