Nichts triggert die Cortisol-Produktion in den Hirnen
vermeidlich linker Sozialdemokraten so sehr wie Meinungsäußerungen des letzten
SPD-Kanzlers.
Man kann niemand so leidenschaftlich hassen wie denjenigen,
den man mal liebte.
Dieser Typ, der in Niedersachsen zweimal die absolute
Mehrheit für die SPD holte und im Bund 41% erzielte.
41% Schröder versus 14% Nahles.
Dazwischen liegen politisch gesprochen nicht nur Welten,
sondern Galaxien.
Oh, wie sie den Altkanzler für seine sagenhaften Erfolge hassen
und pawlowsch sabbernd „Gas-Gerd“ und „Putin-Freund“ ausspeien.
Im Jahr 2019 ist der INF-Vertrag zerstört und wir stehen
unmittelbar vor einem neuen atomaren Wettrüsten in Europa. Kaum noch
vorstellbar, daß eben dieser Putin als Regierungschef als Freund auf Deutsch
vor dem Bundestag sprach, daß Berlin und Moskau gemeinsame Kabinettssitzungen
abhielten, ihre pazifistische Außenpolitik (gegen den Irakkrieg) koordinierten,
daß sich die Regierungschefs so gut verstanden, daß sie Geburtstage und
Weihnachten privat zusammen verbrachten, daß der russisch-deutsche Handel
blühte. Eine echte Freundschaft zwischen Russen und Deutschen entstand.
Deutsche Schweinezüchter zogen auf russische Steppen, das Hamburger Partyvolk
strömte zu den Weißen Nächten der Partnerstadt St. Petersburg, russische
Schriftsteller und Musiker ließen es sich in Berlin gutgehen.
20 Jahre später hassen wir uns wieder. Deutsche Soldaten
stehen als NATO-Verstärkung in den Baltischen Staaten unmittelbar vor der
russischen Grenze, es herrschen strikte Wirtschaftssanktionen und wir
installieren wieder Atomraketen gegeneinander.
Wir urteilen nun moralisch und nicht pragmatisch.
Daher lehnen wir die Erinnerungen an das goldene deutsch-russische
Zeitalter unter Schröder empört ab. Dieser Gas-Gerd.
Schröder teilt zu allem Übel auch noch gegen Andrea Nahles
und Kevin Kühnert aus.
Die Seele der sozialdemokratischen Facebookgruppen kocht
über.
Dieser Putin-Freund! Ist der nicht überhaupt schon das
fünfte mal verheiratet?
Die gegenwärtige Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD
hat dabei allen Grund ihren Vorvorvorvorvorvorvorgänger (Schröder, Müntefering,
Platzeck, Beck, Müntefering, Gabriel, Schulz) zu fürchten.
Aus zwei Gründen.
1.) Gerhard Schröders Anmerkungen aus dem
aktuellen SPIEGEL sind alle richtig.
„Wohl schon ein bisschen. Ich habe immer versucht,
in kurzen Sätzen zu sprechen und nicht auszuweichen. Die Bundesumweltministerin
hat neulich gezeigt, wie
man es nicht machen sollte. Sie wurde gefragt, wie sie
zum Tempolimit steht. Und anstatt zu sagen, ich bin dafür oder dagegen,
sagt sie, man werde einen Plan vorlegen in der Regierung, und man müsse
die Dinge im Gesamtzusammenhang sehen. Solch eine Sprache kommt so verklausuliert
und so ängstlich daher, dass sie keinen bewegt. Da muss man sich dann auch
nicht wundern, wenn einen niemand mehr versteht.“
(Gerd Schröder, 02.02.2019)
(Gerd Schröder, 02.02.2019)
[….]
SPIEGEL: Wir haben den Eindruck, der ganzen SPD ist die
Sprache verloren gegangen. Ist das »Bätschi« von Parteichefin Andrea
Nahles ein Ersatz für Ihre »Flasche Bier«?
Schröder: Das sind Amateurfehler.
Sie war damals zwar noch nicht Vorsitzende, aber so drückt man sich einfach
nicht aus. Übrigens kann Schlampigkeit auch im Kleidungsstil außerordentlich
kontraproduktiv sein, insbesondere bei SPD-Wählern. Damit meine ich
nicht Frau Nahles, aber das muss man wissen. Die Vorstellung, dass SPD-Wähler
es am liebsten hätten, wenn man mit einem Kapuzenpulli zum Parteitag
geht, ist ein Fehler. Gerade unsere Leute erwarten, dass wir vernünftig
auftreten. [….]
Schröder: Mit Sozialpolitik
alleine nicht. Wenn uns nicht eine Mehrheit der Menschen ökonomische Kompetenz
zubilligt, werden wir nicht wieder den Kanzler stellen. Wer glaubt, dass
die SPD erfolgreich einen Kanzlerkandidaten ohne diese Kompetenz aufstellen
könnte, der irrt.
SPIEGEL: Hat Andrea
Nahles diese ökonomische Kompetenz?
Schröder: Ich
glaube, das würde nicht mal sie selbst von sich behaupten.
SPIEGEL: Wer
hat sie dann?
Schröder: Jemand
wie Olaf Scholz hat schon bewiesen, dass er was von Wirtschaft versteht.
Und er hat erfolgreich Hamburg regiert. Gutes Regieren ist Voraussetzung
für einen erfolgreichen Politiker, es reicht aber nicht. Man muss es
auch nach außen kommunizieren.
SPIEGEL: Was
ist mit Sigmar Gabriel?
Schröder: Sigmar
Gabriel ist vielleicht der begabteste Politiker, den wir in der SPD haben.
Er ist nur in der Partei ein paar Leuten zu fest auf die Füße getreten. [….]
(DER SPIEGEL, 06/19)
2.)Gerd Schröder wird gehört.
Was er sagt hat nicht nur Hand und Fuß, sondern er verfügt
über die Gabe Aufmerksamkeit zu erregen. Positiv wie negativ. Insbesondere die,
die ihn nicht mögen reagieren empfindlich wie Seismographen auf jeden seiner
Sätze.
Er hat die Fähigkeit sich so auszudrücken, daß seine
Botschaft inhaltlich bei den meisten Menschen ankommt.
Nahles hingegen plappert ein derartig von der Realität
entferntes Politiker-Sprech, daß sie es selbst mit ihrem fatalen Hang zu
Vulgarität, Lautstärke und Infantilismus kaum noch schlimmer machen kann.
Sie ist als Parteivorsitzende so unfähig, daß selbst echte
Politjunkies sie sofort vergessen.
Ich muss Minutenlang googeln bis ich wieder vergegenwärtigt
hatte, was Nahles nach dem letzten Mega-Koalitionskrach und den katastrophalen
Landtagswahlergebnissen von sich gab. Erst hieß es immer „Neustart“, dann aber
hatte sich die Parteibürokratin etwas Neues ausgedacht, nämlich einen „konkreten Fahrplan für die Koalition“. Oder
war es „Arbeitsplan“?
Und was war noch mal der Unterschied zu allen vorherigen Absichtserklärungen? Was steht im Koalitions-Fahrplan anderes als im Koalitionsvertrag?
Und was war noch mal der Unterschied zu allen vorherigen Absichtserklärungen? Was steht im Koalitions-Fahrplan anderes als im Koalitionsvertrag?
Das ist Nahles. Schon nach zwei Monaten ist längst alles
vergessen, was sie gesagt hat. Wie viele von hundert Menschen auf der Straße
könnten beantworten, was in Nahles‘ „konkreten Koalitionsfahrplan“ steht?
Weiß auch nur eine Woche später noch jemand welche Position
die SPD-Umweltministerin zum Tempolimit vertritt?
Schröder hingegen ist so einprägsam, daß man noch 20 Jahre
später genau weiß was er meinte.
Ja, Koalitionen müssen Kompromisse machen.
Aber das kann man kommunizieren und muss sich nicht feige
wegducken, bzw mit wolkigem Blabla wegreden.
Der §219a Stgb ist Mist und muss weg. Der §
218 ebenfalls.
Obwohl es dafür eine Mehrheit im Bundestag gibt, traute sich
die SPD nicht.
OK, kann man machen, aber dann muss man laut und deutlich
sagen: „Wir sehen es anders, aber der Fortbestand der Groko ist uns wichtiger,
weil…“
Doch ausgerechnet während die SPD das erste mal von einer
Frau geführt wird, traut sie sich nicht eine feministische Position
einzunehmen.
Ist die Partei etwa Opfer der fanatischen Religiotie der
Nahles?
[…..] Eigentlich ist es irre: Eine letztlich semantische Frage führt im 21. Jahrhundert eine Große Koalition beinahe an den Rand des Zusammenbruchs. Und alles nur, weil Menschen seit zwei Jahren laut dafür kämpfen, dass das, was 1933 für die Nazis "Werbung für Abtreibung" war, heute als "Information über Abtreibung" gelten sollte.
[…..] die
neue Debatte über Abtreibungen" dokumentierte teils den grandios
rumeiernden Zustand der SPD, die noch vor einem Jahr den Paragrafen knallhart
ganz streichen wollte. Und zeigte zudem, wie überholt das Frauenbild wirkt, das
hinter dem Gesetz steckt. Im Zuge von #MeToo eigentlich kaum noch vorstellbar.
[…..] Sieht man davon ab, dass Philipp
Amthor sich beharrlich um Anne Wills Fragen nach seinem Engagement für jenen populistischen
Verein "Durchblick" herumgedrückt hat, als ob ihm diese Leute auch
peinlich wären ("Ich bin keine Projektionsfläche für alles, was im
Lebensschutz passiert"); und ignoriert man, dass er der Frauenärztin
Kristina Hänel vorhielt, sie sei wissentlich Wiederholungstäterin und erst
einmal grundsätzlich für Abtreibungen (was sie beides fix als falsch
entlarvte), dann muss man sagen: Wenn man Amthor beim Wort nehmen kann, könnten
Parlamentsdebatten rund um Frauenrechte in Zukunft weniger reißerisch ablaufen.
[…..]
Selbst die konservative WELT, in der die braun-christliche Kristina
Schröder als Kolumnistin gegen Frauenrechte wettert, räumt
ein, wie schlecht der CDU-Mann aussah. Nur die SPD schaffte es nicht zu
profitieren.
[…..] Bei Twitter war Philipp Amthor am Sonntagabend unten durch. Noch
während die Sendung lief, machte sich bei dem Kurznachrichtendienst die Häme
über den jungen CDU-Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern breit. […..] Der Grund für die Häme: Amthor verteidigte
in der Talkshow von Anne Will den Kompromiss zwischen CDU und SPD zum viel
diskutierten Paragrafen 219a, den das Kabinett am Mittwoch beschließen will.
Amthor, der sich selbst als „Lebensschützer“ bezeichnet, ist dafür, dass das
sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen weiterhin bestehen bleiben soll.
[…..] In der Berliner Regierungskoalition gab es wegen der Initiative gegen
das Gesetz bereits Streit. Die SPD spricht sich schon länger für eine
Streichung des Paragrafen aus – genauso wie Linke, Grüne und Teile der FDP. Im
März 2018 hätte diese Mehrheit im Bundestag den 219a sogar beinahe schon einmal
gemeinsam zu Fall gebracht, doch dann schreckten die Sozialdemokraten vor einer
offenen Konfrontation mit der CDU zurück.
[…..] Der sozialdemokratischen Familienministerin Franziska Giffey kam in der
Talkshow die Rolle zu, die ausgehandelte Einigung zu verteidigen. […..] „Wir sind nun einmal in einer großen
Koalition“, sagte die Ministerin nüchtern. [….]
Schröder hätte sich garantiert nicht feige im Willy Brandt
Haus versteckt, sondern die öffentliche Diskussion dominiert, den Schwarzen
Peter der CDU/CSU zugeschoben.
Nahles hingegen schafft es, die SPD dumm dastehen zu lassen,
während die CDU auf der anachronistischen Minderheitenposition beharrt.
Ein bißchen Hoffnung machen die neuen SPD-Positionen
bezüglich der „Respekt-Rente“ von Hubertus Heil.
Die CDU tobt und hält dagegen. GUT SO! Das kann den
Volksparteien nur helfen, wenn sie klare antagonistische Positionen beziehen.
Ebenso positiv sehe ich den aktuellen Streit zwischen den Parteigenerälen Klingbeil und Ziemiak.
Der Sozi wendet sich klar gegen atomare Aufrüstung in
Europa, der CDU-Mann aus Polen hält stramm dagegen und bettelt geradezu um neue
US-Atomraketen in Deutschland. GUT SO! Fechtet das aus! Ich habe große
Hoffnungen, daß die jeweilige SPD-Position die Populärere ist.
Schade nur, daß Andrea Nahles wie immer völlig abgetaucht
ist und zu all dem rein gar nichts zu sagen hat.
Vielleicht tue ich ihr auch Unrecht. Möglicherweise
äußerte sich die Doppelchefin doch schon zu diesen Themen.
Aber, siehe oben, sie ist eben Nahles, kann sich nicht
ausdrücken und nicht kommunizieren.
Und man vergisst es sofort wieder, wenn sie irgendwas
plappert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen