Auf die Inhalte kommt es
an! Über das Personal sprechen wir ganz zu Schluß!“
Diesen Spruch hört man
immer wieder. Er wird mit so viel Überzeugung ausgesprochen, daß man ihn fast
glauben möchte.
Aber natürlich ist das
diametrale Gegenteil richtig. Die alles überstrahlende Frage ist immer „wert
soll es machen?“
Die Kardinäle behaupten
natürlich ALLE, daß sie selbst keinerlei Ambitionen hätten und versuchen hinter
den Kulissen alles, um bloß nicht als „Papabile“ zu gelten. Die Papabile, also
diejenigen, die mögliche nächste Päpste gelten, werden üblicherweise eben NICHT
Papst. Allerdings gilt keine Regel ohne Ausnahme. Joseph Ratzinger und Eugenio
Pacelli waren Kardinaldekane und somit als mächtigster aller Kardinäle ein
natürlicher Nachfolgekandidat. Als Präfekt der Glaubenskongregation, respektive
Kardinalstaatssekretär standen sie jeweils an erster Stelle der Papstanwärter.
Bei den augenblicklichen Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union wird von allen Seiten
ebenfalls eisern geschwiegen. Keiner hat jemals „hier“ geschrien.
Man ringt schließlich
intensiv und seriös um „die Inhalte“.
Natürlich.
Dabei geht es jetzt schon
um die entscheidenden Weichenstellungen für die Nach-Merkel-Ära. Erst dann kann
die SPD wieder Hoffnung schöpfen eine Regierung zu führen und wer dann
Kanzlerkandidat sein wird, hängt von den Profilierungsmaßnahmen in den nächsten
vier Jahren ab.
Noch wichtiger ist es aber
für die Politiker der zweiten CDU-Reihe sich jetzt in Stellung zu bringen.
Bisher verblasst alles hinter der allmächtigen Merkel. Niemand weiß wer sich
durchsetzen wird, wenn sie mal keine Lust mehr hat.
Der starke Mann an Merkels
Seite ist eindeutig Wolfgang Schäuble, der auch weiterhin Finanzminister sein
will. Das ist für die Personaltaktiker in der Union natürlich ganz schlecht,
weil damit das wichtigste Gestaltungsamt nach der Kanzlerin wegfällt.
Und so sinnlos; denn Schäuble
wird bei der nächsten Bundestagswahl 75 Jahre alt sein und damit als Kandidat
definitiv nicht mehr in Frage kommen.
Fragt sich mit welchem Ministerium
man sich sonst noch gut in Szene setzen kann.
Wie ich gerade schon berichtete, wirtschaftete der unglücksselige Westerwelle das
Außenamt so gnadenlos herunter, daß die einst herausragende Bedeutung längst
Geschichte ist.
Früher galt es als Privileg, Außenminister
zu werden. Heute heißt die bange Frage, wer es machen muss. Das Auswärtige Amt
liegt auf dem Grabbeltisch der Koalitionsverhandlungen. Es ist zur Ramschware
verkommen. [….] Willy Brandt glänzte fast drei
Jahre lang als Außenminister einer Großen Koalition, bevor er selbst
Bundeskanzler wurde. Hans-Dietrich Genscher war sagenhafte 18 Jahre im Amt und
überlebte sogar einen Koalitionswechsel. Joschka Fischer beanspruchte
selbstverständlich das Außenministerium, nachdem Rot- Grün 1998 die
Bundestagswahl gewonnen hatte. Dann kam Guido Westerwelle. Auch er wählte nach
dem Erfolg der FDP im Jahr 2009 das prestigeträchtige Auswärtige Amt. Er sorgte
in seinen ersten beiden Amtsjahren durch viele Fehler dafür, dass das Ansehen
des Ministeriums demontiert wurde. „Der schwache Außenminister hat dazu
beigetragen, dass sich die Machtverhältnisse in der Regierung zu Lasten des
Auswärtigen Amts verschoben haben“, sagt Eberhard Sandschneider, der Forschungsdirektor
der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Heute gilt das
Finanzministerium als begehrteste Trophäe im Berliner Regierungsbetrieb. [….] Auch
andere wichtige SPD-Politiker rennen Richtung Ausgang, wenn irgendjemand das
Wort „Außenminister“ ruft. Parteichef Sigmar Gabriel interessiert sich für den
Posten nicht. Er will nicht in Asien oder Afrika unterwegs sein, wenn seine
Partei sich in Berlin zerlegt. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann zieht
es ins Innenministerium. So haben sich die Zeiten seit Adenauer geändert. Dabei
brauchte das Amt einen starken Minister so dringend wie nie zuvor. Schon vor
Westerwelle gab es schwache Außenminister. Sein Parteifreund Klaus Kinkel, von
Helmut Kohl als „Außen- Klaus“ verspottet, galt in den neunziger Jahren als
Fehlbesetzung. [….Die Beamten des Außenamts] bekümmert vor allem, dass der
nach Merkel wichtigste Mann der deutschen Außenpolitik in der Regierungszentrale
und nicht im Auswärtigen Amt sitzt. Er heißt Christoph Heusgen und ist
außenpolitischer Berater Angela Merkels. Nur ein selbstbewusster Außenminister
hätte eine Chance, sich gegen Heusgen zu behaupten. Wie das geht, hat Joschka
Fischer gezeigt. Der sprach seinerzeit vom ehrgeizigen Kanzlerberater Michael
Steiner nur als „dem Beamten“, von dem er sich nicht auf die Schuhspitzen
pinkeln lasse. Nach so einem Minister sehnen sich die Diplomaten.
(DER
SPIEGEL 28.10.13)
Man wagt es kaum zu sagen,
weil es so ungewöhnlich ist: Aber die SPD verhält sich gegenwärtig recht
geschickt und demokratisch vorbildlich.
Sie informiert ihre
Mitglieder täglich mit einem Bericht über die Verhandlungen, lädt auf eigens
geschaffenen Plattformen dazu ein mitzudiskutieren und läßt die Basis am Ende
entscheiden.
Die Toppleute um Gabriel
sind ausnahmsweise auch nicht damit beschäftigt sich gegenseitig in der Presse
anzuschwärzen, sondern reden eigentlich gar nicht mit Medienvertretern. Sie
machen schlicht und ergreifend ihre Arbeit – und das auf transparaente Weise.
Das klingt beispielsweise so.
….heute
haben wir in der „Großen Koalitionsrunde" das Thema Europa debattiert.
Das Gespräch hat gezeigt: Es gab und gibt grundsätzliche Gemeinsamkeiten in der
Ausrichtung deutscher Europapolitik, aber auch noch eine Vielzahl von
Differenzen in der Sache. Diese werden zwischen den beiden großen
Parteienfamilien in Europa auch bei der kommenden Europawahl politisch deutlich
sichtbar bleiben. Klar ist aber auch, dass eine zukünftige Bundesregierung in
Europa verlässlich agieren und die Verantwortung wahrnehmen muss, die der Rolle
und Bedeutung Deutschlands als größter Volkswirtschaft in Europa entspricht.
Die künftige Bundesregierung wird zudem eine große Verpflichtung haben, zu
verhindern, dass europafeindliche Parteien in Deutschland und in Europa
insgesamt weiter Zulauf erhalten. Dafür ist die nächste Bundesregierung gehalten,
eine Politik zu betreiben, welche die Menschen mitnimmt und zugleich
entschieden darauf hinarbeitet Fortschritte für ein soziales und demokratisches
Europa zu erreichen.
Vor
diesem Hintergrund sind folgende Beschlüsse der heutigen Sitzung für uns besonders
wichtig:
Wir
konnten uns darauf verständigen, dass die öffentliche Daseinsvorsorge,
insbesondere die Daseinsvorsorge auf regionaler und kommunaler Ebene (z.B.
Wasserversorgung) eines besonderen Schutzes bedarf. Das bedeutet: Eine
zukünftige Bundesregierung würde jeder Einschränkung der Daseinsvorsorge durch
EU-Politiken offensiv entgegentreten. Lokale und regionale Besonderheiten in
der öffentlichen Daseinsvorsorge, die zu unserer Identität gehören, wollen wir
bewahren.
Im
EU-Haushalt wollen wir weitere Schritte gehen, um den Haushalt stärker auf die Prioritäten
Wachstum, Beschäftigung und Innovation auszurichten.
Wir
konnten auch Einigung darüber erzielen, dass sich eine Bundesregierung mit
SPD-Beteiligung dafür einsetzen würde, dass zügig eine Finanztransaktionssteuer
zur Besteuerung von Finanz-Spekulationen in Europa eingeführt wird.
Die
Europapolitik soll in der großen Verhandlungsrunde erneut aufgerufen werden.
Dann geht es konkret noch einmal um die Banken- und Finanzmarktregulierung in
der Europäischen Union.
[…] Aber
auch die Verhandlungen in den Arbeitsgruppen gehen weiter. Heute tagen noch die
Arbeitsgruppen für die Themen „Arbeit und Soziales" und „Finanzen,
Haushalt, Finanzbeziehung Bund-Länder (Kommunen)". Und morgen geht es
weiter mit Verhandlungen in sieben weiteren Arbeits- und Unterarbeitsgruppen.
Wir
halten Dich auf dem Laufenden.
Herzliche
Grüße von Sigmar
Gabriel und Andrea Nahles
(Mitgliederbrief 30.10.13)
Aber was auch immer die
Koalitionäre sagen; die Presse spekuliert natürlich DOCH über Posten.
Gabriels persönliches Interesse gilt dem neu zu schaffenden Energieressort. Es würde aus dem bestehenden Wirtschaftsministerium entstehen und könnte um Zuständigkeiten aus dem Umwelt- und Verkehrsministerium erweitert werden. So könnte der SPD-Chef Manager der bedeutendsten innenpolitischen Aufgabe dieser Jahre werden – der Energiewende. Als Vizekanzler wäre er dann in einer Art Pole-Position für die SPD-Kanzlerkandidatur 2017. Den Verzicht aufs Finanzministerium will sich Gabriel teuer abkaufen lassen: mit inhaltlichen Forderungen, mit dem Anspruch auf ein siebtes Ressort und mit dem Zugriff auf Gestaltungsministerien wie das Verkehrsressort. Und das Auswärtige Amt fiele der SPD am Ende wohl ohnehin zu. Allein: Der eigentlich naheliegende Kandidat dafür wäre Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der aber will vorläufig lieber Fraktionschef bleiben. Das sind jedenfalls die Signale, die er seit dem Wahltag aussendet. So dreht sich alles um das Duo Gabriel/Steinmeier. Es wird in jedem Fall das zentrale Scharnier der SPD-Seite in einer Koalitionsregierung bleiben. Beide verbindet eine sympathiefreie Zweckgemeinschaft. In der Stunde der Wahlniederlage stützten sich die beiden angeschlagenen Spitzengenossen. Am Tag nach der Bundestagswahl saß Gabriel eine Stunde lang bei Steinmeier im Büro im Berliner Jakob-Kaiser-Haus, er wollte reden.
(DER
SPIEGEL 28.10.13)
Auch die SPON-Kolumnist
Münchau meint, die SPD könne ohne Finanzministerium auskommen.
Die SPD riskiert alles - und könnte doch
gewinnen
[…] Mit
Peer Steinbrück hatte die SPD in den Jahren 2005 bis 2009 einen Finanzminister
in einer Großen Koalition. Politisch genützt hat ihr das nicht. Auch nicht
geschadet. Der Grund für die verlorene Wahl 2009 war der Zustand der Partei. In
der Großen Koalition 1967 bis 1969 hatte die SPD nur das Wirtschaftsministerium
inne - und stellte nach der Wahl 1969 den Bundeskanzler. Auch das war kein
Grund für den Regierungswechsel 1969. Ob die SPD die nächsten Wahlen gewinnt,
wird von vielen Faktoren abhängen - vom Finanzministerium wohl eher nicht.
[…] Es
sprechen aus Sicht der SPD aber auch gewichtige Gründe dagegen, auf das Amt des
Finanzministers zu bestehen. Zum ersten Mal interessieren sich die
Spitzenpolitiker der SPD für dieses Amt nicht sonderlich. […]
Der zweite Grund liegt darin, dass die
SPD es möglicherweise vorzieht, sich in Euro-Fragen hinter der Union zu
verstecken. Wenn die SPD keine Euro-Bonds will und auch keine ambitionierte
Bankenunion, dann spricht auch tatsächlich nicht viel dagegen, Wolfgang
Schäuble nach Brüssel zu schicken. Man kam ihm schließlich einen
SPD-Staatssekretär als Aufpasser an die Seite stellen. [….]
Wahrscheinlich ist es sogar aus
taktischer Sicht besser, Merkel und Schäuble die Konsequenzen ihrer eigenen
Politik verantworten zu lassen. Wenn es im Euro-Raum knallt, dann wird man sie
in erster Linie verantwortlich machen. Und knallen wird es so oder so. Hält der
Euro zusammen, kommt es unausweichlich zum Schuldenschnitt. Wenn nicht, knallt
es irgendwo politisch, und der Euro bricht zusammen. Merkel und Schäuble werden
dann irgendwann von ihrer eigenen Rhetorik eingeholt. Für die SPD mag es
durchaus reizvoll sein, sich hier in zweiter Reihe aufzustellen und sich mit
sozialpolitischen Reformen und Investitionsprogrammen zu profilieren.
Wenn die SPD aber die
Bereiche Arbeit, Soziales und Wirtschaft übernimmt, was soll die CDU dann bloß
mit der eifrigsten Möchtegern-Merkelnachfolgerin von der Leyen machen?
Ihr bisheriges Ministerium wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an die SPD verlieren. Welchen Posten soll sie sonst übernehmen, nachdem die Unions-Frauen bisher kaum zum Zuge kamen?
Ihr bisheriges Ministerium wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an die SPD verlieren. Welchen Posten soll sie sonst übernehmen, nachdem die Unions-Frauen bisher kaum zum Zuge kamen?
Seit der Wahl bestand die Aufgabe der
Unionsparlamentarierinnen fast nur darin, Männer in Ämter zu heben. Fraktionschef
Kauder, den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer Michael Grosse- Brömer,
Bundestagspräsident Norbert Lammert – und nun zwei männliche Vizepräsidenten.
Besonders frustriert die Damen der Blick auf den Geschäftsführenden Fraktionsvorstand,
der kommissarisch im Amt bleibt, bis die Koalition steht. In dem 19-köpfigen
Gremium sitzen nur drei Frauen. Von 16 Landesgruppenchefs sind 13 Männer.
Niemand rechnet damit, dass die ehrgeizigen Herren im Dienste der
Gleichberechtigung freiwillig ihren Platz räumen.
(DER
SPIEGEL 28.10.13)
Von der Leyen würde gern
Außenministerin sein. Sie schert sich ohnehin nicht um politische Inhalte und
geht in Deckung, wenn es konkret wird. Aber bella figura machen, gefiele ihr
und als Ex-Außenministerin hätte sie 2017 die allerbesten Chancen Merkel zu
beerben.
Der Nachteil für die CDU:
Bekämen die Sozis weder Finanz- noch Außenministerium, müßte das extrem teuer
kompensiert werden. Merkel hätte in der Innen- und Sozialpolitik viele
Zugeständnisse zu machen.
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