Montag, 7. Oktober 2013

Wie sich die Zeiten ändern - Teil III


Die Erregungspotentiale sind generell sehr unterschiedlich.
Sigmar Gabriels allgemeine Aussage, Steuererhöhungen wären kein Selbstzweck, sondern dienten bestimmten Zwecken regte die notorisch aufgeregten Linken auf.
War das nicht ein Umfaller? Darauf warten die Anti-Agenda-Adepten sehnsüchtig und stimmen schon mal ihre lautstarkes „I told you so!“ an.
Daß es der Wahlgewinner Schäuble, von der Steuererhöhungen-nie-und-nimmer-CDU war, der 36 Stunden nach der Wahl  in den Raum warf man könne ruhig mal die Steuern erhöhen, führte hingegen zu keinerlei Aufruhr in der CDU. Einige der Unions-freundlichen  Journalisten beschrieben sogar Schäubles taktisches Geschick. Elegant versuche er die ohnehin notwendigen Einnahmeverbesserungen dem künftigen K.O.alitionspartner in die Schuhe zu schieben.
Parteien stehen ohnehin nicht mehr für feste Grundüberzeugungen. Merkel hatte ohnehin schon so gut wie alle CDU-Überzeugungen auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Würde Merkel morgen das Ende der Heteroehe verkünden, wären Kauder und Pofalla binnen einer Woche mit Männern verheiratet.
Parteien eben.

Im Unterschied dazu wird in jeder Sonntagsrede die Unverzichtbarkeit der kirchlichen Moral damit begründet, daß sie eben nicht Zeitgeist-abhängig  sei, sondern seit 2000 Jahren unverändert gemäß der Worte des Gottes und Gottessohnes gelte.

Dafür hat sich extra die Wissenschaft der „Dogmatik“ entwickelt. In der Kirche herrschen nämlich unveränderliche Dogmen.

Unter einem Dogma (altgr. δόγμα, dógma, „Meinung, Lehrsatz; Beschluss, Verordnung“) versteht man eine feststehende Definition oder eine grundlegende, normative (Lehr-) Meinung, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird.
Insbesondere in der christlichen Theologie wird der Begriff Dogma wertneutral für einen Lehrsatz gebraucht, der, unter Berufung auf göttliche Offenbarung, die Autorität der kirchlichen Gemeinschaft bzw. des kirchlichen Lehramts oder auf besondere Erkenntnisse als wahr und relevant gilt. Die systematische Entfaltung und Interpretation der Dogmen wird Dogmatik genannt.


Zu den Glaubensinhalten der RKK gehören viele "unfehlbare" und damit "irrtumslose" Lehrsätze, die laut katholischem Glauben für alle Zeit gelten und nicht geändert werden dürfen.

"Maßgebend für die bindende Kraft einer Lehrentscheidung ist immer der Wille der Kirche, soweit er in der Urkunde ausgedrückt ist. Nicht immer lässt sich daher die Frage nach dem dogmatischen Wert ganz eindeutig beantworten. Es gilt hier der Grundsatz des kirchlichen Rechtsbuches: Wo die Absicht der Kirche, endgültig zu binden, nicht klar ausgesprochen ist, da hat man auch kein Recht, von einer unfehlbaren Entscheidung zu sprechen.“ - zitiert nach Neuner Josef, Heinrich Roos, Karl Rahner, Karl-Heinz Weger.

Unabänderliche, für alle Zeiten feststehende Lehrsätze, nennt man „Dogma“.
Insbesondere die drei jüngsten Dogmen sind weltbekannt:

1854 - die Lehre von der angeblich "unbefleckten" "Empfängnis" Marias im Leib ihrer Mutter Anna [also zum Zeitpunkt, als Anna beim Sex mit ihrem Mann mit Maria schwanger wurde]. Dies bedeutet, dass Maria bei ihrem Gezeugt-Werden nicht mit der "Erbsünde" behaftet worden sein soll - im Gegensatz zu allen anderen Menschen.
1870 - die angebliche Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes, wenn eine Entscheidung als "ex cathedra" (= "vom Lehrstuhl aus" = unfehlbar) definiert wird
1950 - die angebliche leibliche Himmelfahrt Marias.

Die Sinnhaftigkeit dessen, einen Mann wie Ratzinger, der erklärt, Kondome VERSCHLIMMERTEN das AIDS-Problem mit Unfehlbarkeitsgarantie auszustatten, erschließt sich Konfessionslosen nicht.
Aber Nahles, Thierse, Matussek, Andrea Fischer und Co finden das vermutlich einleuchtend.
Auch Franziskus repräsentiert weitere gültige Glaubenswahrheiten der Kirche zur ewigen Verdammnis (nummeriert nach dem römisch-katholischen Standardwerk Der Glaube der Kirche):

56 Wer sagt, die menschlichen Wissenschaften müssten mit solcher Freiheit behandelt werden, dass ihre Behauptungen als wahr festgehalten und von der Kirche nicht verworfen werden könnten, auch wenn sie der geoffenbarten Lehre widersprächen, der sei ausgeschlossen.

195 - Wer nicht mit den heiligen Vätern im eigentlichen und wahren Sinne die heilige und immer jungfräuliche und unbefleckte Maria als Gottesgebärerin bekennt, da sie eigentlich und wahrhaft das göttliche Wort selbst, das vom Vater vor aller Zeit gezeugte, in den letzten Zeiten, ohne Samen, vom Heiligen Geiste empfangen und unversehrt geboren hat, indem unverletzt blieb ihrer Jungfrauschaft auch nach der Geburt: der sei verworfen.

Mit dem Hinweis auf die Dogmatik können Kirchisten erklären, weswegen Frauen niemals Priester werden dürfen, weswegen praktizierende Schwule in die Hölle kommen und warum Geschiedene Todsünder sind, die keine Kommunion mehr erhalten dürfen.
Wegen der unabänderlichen Werte Jesu verdammt die Kirche auch Zinsen und Banken, die sie erheben.

Die Apotheose der Dogmen sind gewissermaßen die sieben Sakramente (Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte, Krankensalbung, Priesterweihe, Ehe), also katholische Riten, bei denen Jesus direkt anwesend ist.
Wenn Gott einen Vertrag besiegelt, darf man logischerweise nicht irgendwann sagen „ist mir doch egal. Scheiß drauf“. Sakramente sind heilig und unauflösbar. Enttaufungen, Plaudereien aus dem Beichtstuhl oder Ehescheidungen kennt die RKK nicht. Wer geschieden ist, wird als Angestellter des Diakonischen Werkes gefeuert, weil man eine derartige Sittenlosigkeit als kirchlicher Arbeitgeber nicht dulden kann.

In den Sakramenten wirkt Jesus Christus selbst und handelt durch seine Kirche, so dass das Zweite Vatikanische Konzil auch die Kirche als Ganzes in analoger Weise als „das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ bezeichnet hat. Das Verständnis der Sakramente setzt den Glauben voraus, die Sakramente fördern und stärken aber zugleich auch den Glauben.

Die Kirche kann als Mord und Kinderficken ohne Probleme verzeihen, aber Ehebruch eben nicht. Die Ehe ist nämlich ein heiliges Sakrament. Sie zu brechen ist eine Sünde, von der man sich nicht reinwaschen kann.

Nur wer sich vorher von der Sünde gereinigt hat, darf die hohe Päpstliche Ehre der Kommunion empfangen.
Dabei wird nicht etwa nur eine Oblate in den Mund gestopft, sondern es handelt sich um einen extrem wichtigen Ritus, bei dem gemäß der Vatikanischen Transsubstantationslehre eine zuvor geweihte Hostie mit den Worten „HOC EST CORPUS MEUM“ (dt: das ist mein Leib, vulgo: Hokuspokus) das Fleisch von Jesus in eine Oblate umgewandelt wird, die man dann verspeisen soll.
Da man buchstäblich Jesus isst, kann natürlich nicht irgendein Sünder an einer Päpstlichen Kommunion teilnehmen.
Daher wurde am 22.September 2011 der deutsche Bundespräsident Christian Wulff, der so böse war sein Ehegelübde zu brechen vom Papst ausgeschlossen.
Er erhielt in der Hauptstadt Berlin keine Kommunion und Thierse fand es auch gut so.
Ratzinger muß da klar unterscheiden und gibt deswegen nur Staatschefs, die ihm nicht als so üble Sünder wie Wulff erscheinen, die Hostie.

Wulff hatte sich immerhin in eine andere Frau verliebt und das noch nicht mal heimlich, sondern er steht auch noch öffentlich zu der Kebse.

Moralisch nicht zu beanstanden ist für den Papst hingegen ein anderer Staatschef, nämlich der Präsident Simbabwes, Robert Mugabe, dem er am 01. Mai 2011 in Rom die Kommunion gewährte.
Mugabe, 87, Ministerpräsident 1980-1987 und seit 1987 Präsident des Landes ist natürlich nicht so sündig wie Christian Wulff.
Nun mögen die nörgelnden Gutmenschen darauf hinweisen, daß Mugabe ein grausamer Diktator ist, der so abartige Menschenrechtsverbrechen beging, daß sein Land aus dem Commonwealth ausgeschlossen wurde und ihm die Einreise in die EU verboten wurde.
Naja, er frönt einer gewissen Mordlust und hat Zehntausende Regierungsgegner umbringen lassen.
OK, er hat das Land völlig verelenden lassen, während er selbst in unfassbaren Luxus schwelgt.

Aber das ist doch Pipifax, denn für den Papst zählen die echten moralischen Werte und die sprechen eindeutig FÜR Mugabe und GEGEN Wulff.

Mugabe ist strenger Katholik, Jesuitenzögling und steht treu zu seiner Frau Grace, die schon mal an einem Tag 500.000 Dollar für Kaviar und Champagner ausgibt.

Nicht zu vergessen Mugabes Vatikan-gemäßer Umgang mit den Schwulen.
Würde Wulff je so klar handeln?

1991 eröffnete er eine Kampagne gegen Homosexualität, die „unnatürlich“ und „unafrikanisch“ sei. Homosexuelle – für Mugabe „minderwertiger als Schweine“ – können seitdem mit 10 Jahren Gefängnis bestraft werden. Mugabe begründete sein Vorgehen u. a. mit der Absicht, gegen Aids vorzugehen. Mugabes Vorgänger im Amt des Präsidenten Canaan Banana wurde wegen Homosexualität verurteilt und floh nach Südafrika, weil er um sein Leben fürchtete.
(Wikipedia)

Daher also ganz klar Kommunion für Mugabe JA, für Wulff NEIN.

Nun ist es aber so, daß wir einen neuen Papst haben, dem die gesamte Weltpresse jubilierend zu Füßen liegt. Man hält ihn hartnäckig für aufgeschlossen und liberal.
Begeistert applaudiert man seinen bahnbrechenden Personalentscheidungen, die man nur dann als progressiv ansehen kann, wenn man vorher sein Gehirn in eine Moulinette gesteckt hat.
Zur vielbeachteten achtköpfigen „Kardinalskommission“, die Franzi einsetzte, um die Kurie zu reformieren, gehören der prunkvolle und im Luxus schwelgende Kardinal Marx aus München und der intensive Vertuscher von Kinderfickereien australischer Priester Kardinal Pell.
Zu seinen beiden persönlichen Stellvertretern in bestimmten Angelegenheiten ernannte der aktuelle Papst die beiden erzkonservativsten Kardinäle Meisner und Brandmüller.

Papst Franziskus hat zwei deutsche Kardinäle zu Sondergesandten für bevorstehende große Kirchenereignisse ernannt.
Den Kölner Kardinal Joachim Meisner (79) beauftragte er, ihn am 13. Oktober bei den 750-Jahrfeiern der Grundsteinlegung des Doms in Xanten zu vertreten.
Den in Rom lebenden Kurienkardinal Walter Brandmüller (84) ernannte Franziskus zum Päpstlichen Sondergesandten für die 450-Jahrfeiern des Abschlusses des Konzils von Trient.

Aber auch ganz ohne Belege für einen neuen Kurs reicht für die RKK schon ein bißchen „Stimmung“, um von den unverrückbarsten 2000 Jahre alten Sakramenten abzurücken.

[…] Auch als Papst blieb sich Ratzinger bekanntlich treu: Die Kommunion für Menschen, die in schwerer Sünde leben, lehnte er ab. Da änderte es auch nichts daran, dass er bei seinem Deutschland-Besuch vom damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff willkommen geheißen wurde, Katholik, geschieden, in zweiter Ehe lebend.
[…] Nun wagt man in Freiburg den nächsten Vorstoß, dieses Mal allerdings unter anderen Vorzeichen. Ein Papst hat das sagen, der seine Kirche davor warnt, seinen Gläubigen "ohne Unterscheidung eine Menge von Lehren aufzudrängen". Unter Franziskus schöpfen in Deutschland jene, die sich von alten Hemmnissen befreien wollen, neues Selbstbewusstsein.
Der Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hatte sich mehrmals offen für einen neuen Weg gezeigt, zuletzt Ende September. […]  "In der Folge einer verantwortlich getroffenen Gewissensentscheidung kann in der konkreten Situation aber auch die Möglichkeit gegeben sein, die Sakramente der Taufe, der Heiligen Kommunion, der Firmung, der Versöhnung und der Krankensalbung zu empfangen, insofern die erforderliche konkrete Glaubensdisposition vorhanden ist."
"Im Kontakt mit Geschiedenen und zivilrechtlich Wiederverheirateten geht es darum, dass die menschenfreundliche und respektvolle Grundhaltung Jesu erfahrbar wird", sagt der Leiter des Seelsorgeamtes in Freiburg, Domdekan Andreas Möhrle. "Die Treue und Barmherzigkeit Gottes gilt auch für diejenigen, deren Lebensentwurf gescheitert ist."


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