Die stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe Martina Renner ist eine der Linken Bundestagsabgeordneten, der ich auf Social Media folge und 99% ihrer Beiträge zustimme. Die meisten Linken, die ich wirklich mochte, sind ausgetreten oder haben die aktive Politik als Akt der Notwehr gegen Sahra Sarrazins Schwurbel-Bataillone verlassen.
Wenig wirklich Gute sind noch da; neben Renner denke ich an Ates Gürpinar, Petra Pau, Jan Korte, Heidi Reichinnek und Anke Domscheit-Berg.
Das sind immerhin sechs Gute mehr als in der CDUCSU-Fraktion.
Anfang Oktober 2023 kam es zu einem neuen Vorstoß aus der Linken, sich dem total Niedergang entgegen zu stellen.
[…..] Mehrere Politikerinnen und Politiker der Linken wollen Sahra Wagenknecht aus der Partei ausschließen. Ein entsprechender Antrag liegt dem SPIEGEL vor. Unter den Antragstellern sind etwa Sofia Leonidakis, Fraktionschefin in der Bremischen Bürgerschaft oder die Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut, Cornelia Möhring und Martina Renner. Ebenso dabei sind die früheren Berliner Senatoren Klaus Lederer und Elke Breitenbach sowie der langjährige Wagenknecht-Kritiker und Ex-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat und der Ex-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler. […..]
Akbulut, Renner und Co haben völlig Recht. Allerdings gab es schon seit Jahren Versuche Wagenknecht loszuwerden. Schon ihre Bundestagskandidatur 2021 in NRW war absolut schockierend. Die Linke hätte sie schon 2018 wegen des gestarteten Konkurrenz-Projektes „Aufstehen“ aus der Partei werfen müssen. Die Linke fand aber nicht die Kraft. Daher sitzt Wagenknecht, zwei Jahre nach ihrem AfD-Anbiederungs-Schundbuch „Die Selbstgerechten“, immer noch mit Parteibuch im Bundestag und hat die Linke damit für so viele prinzipiell Sympathisierende (wie mich zum Beispiel) nachhaltig unwählbar gemacht.
Als Ein-bis-Zwei-Prozentpartei, die sie heute ist, wird das LINKE-Projekt in unserem 5%-Hürden-Parlamentarismus nun ihren letzten Lebenshauch aushauchen.
Sehr schade, aber selbst schuld.
Nun, da die Partei scheintot ist und sie kaum noch organisatorische Hilfe leisten kann, geht Sahra Sarrazin endlich selbst. Was für ein Elend. Hätten die Linken nicht aus Angst vor dem Tod, den langsamen Selbstmord gewählt, wäre Wagenknecht längst vergessen und die Bundestagsfraktion könnte als konstruktive und kritische Kraft von der schwachen Ampel profitieren. Stattdessen stehen sie nun da mit einer großen Hand voller Nichts.
[….] Sie und ihre bisherige Partei, die Linke, sind in wenigen Tagen auch ganz offiziell politische Konkurrentinnen. Inoffiziell besteht diese Konkurrenz selbstverständlich schon lange. Wagenknecht war in den vergangenen Jahren eben nicht nur die populärste Figur der Linken, sondern gleichzeitig auch ihre härteste Gegnerin.
Wagenknecht wird zunächst wohl einen Verein ins Leben rufen, den "BSW - Für Vernunft und Gerechtigkeit", der schon vor einigen Wochen von Strohleuten ihres Vertrauens im Vereinsregister eingetragen wurde und nun die Gründung einer auf sie zugeschnittenen Partei vorbereiten soll. Der Gründungsparteitag dürfte dann mutmaßlich Anfang kommenden Jahres stattfinden. Das wäre gerade noch rechtzeitig, um bei der Europawahl im Juni 2024 erstmals mit einer eigenen Liste antreten zu können.
Damit manifestiert sich die Spaltung der Linkspartei, die schon seit einiger Zeit unausweichlich erschien. Spätestens seit dem Erfurter Parteitag im Juni vergangenen Jahres, war es nur noch eine Frage der Zeit. Damals verstrich vielleicht die letzte Gelegenheit, das schwer zerrüttete Verhältnis zwischen der Linken und ihrer inneren Oppositionsführerin noch einmal zu befrieden. [….]
Ob durch Austritt oder Rausschmiss ist noch nicht ganz klar, aber Wagenknecht und die Linke werden sich nun tatsächlich trennen. Die Linke wird mutmaßlich überall in der außerparlamentarischen Opposition verschwinden.
Fragt sich, wie erfolgreich die AfD-Konkurrenz-Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ werden kann. Ihre bei „Aufstehen“ gezeigten Defizite bleiben eine riesige Hypothek: Sahra Sarrazin ist extrem eitel, sitzt gern in Talkshows, ist aber hinter den Kulissen faul und illoyal. Organisation und Parteiarbeit meidet sie. Im persönlichen Umgang hapert es, weil sie so einen unangenehmen Charakter hat, daß niemand mit ihr zusammenarbeiten mag.
Schwer vorstellbar, wie so eine Person ganz allein ihre eigene Wagenknecht-Partei organisieren will.
DER SPIEGEL deklinierte vor zwei Wochen schon einmal andere politische Outlaws durch, die wegen Putin-Freundlichkeit, völkischen Ansichten, Schwurbelei oder TERF-Extremismus in der seriösen Politik gemieden werden.
Henryk M. Broder, Ulrike Guérot, Richard David Precht, Jürgen Todenhöfer, Thilo Sarrazin, Gerhard Schröder, Markus Lanz, Matthias Matussek, Alice Schwarzer, Boris Palmer oder vielleicht Attila Hildmann? Das Ergebnis ist ernüchternd für die BSW; an irgendeinem neuralgischen Punkt hapert es immer.
[….] Boris Palmer zum Beispiel würde auf den ersten Blick zu Wagenknecht passen wie kaum ein anderer. Beide sind überragende Aufmerksamkeitsmaschinen, definierten sich lange vor allem über ihren Streit mit der eigenen Partei und sehen auch gesellschaftspolitisch vieles ähnlich.
Doch wie zu hören ist, wird es keine Zusammenarbeit zwischen Palmer und Wagenknecht geben. Zu unterschiedlich sind die Ansichten in ökologischen Fragen, auch bei der Außenpolitik gibt es Differenzen. Wagenknecht und ihre Mitstreiter sind bei dem Thema kompromisslos und zofften sich schon in der Linken mit jedem, der auch nur einen Millimeter von der »Raus aus der Nato!«-Linie abwich.
Mehr Gemeinsamkeiten gäbe es hier mit Jürgen Todenhöfer, dem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten [….] Wagenknecht und Todenhöfer kennen sich, in Fragen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder Waffenexporten wären sie sich einig. In sozialen Fragen allerdings liegen sie auseinander: Todenhöfer will den Staat zurückbauen, ihn verschlanken, die Steuern senken. Wagenknecht hingegen will den Sozialstaat ausbauen, [….] Äußerst schwierig wäre wohl auch eine Zusammenarbeit mit Ulrike Guérot, der umstrittenen Politikwissenschaftlerin, die gerade vor Gericht mit der Universität Bonn über ihre Kündigung streitet. Wagenknecht und sie tauschten sich intensiv bei einem Treffen aus, beide lehnten viele der staatlichen Coronamaßnahmen ab. Allerdings fordert Guérot, die Europäische Union zu stärken, zu einer »Republik Europa« auszubauen, Wagenknecht dagegen will die Macht der EU verringern und den Nationalstaat stärken. Mit [….] Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). [….] Bevor sie die »Lifestyle-Linken« von den Grünen als Hauptfeind auserkoren hat, hatte sich Wagenknecht jahrelang an den Neoliberalen bei der SPD abgearbeitet. Antagonist war Schröder mit seiner Agenda 2010. Eine politische Zusammenarbeit wird vom Umfeld beider Seiten ausgeschlossen.
[….] Die Frauenrechtlerin und Herausgeberin der Zeitschrift »Emma«, Alice Schwarzer, traute sich bereits, mit Wagenknecht öffentlich zu kooperieren. [….] Allerdings gibt es Themen, in denen beide unterschiedliche Ansichten haben. So rangiert das für Schwarzer wichtige Thema Sexismus bei Wagenknecht weiter unten auf der Prioritätenliste. In der Pandemie warb Schwarzer für eine Impfpflicht, während Wagenknecht sich selbst nicht impfen ließ. [….]
Das Problem mit bekannten politischen Schwergewichten dürfte außerdem in Wagenknechts Anspruch liegen, selbst das Alphaweibchen zu sein, dem sich alle anderen bewundernd unterordnen sollen.
Das wird den genannten potentiellen BSW-Promi-Mitstreitern schwer fallen, weil sie selbst Alphatiere sind, die in erster Linie sich selbst ganz fabelhaft finden.
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