Schon
oft sind Parteien vom Wähler fürchterlich vermöbelt worden.
Die
Linke flogen 2002 aus dem Bundestag und die Grünen im Jahr 1990.
Die
großen Parteien sind nicht frei von solchen existenzbedrohenden Ergebnissen.
Für
die Sozialdemokraten war die Bundestagswahl eine der schwärzesten Stunden: 76
Abgeordnete und Hunderte Mitarbeiter mußten gehen, als Kuschel-Steinmeier mit
MINUS 11,2 Prozentpunkten ins Ziel kam.
Für
die CDU war einer der größten Schocker vermutlich das Wahlergebnis von 1998,
als 49 Sitze wegfielen und sämtliche Regierungsämter von eben auf jetzt futsch
waren.
In
den Ländern gibt es ähnliche Ausschläge.
Bitter
war für die SPD beispielsweise das Hamburger Wahlergebnis von 1993. Erst 1991
hatte Henning Voscherau für die Sozis eine absolute Mehrheit geholt. Dann
stellte sich heraus, daß die CDU bei ihrer Kandidatenaufstellung gemauschelt
und betrogen hatte. CDU-Mann Markus Wegner klagte und erreichte beim
Verfassungsgericht Neuwahlen, obwohl die SPD eine stabile und erfolgreiche
Regierung mit absoluter Mehrheit führten und lediglich die oppositionelle CDU
betrogen hatte. Der Wähler war aber so genervt von allen Parteien, daß auch die
SPD auf 40% absackte.
Bei
den Bürgerschaftswahlen von 2011 wurde die allein regierende CDU unter
Bürgermeister Christoph Ahlhaus regelrecht pulverisiert. Die Union verlor
rekordmäßige 20,7 Prozentpunkte, während Olaf Scholz‘ SPD 14,3 Prozentpunkte
hinzugewann und eine absolute Mehrheit gewann.
So
bitter solche Ergebnisschwankungen sein mögen, so sind sie doch ein Zeichen
dafür, daß die Demokratie irgendwie doch funktioniert und nicht immer nur die
bekannten Gesichter vom apathischen Urnenpöbel bestätigt werden.
Die
parlamentarische Demokratie hätte man vor zwei Wochen zu machen
müssen, wenn nicht die FDP nach einer unterirdischen Performance aus dem
Parlament gefegt worden wäre.
Nicht
nur, daß die fünf Minister durch katastrophale Untätigkeit und handwerkliche
Unfähigkeit auffielen, nein, sie missverstanden ihre Jobs auch noch als
Selbstbedienungsläden, in denen man nach Herzenslust Parteialtkader mit schönen
Beamtenstellen versorgen konnte. Mit ihnen begann die Talibanisierung der
Regierungspolitik. Deutschland wurde international verachtet, man verprellte
die Partner und die Regierungsparteien warfen sich gegenseitig vor als „Gurkentruppe“
und „Wildsäue“ zu agieren.
Ausgerechnet
die FDP, deren ehemaliger Chef Westerwelle wie kein anderer Parteichef zu vor
Pathos und Großsprecherei bemühte, setze nicht ein einziges ihrer Wahlversprechen
um. Rein gar nichts erreichten die größten Polit-Loser aller Zeiten.
Stattdessen
holten Bahr und Rösler die Lobbyisten direkt in die Ministerien, damit diese
sich ihre Gesetze gleich selbst schreiben konnten.
Vier
Jahre lang betrieben die Hepatitisgelben eine ausschließlich
parteispendenorientierte Gesetzgebung.
Und
als ob das alles noch nicht genug gewesen wäre, begannen Fipsi und Brüderle
Leichtfuß zwei Wochen vor der Wahl eine jämmerliche Zweitstimmenkampagne.
Nachdem Rösler erst 2011 bei seinem Amtsantritt erklärt hatte, der Tiefpunkt
der FDP Geschichte sei der Wahlkampf 1994 gewesen, als man sich selbst zur
reinen Funktionspartei degradierte und plakatierte, wer Kohl behalten wolle,
müsse FDP wählen.
Anderthalb
Jahre später waren diese Schwüre vergessen. Spitzenkandidat Brüderle erklärte
man müsse FDP wählen, wenn man Merkel als Kanzlerin wolle.
Wenn
die FDP erneut in den Bundestag eingezogen wäre, hätte man dem Urnenpöbel das
Wahlrecht entziehen müssen.
Daß
Röslers Lobbyistenanustauchergruppe überhaupt noch auf 4,8 % kam, grenzt ean
ein Wunder und ist nur dadurch zu erklären, daß 80% der verbliebenen FDP-Wähler
bei Nachwahlbefragungen angaben, die CDU wäre ihre liebste Partei.
Soweit,
so gut.
Nun
passiert aber etwa erstaunliches.
Während
die FDP-Mitarbeiter ihre Büros räumen müssen und sich die in Zeiten der
Internet-Meme zu erwartenden satirischen und belustigenden Kommentare einstellen,
beginnen die Journalisten Mitleid zu empfinden.
MITLEID.
Etwas
ganz Neues.
Ich
erinnere mich nicht, daß über das Ausscheiden der Grünen oder Linken aus dem
Bundestag Tränen vergossen wurden!
Und dabei hatten weder Grüne noch Linke wie die FDP solche Vorlagen geliefert.
Und dabei hatten weder Grüne noch Linke wie die FDP solche Vorlagen geliefert.
Jeder
erinnert sich jetzt an die Sprüche von der „spätrömischen Dekadenz“ der
Transferempfänger und an die Weigerung des Wirtschaftsministers Röslers den vor
dem Nichts stehenden extrem schlecht verdienenden „Schleckerfrauen“ zu helfen.
Sie
sollten sich doch selbst eine „Anschlußverwendung“ suchen, tönte der hochrangige
Laienkatholik kaltherzig.
Daß
es da die Satiriker in den Fingern juckt den Millionärsfreunden
hinterherzurufen, nachdem ihnen ebenfalls das Schicksal des plötzlichen
Jobverlustes widerfuhr, ist nur zu verständlich.
Aber
man kann kaum eine Zeitung, oder eine
Nachrichtenseite aufschlagen, in der nicht ausführlich auf
das Schicksal der armen, armen nun arbeitslosen FDP-Parlamentarier eingegangen
wird. Ausgerechnet bei der sozialstaatsfeindlichsten Partei wird den
Journalisten ganz warm ums Herz.
Ich
glaube, man hat schon in der Bundespressekonferenz für die darbenden
zukünftigen Ex-Minister gesammelt.
Drei Etagen
haben die 93 FDP-Abgeordneten und ihr hundertköpfiger Mitarbeiterstab in der
vergangenen Legislaturperiode im Jakob-Kaiser-Haus belegt. Jetzt müssen alle
bis 22. Oktober raus aus den Büros. Der Bundestagsverwaltung wäre es lieb, wenn
sie früher gingen, denn Teppiche müssen noch schamponiert, Wände geweißt, Fenster
geputzt werden für die Neuzugänge.
Die 93
Abgeordneten der Fraktion und ihre Mitarbeiter müssen sich jetzt in eine neue
Realität fügen, für die es im Handbuch des Deutschen Bundestags keine
Handlungsanweisung gibt. Die Realität heißt: Job los, Büro auflösen. Der BDI
und die IHK nehmen schon keine Bewerbungen mehr an, zu viele FDP-Mitarbeiter
hätten bereits Bewerbungsunterlagen eingereicht. […]
Vertreter der
Arbeitsagentur sind vorige Woche ins Jakob-Kaiser-Haus gekommen. 600
Arbeitslose auf einen Schlag, das ist die Größe eines Mittelstandsbetriebs. Die
Arbeitsagentur war von der Bundestagsverwaltung gerufen worden. Schnell hatte
sich eine lange Schlange gebildet.
[…] Lars Lindemann,
einer der Abgeordneten, die keine mehr sind, sitzt zwischen Umzugskartons, das
Mineralwasser trinkt er aus der Flasche. […]
'Purer Hass' schlage ihm entgegen. 'Gut, dass
ihr jetzt in der Scheiße liegt', solche Sachen. Schadenfreude und Mobbing
beschränkten sich aber nicht nur aufs Internet, sondern machten selbst vor den
Kindern und den Familien auch anderer FDP-Kollegen nicht halt. […]
Die FDP, haben
auch immer wieder FDP-Mitglieder gesagt, sei zu weit weg von der
Lebenswirklichkeit der Deutschen. Jetzt trifft sie die Lebenswirklichkeit
mancher Deutscher mit voller Wucht: Zynismus, Hohn, Spott.
[…] Kober fällt weicher als manch andere in den
FDP-Büros. 'Ich gleite zurück in meinen alten Beruf als evangelischer Pfarrer.'
[…]
Überrascht habe
ihn die Reaktion eines Pfarrerkollegen, der eine E-Mail geschickt hatte mit dem
Satz: 'Hoffentlich werden Sie nicht wieder Pfarrer.'
[…] Was Lindemann aber auch ärgert, sogar richtig
ärgert, ist die Gegenwart: das Verhalten der FDP-Führung. Er würde sich
wünschen, sagt er, dass die Bundestagsfraktion einen 'gemeinsamen Akt des
Abschieds' veranstalte. 'Das gehört zur Führungsverantwortung.' Aber nichts
davon. In all den Tagen seit der Wahl habe von der FDP-Führung kein Einziger
mal bei den Abgeordneten angeklopft: 'Niemand von denen hat sich durchringen
können, vorbeizuschauen und einmal zu fragen: Wie geht es euch?'
(Thorsten Schmitz, SZ vom 01.10.2013)
Am
Weitesten treibt es der neben Matthias Matussek schwärzeste SPIEGEL-Mann Jan
Fleischhauer, der immer noch seiner arroganten Schnöselpartei die Treue hält.
Die FDP habe doch vier Jahre alles richtig
gemacht! Nur ein kleiner Fehler, nämlich die Hotelsteuer wäre ihr unterlaufen.
Wie die Linken sich jetzt gegenüber der FDP der Herzen aufführten sei aber
unentschuldbar.
Der
„Mob links der Mitte“ tobe sich jetzt aus, empört sich der Kolumnist vom „schwarzen
Kanal“.
Kaum etwas liebt der Deutsche so sehr
wie die Kuhstallwärme der Volksgemeinschaft. […] Es ist erstaunlich, welchen Hass die FDP auch
nach ihrem Abschied aus dem Bundestag auf sich zieht. Den Feinden des
organisierten Liberalismus reicht es nicht, dass die von ihnen ins Grab
gewünschte Partei endlich dort gelandet ist, wo sie nach Meinung ihrer
Verächter schon immer hingehörte. Sie müssen ihr noch im Untergang ihre Wut und
Verachtung hinterher schreien.
Es gibt nicht nur rechten Pöbel, es gibt
auch einen Mob links der Mitte. Dieser Pöbel beschmiert keine Wände oder brüllt
dumpfe Parolen, er hinterlässt seinen Unflat auf den Facebook-Seiten von Rainer
Brüderle und Philipp Rösler, bis diese geschlossen werden müssen. […] Was hat die
FDP verbrochen?
Die FDP hat in den vier Jahren an der
Regierung nicht den deutschen Sozialstaat geschleift. Sie hat weder den
Hartz-IV-Empfängern die Butterbemme aus der Hand genommen, noch der
Alleinerziehenden die Mutter-Kind-Kuren gekürzt oder dem 76-Jährigen die
Beihilfe für das dritte künstliche Hüftgelenk. […] Tatsächlich ist die einzige
Sünde, die sich die FDP in ihren vier Jahren an der Seite von Angela Merkel zu
Schulden kommen ließ, die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe.
[…] "Das Wir entscheidet", hat
die SPD im Wahlkampf plakatiert. Dass eine nach der Regierungsmacht greifende
Partei ganz naiv als Verheißung versteht, was jeder historisch denkende Kopf
auch als Drohung empfinden muss, zeigt wie verludert der Freiheitsbegriff in Deutschland
ist. […] Es gibt auch in der Politik
so etwas wie eine Beileidskultur. Jürgen Trittin hat am Wahlabend nach einem
Blick auf die ersten Umfragen seinen Wagen anhalten lassen, um den Verlierern
am Telefon ein paar freundliche Worte zu sagen. Hermann Gröhe und Volker Kauder
standen auf der Bühne des Konrad-Adenauer-Hauses und grölten einen
Tote-Hosen-Song, als nebenan bei der FDP die Lichter ausgingen. Dass ein
Bürgerschreck der Grünen mehr Anstand im Leib hat als der Fraktionschef und der
Generalsekretär einer Partei, die das C im Namen führt, sagt viel über die
Verfassung des parlamentarischen Konservatismus in Deutschland.
Jetzt kommen mir auch die
Tränen…
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