Das ist keine Kleinigkeit, wenn deutsche Politiker von
rechten Terroristen ermordet werden.
Rechte Terroristen morden seit Jahrzehnten in Deutschland,
aber da ihre Opfer immer die Schwächsten der Gesellschaft sind – Behinderte,
Schwule, Flüchtlinge, Farbige – bringt das im Vergleich zum RAF-Terrorismus
kaum Medienaufmerksamkeit.
Die Linksextremisten haben damals zwar weniger Menschen
ermordet, dafür aber sehr Reiche und Mächtige. Da stand das ganze Land Kopf.
Der NSU konnte hingegen über Jahre zehn Menschen ermorden,
ohne daß irgendein Innenminister oder Polizeichef sich veranlasst fühlte zu
handeln. Und das obwohl V-Leute offensichtlich sehr nah an den Tätern dran
waren.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die allgegenwärtigen
Fahndungsplakate mit den 12 Top-RAF-Terroristen. Die Bilder waren überall,
hingen in den 1970ern und 1980ern auf jedem Postamt.
Rechtsextreme kommen hingegen nur schwer auf
Fahndungslisten, da staatliche Stellen oft in einer Gedankenwelt des ehemaligen
Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen leben. Rechtsradikale werden von ihnen
nicht als solche erkannt. Rechtsextremistische Tatmotive ignoriert und
rechtspopulistische Parteien wie die AfD sogar noch kostenlos beraten.
Weniger toxische Nazis werden zwar mit Haftbefehl gesucht,
aber offenbar nicht allzu intensiv.
Hunderte von ihnen laufen frei rum.
[….] Bundesweit gab es im vergangenen Herbst über 600 noch nicht
vollstreckte Haftbefehle gegen Mitglieder der rechten Szene. Das teilte das
Bundeskriminalamt (BKA) mit. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr mehr als
175.000 Menschen in Deutschland mit Haftbefehlen gesucht - offene Haftplätze in
Gefängnissen gibt es aber kaum. […..]
Wenn konservative Politiker selbst zu Opfern rechtsextremer
Taten werden – und das ist schließlich nicht neu, man erinnere sich an den
Anschlag auf die Kölner Bürgermeisterin Henriette Reker am 17.10.2015 – können aber
auch CDUler kaum noch schweigen.
(…..) Vor über zwei Wochen, am
03.06.2019 wurde der bekannte CDU-Politiker und Kasseler Regierungspräsident
Walter Lübcke erschossen. Seit einigen Tagen weiß man, daß es sich um einen
rechtsextremen Mordanschlag handelte.
Wenn Politiker in Amt und
Funktion von extremistischen Terroristen ermordet werden, ist das eine ganz
ganz große Sache, die tout Deutschland beschäftigt. (…..)
Der ehemalige CDU-General und jetzige Staatssekretär Tauber
reagierte recht deutlich auf Rechte, die Stimmungen anheizen, die zu solchen
Taten führen – auch wenn es sich um Parteifreunde wie Max Otte handelt.
[…..] „Die
politische Rechte kann man nicht integrieren oder einbinden“, schrieb Tauber, […..]. Die Gewaltbereitschaft von rechts nehme
zu, das politische Klima habe sich verändert. „Erika Steinbach, einst eine Dame
mit Bildung und Stil, demonstriert diese Selbstradikalisierung jeden Tag auf
Twitter“, so Tauber über seine frühere Parteikollegin. „Sie ist ebenso wie die
Höckes, Ottes und Weidels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt
führt, mitschuldig am Tod Walter Lübckes.“
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel entgegnete: „Enthemmt ist
offensichtlich Herr Tauber, der einen Mordanschlag dazu nutzt, um den
politischen Mitbewerber auf tiefste Art und Weise zu diskreditieren.“ Und: „Wer
gegen illegale Masseneinwanderung kämpft, ist kein Helfershelfer von Mördern.
Er nimmt nur seine Rechte im demokratischen Meinungskampf wahr.“ […..]
Otte, um seine Parteimitgliedschaft fürchtend, distanzierte sich von sich selbst.
Frau Steinbach ist hingegen ohnehin schon auf den
David-Berger-Zug aufgesprungen und hat das demokratische Spektrum verlassen.
Bemerkenswert ist aber wie schwer es der CDU-Führung fällt
die rechtspopulistischen Abweichler in den eigenen Reihen einzufangen.
Taubers Nachfolger Ziemiak wird durchaus deutlich.
Für ALLE noch einmal zum mitschreiben: die @CDU lehnt jede Koalition oder Zusammenarbeit mit der AfD strikt ab!!! Das ist nicht nur meine Meinung, sondern Beschlusslage des CDU Bundesparteitages (Beschlüsse C76, C101, C161 und C179). https://t.co/7sAzFkGzqk— Paul Ziemiak (@PaulZiemiak) 20.
Bei einer so fahrigen Parteichefin wie Kramp-Karrenbauer ist
seine Autorität allerdings gering.
[…..] Ulrich Thomas, CDU-Fraktionsvize in Sachsen-Anhalt, hat eine neue
Debatte über den Umgang seiner Partei mit der AfD ausgelöst. "Wir sollten
eine Koalition jedenfalls nicht ausschließen. Stand jetzt ist sie nicht möglich
- wir wissen aber nicht, wie die Lage in zwei oder fünf Jahren ist", sagte
er der "Mitteldeutschen Zeitung". In Sachsen-Anhalt wird 2021 ein
neuer Landtag gewählt. Die AfD habe zwar viele radikale Politiker. Es gebe aber
auch liberale Kräfte. "Wir müssen sehen, welche Strömung sich
durchsetzt." […..]
Kurz nach der Ermordung eines CDU-Politikers, gegen den aus
AfD-Kreisen gehetzt wurde, mahnt Ex-BuPrä Gauck zu Toleranz mit rechts.
Er ist nicht allein mit seinem AfD-Flirt. Auch das sehr
aktive CDU-Mitglied Maaßen sieht es so und die Ost-Landesverbände kooperieren
in den Parlamenten ohnehin schon mit den Angebräunten.
[…..][…..] Die Partei ist zerstritten und
fürchtet den Machtverlust. In drei Bundesländern - Sachsen, Brandenburg und
Thüringen - stehen diesen Herbst Landtagswahlen an. Die CDU muss mit Verlusten
rechnen, könnte gar hinter die AfD zurückfallen. […..] Der Stimmenverlust und die mangelnden Koalitionsoptionen bringen die
Grundsatzfrage auf, wie es in der CDU nach der Ära Merkel weitergeht - und zwar
vor allem, was den Umgang mit der AfD angeht.
Die zwei Fraktionsvizes im Magdeburger Landtag, Ulrich Thomas und
Lars-Jörn Zimmer, machen sich mit einem internen Papier Luft über die
verfahrene Situation. Das neunseitige Papier mit dem Titel "Denkschrift"
liegt dem SPIEGEL vor.
[…..] Angesichts der bevorstehenden Rezession
müssten "Herkunft und Erhalt des Wohlstandes" wieder stärker
thematisiert werden. Deshalb sei es an der CDU, das "Soziale mit dem
Nationalen zu versöhnen", schreiben sie. "Nationale Identität, Stolz
und Heimatverbundenheit" seien die Grundlage der Gesellschaft. Man habe
versäumt, die Sehnsucht nach Heimat nicht verteidigt zu haben.
Die Flüchtlingspolitik der EU
und des Bundes seien gescheitert. "Ungesteuerte Migration" habe eine
"Zunahme an neuer brutaler Kriminalität" zur Folge. […..]
Der Effekt ist immer gleich: Je stärker sich die CDU an die
AfD heranwanzt, desto schwächer wird die CDU und desto stärker die AfD.
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