Daß der Eintritt der FDP in die Bundesregierung eine sozialpolitische Katastrophe nach sich ziehen würde, den Klimaschutz massiv behindert und ungenierte Lobbyarbeit für die Superreichen bedeutet, kann niemand überraschen. Dennoch gab es offensichtlich viele, die ihr Kreuz bei den Hepatitisgelben machten, weil sie sich davon versprachen, die Wirtschaft zu stärken.
Nach primitiven Politikverständnis lautete die Formel: Die Ampel könne sich gut ergänzen, weil alle gemeinsam die CDU-Verkrustungen nach gefühlt 160 Jahren Merkel und Altmaier aufbrechen wollten. Es biete sich eine perfekte Aufgabenteilung an: SPD kümmert sich um sozialen Frieden und Gerechtigkeit, die Grünen machen Klima und Umweltschutz; Lindners Leute bringen Digitalisierung und Wirtschaft in Schwung.
Eine naive Vorstellung, die auf der falschen Prämisse beruhte, daß die FDP über zumindest rudimentäre ökonomische Kompetenz verfügt. Aber weit gefehlt.
Die Gelben sind nicht nur völlig ahnungslos und borniert, wenn es um Wirtschafts-, bzw Finanzpolitik geht, sondern so katastrophal outdatet, daß sie quasi im Alleingang der deutschen Ökonomie den Saft abdrehen.
Wirklich besorgniserregend ist dabei die Kompetenz-Resistenz der Lindneristen, die auch die geballten Anstrengungen aller Fachleute stoisch ignorieren.
[….] 61 Organisationen aus Wissenschaft, Verbraucher- und Kinderschutz appellieren in einem offenen Brief an die FDP-Führung, das geplante Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel zu unterstützen. Mit ihrer Ablehnung stelle sich die Partei "gegen den einhelligen Konsens in der Wissenschaft und unter Fachorganisationen", heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorab vorlag. Dies bedeute "eine klare Absage an den Gesundheitsschutz von Kindern und Jugendlichen". Zu den Unterzeichnern gehören der AOK-Bundesverband, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Diabetes Gesellschaft, das Deutsches Krebsforschungszentrum und das Deutsche Kinderhilfswerk. Die Gruppierungen drücken in dem an FDP-Chef Christian Lindner gerichteten Brief ihre "große Sorge" über jüngste Äußerungen von FDP-Vertretern aus. [….]
Statt auch nur daran zu denken, auf Fachleute zu hören, verfällt der Parteichef lieber in rassistischen Populismus.
Am Wochenende begründete Lindner seine Verweigerung der Kindergrundsicherung damit, es wären doch bloß die Migrantenkinder, die in Armut lebten. Für die sei aber deutsches Steuergeld zu schade.
[….] Das alles passiert, während vor allem bei der FDP und CDU Rufe laut werden, Sozialleistungen weiter zu kürzen. Kürzungen würden politisch vernachlässigte und von Armut betroffene Gruppen, wie viele Behinderte und Alleinerziehende, besonders treffen.
Als ob das nicht schlimm genug wäre, mischt sich der latente Rassismus, den man von CDU und FDP gewohnt ist, dazu. Christian Lindner zum Beispiel hat beim Tag der offenen Tür seines Ministeriums am vergangenen Wochenende die Kinderarmut auf Migrant*innen geschoben. Prompt wurde er widerlegt.
Marcel Fratzscher, Professor für Makroökonomie an der Berliner Humboldt Universität, hat auf X (Ex-Twitter) klargestellt, dass die „ursprünglich deutschen Familien“, wie Lindner sagt, nicht wegen besseren Lebensstandards aus der Armut gekommen seien, sondern weil noch ärmere Familien hinzugekommen seien, was das mittlere Einkommen in Deutschland insgesamt reduziert habe.
Wenn Politiker*innen wie Lindner die soziale Frage an die Herkunft koppeln, scheint er auch um die Aufmerksamkeit der AfD und ihrer Fans zu buhlen. Dabei müssen politische Entscheidungen so weit weg wie möglich von rechtsextremistischen Ideologien stehen.
Im Nationalsozialsozialismus wurden Behinderte und Armutsbetroffene systematisch geächtet. [….]
Daß Deutschland als einzige der G7-Ökonomien schrumpft, liegt an mehreren Faktoren. Es fehlt an Fachkräften, die Digitalisierung hängt weit zurück und vor allem ist Deutschland sehr Industrie-abhängig und Export-lastig.
Industriegüter zu produzieren kostet aber viel Energie und die ist in Deutschland sehr teuer, weil die Energiewende verschlafen wurde und der Ausbau der von fossilen Energieträgern unabhängigen Versorgung stockt.
Die Industrieriesen China und USA haben massive staatliche Programme aufgelegt, um Solar- und Windenergie auszubauen. Im Gas-abhängigen Deutschland wäre das umso notwendiger und auch umso leichter möglich, weil die Staatsverschuldung im Vergleich mit den anderen Nationen gering ist. Wie sollen Unternehmer ihre Investitionen planen, wenn sie keine Ahnung haben, wie sich der Strompreis entwickelt? Die Bundesregierung müsste Planungssicherheit schaffen.
Allein, es geschieht nicht, weil FDP.
[……] In dieser Situation sollte die Bundesregierung den Firmen bessere Anreize bieten, langfristig in Deutschland zu produzieren und zu investieren. Dazu gehört ein verlässlicher Ausbau erneuerbarer Energien von Wind und Solar bis zu Wasserstoff, der fossile Kostenschocks wie sie etwa durch den russischen Angriffskrieg entstanden sind, verhindert und auf Dauer günstige Preise schafft. Durch das monatelange friendly fire des Heizungsstreits hat die Ampel-Koalition jedoch Zweifel gesät, dass sie die Energiewende wirklich durchzieht. Die Straßenbau- und Verbrenner-Liebe von Verkehrsminister Volker Wissing erweckt den Eindruck, Klimaschutz sei in dieser Koalition nur Beiwerk. Warum sollen die Firmen dann glauben, dass die Regierung konsequent Genehmigungen vereinfachen und Geld bereitstellen wird, um erneuerbare Energie zu vervielfachen und so dauerhaft ihre Kosten zu senken? […..]
(Alexander Hagelüken, 18.08.2023)
Die Industrie- und Export-lastige deutsche Wirtschaft kann sich zwar auf Habeck verlassen, der versteht, wo der Schuh drückt. Aber der Vizekanzler wird vom gelben Kassenwart blockiert.
[……] Damit Bereiche wie die Chemie erst gar nicht abwandern, sollte die Ampel Strom für die Produktion übergangsweise verbilligen - mit dem Industriestrompreis, den der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck plant, aber die FDP blockiert.
Geld für die Energiewende und Übergangshilfen: Solch staatliche Industriepolitik gilt in der Bundesrepublik ideologisch als verpönt. Es wäre jedoch töricht, den Standort in ordoliberaler Schönheit sterben zu lassen. Es bedarf eines wirtschaftspolitischen Updates an die veränderten Zeiten. Die USA könnten durch die massiven Subventionen des Inflation Reduction Act Wind- und Solarstrom binnen weniger Jahre günstiger machen als sonstwo auf der Welt. […..]
(Alexander Hagelüken, 18.08.2023)
Die bornierten FDPler blockieren jede sinnvolle Maßnahme, die der Wirtschaft langfristig helfen würde und schieben lieber ihren reichen Gönnern direkt Steuergelder in die Tasche. Zudem ist Lindner von einer naiven schwäbische-Hausfrau-Denke blockiert, die alle anderen Industrieländer längst abgelegt haben. Deswegen wächst ihre Wirtschaft und nur die Deutsche schrumpft.
[……] Doch die Ampel-Koalition ist durch Lindners Bestreben gelähmt, sich als Sparkommissar zu profilieren. Dabei besteht keine ernsthafte Gefahr, dass Deutschland in gefährliche Verbindlichkeiten gerät. Die Staatsschuldenquote pendelt seit der Jahrtausendwende zwischen 60 und 80 Prozent der Wirtschaftsleistung, also auf einem international niedrigen Niveau. Als in der Finanzkrise mal höhere Ausgaben nötig waren, führte die Regierung die Quote anschließend zurück. Die Zinsbelastung erscheint aktuell weiterhin niedriger als in früheren Zeiten.
Ökonomisch gesehen könnte die Ampel-Koalistion also mehr Geld ausgeben. Es wirkt wie ein schlechter Witz, dass die Bundesrepublik 2023 konjunkturell Klassenletzter wird und gleichzeitig das geringste Etatdefizit aufweist: So spart man sich das Wachstum weg. Die übrigen Industriestaaten gehen einen anderen Weg - und beleben in diesen Krisen-Zeiten lieber ihre Wirtschaft, als einen Supersparpreis zu gewinnen. Deutschland sollte sich daran ein Beispiel nehmen. […..]
(Alexander Hagelüken, 18.08.2023)
Es ist ein Jammer. Die FDP ist nicht nur eine chauvinistische, antiwissenschaftliche, latent rassistische, destruktive Lobby-Partei.
Sie versteht auch leider rein gar nichts von Wirtschaft.
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