Dienstag, 10. Dezember 2013

Innerhalb des Tellerrandes


Zwei wirklich große Politiker würdigt man diese Woche weltweit.

Da ist einmal Willy Brandt (1913-1992), der am 18.Dezember 100 Jahre alt geworden wäre. Und da ist NelsonMandela (1918-2013), der vor fünf Tagen starb.

Beide Männer wurden von einem rassistischen Terrorregime gequält und in den Untergrund gezwungen. Beide bekämpften die jeweiligen Machthaber und wurden dafür Jahrzehntelang geächtet und von den Konservativen beschimpft.
Beide brachten es dann doch noch zum Regierungschef ihres Landes. Brand wurde 56-Jährig Bundeskanzler Deutschlands; Mandela 75-Jährig Präsident Südafrikas.
Beide lernten aus den langen Zeiten ihrer Unterdrückung. Sie erweiterten ihren Horizont enorm und gerieten nie in Gefahr sich auch nur ansatzweise so klein zu machen wie ihre Gegner. Sie schufen Frieden, indem sie Verantwortung für die Täter übernahmen und Versöhnung herbeiführten, indem sie neu dachten und auf die alten Feinde zugingen.
Brandt und Mandela erhielten beide höchstverdient den Friedensnobelpreis und wurden zu international hochgeschätzten und im eigenen Land verehrten Staatsmännern, die zudem die Größe hatten sich aus ihren jeweiligen Regierungschefämtern zurück zu ziehen, als ökonomische Schwierigkeiten nach einem Boss mit anderen Fähigkeiten verlangten.

Ähnlich wie der Friedensnobelpreisträger ebenfalls hochverdiente Gorbatschow, der freilich unter ganz anderen Umständen in sein Staatsamt gelangte, hatten Brand und Mandela die Fähigkeit aus festgefügten Denkschablonen auszubrechen und etwas zu beginnen, das vorher noch nicht getan wurde. Sie mußten diesen schwierigen Weg zwar unter enormen Schwierigkeiten beschreiten, benötigten aber keine Gewalt, weil sie überzeugen konnten.

Alle drei sind wirklich große Staatsmänner, weil sie offen für neues Denken waren und an ihren Aufgaben wuchsen.
Es war eine der wenigen epochalen politischen Taten des 20. Jahrhunderts, als der Widerstandskämpfer Brandt, der persönlich keinerlei Schuld für die Naziverbrechen trug, als deutscher Bundeskanzler am 7. Dezember 1970 in Warschau am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1943 auf die Knie fiel, um Demut und Schande auszudrücken.
Mandela reichte den weißen ehemaligen Unterdrückern symbolisch die Hand, als er bei der Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1995 in Südafrika die Springboks in deren grünem Trikot zum Finale auf das Spielfeld führte. Kaum ein anderer Sport galt so sehr als „weißer Sport“ und so zeigte der erste schwarze Präsident, daß auch sie zu seinem Südafrika gehören sollten.
Gorbatschow zeigte diesen gewaltigen Schritt, indem er plötzlich dem seit Jahrzehnten Systemgegner USA die Hand reichte und mit der atomaren Abrüstung begann.
Verzeihen und versöhnen sind so viel schwerer als Rache und ewige Gegnerschaft.
Vermutlich ist es kein Zufall, daß diese drei Männer alle als nicht besonders religiös gelten. Ihre jeweiligen Hass-fanatischen Gegner hingegen waren stramme Christen.

Weltenveränderer wie Gorbatschow, Brandt und Mandela sind selten.
Wenige haben dieses Format. Um nicht nur von diesen großen „Männern“ zu sprechen, sei an dieser Stelle auf Marion Dönhoff verwiesen, die geistig und menschlich in einer mindestens so hohen Liga wie die drei Genannten spielt. Als Widerstandkämpferin, die ihren gesamten Freundeskreis beim gescheiterten Hitler-Attentat verlor, übernahm sie später doch Verantwortung für Deutschland, indem sie den Verlust aller ihrer Güter als Kriegslast akzeptierte und vehement für die Ostverträge kämpfte.

Die meisten Staats- und Regierungschefs sind aus sehr viel billigerem Holz geschnitzt und denkerisch vergleichsweise unterbelichtet.

Den Gegensatz von Größe und Gaga kann man gut an Joachim Gauck erkennen.
Der aktuelle deutsche Präsident ist ein Kleingeist, ein Denkfauler und ein Vorurteilsbehafteter.
Ihn interessiert etwas anderes. Gauck interessiert sich für sich selbst uns seinen Ruhm.
Er hat ein festes Koordinatensystem, dem sich alles unterordnen muß.

Natürlich, der frömmelnde, konservative, manchmal sogar reaktionäre Gauck passt ganz gut ins FDP-Weltbild, aber das war nur ein angenehmer Nebeneffekt. 
Viel wichtiger war dem Vizekanzler, daß Merkel sich gegen Gauck festgelegt hatte und er ihren Willen brechen konnte. Dafür hätte er auch Lothar Matthäus als Bundespräsidenten durchgedrückt.
Ein zweiter für die FDP positiver Nebeneffekt ist Gaucks enorme Beliebtheit im gemeinen Volk. Endlich konnte die gelbe Geldelitenpartei einmal mit der Mehrheit schwimmen.

Gegen Gauck gackern nur ganz wenige.

Denn Gauck ist nicht der Kandidat aller Herzen, wie von Bild bis Grünen-Spitze jetzt viele suggerieren. Im Gegenteil: Dieser Präsident wird das Land stärker spalten, als es die meisten seiner Vorgänger vermocht hätten.  Gauck polarisiert - und das schon lange.
 […] Ob in Sachen Hartz IV, Afghanistankrieg oder Finanzkrise, ob im Streit über Atomkraft oder Stuttgart 21 - Gauck stand stets eher auf der Seite jener Politiker, die ihre "Wahrheiten" gegen andersdenkende Mehrheiten durchzusetzen suchten. Mit ihm zieht ein Mann ins Schloss Bellevue, dessen oberflächlicher Freiheitsbegriff dem der FDP weit nähersteht als dem Denken der beiden Parteien, die ihn schon 2010 auf den Schild gehoben haben. 

Und in der taz-Kolumne geht es richtig hoch her.

 Als Pfarrer mit Reiseprivilegien begann Gauck ziemlich genau zu dem Moment lautstark gegen die DDR zu protestieren, als dies nichts mehr kostete, um sich hernach mit umso größerem denunziatorischen Eifer an die Aufarbeitung der DDR-Geschichte zu machen. Dabei trieb ihn keineswegs ein sympathisches grundlegendes Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen im Allgemeinen und Geheimdiensten im Besonderen, das zuweilen unter amerikanischen Konservativen zu finden ist.
Nein, Gauck ging es bloß um schnöden, gutdeutschen Antikommunismus. So meinte er im Sommer vorigen Jahres zur Beobachtung von Politikern der Linkspartei: "Wenn der Verfassungsschutz bestimmte Personen oder Gruppen innerhalb dieser Partei observiert, wird es dafür Gründe geben. Er ist nicht eine Vereinigung von Leuten, die neben unserem Rechtsstaat existiert und Linke verfolgt." Alles, was Joachim "Behörde" Gauck an Intellektualität, Freiheitsliebe und kritischem Geist zu bieten hat, steckt bereits in diesen zwei Sätzen.
 Freilich hat sich Gauck nicht erst nach seiner gescheiterten ersten Kandidatur ideologisch zwischen Martin Walser, Erika Steinbach und Stefan Effenberg verortet. Ein reaktionärer Stinkstiefel war er schon vorher.
So mag der künftige Bundespräsident keine Stadtviertel mit "allzu vielen Zugewanderten und allzu wenigen Altdeutschen", will das "normale Gefühl" des Stolzes aufs deutsche Vaterland "nicht den Bekloppten" überlassen, missbilligt es, "wenn das Geschehen des deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird", besteht darauf, dass der Kommunismus "mit ausdrücklichem Bezug auf die DDR als ebenso totalitär eingestuft werden muss wie der Nationalsozialismus", trägt es den SED-Kommunisten nach, das "Unrecht" der Vertreibung "zementiert" zu haben, indem "sie die Oder-Neiße-Grenze als neue deutsch-polnische Staatsgrenze anerkannten", und fragt – nicht ohne die Antwort zu kennen –, "ob Solidarität und Fürsorglichkeit nicht auch dazu beitragen, uns erschlaffen zu lassen".

Nun ist Gauck ein Jahr im Amt.
Gesagt hat er eigentlich noch nichts.
 Zum Rechtsradikalismus, zur Finanzkrise, zu den Missbrauchsskandalen, zum kirchlichen Auspresserarbeitsrecht, zu der immer noch nicht erfolgten Entschädigungszahlungen für gequälte Heimkinder, zu Kriegen in Syrien und Libyen, zur Aufrüstung mit Drohnen, zu deutschen Waffenexporten in alle Welt, zur Ablehnung von Mindestlöhnen, zur Altersarmut, zur Weigerung katholischer Krankenhäuser Vergewaltigungsopfern zu helfen, zur Homo-Adoption, zur skandalösen NPD-Verstrickung der Geheimdienste, zur Aktenvernichtung in den Verfassungsschutzämtern, zum Steuersplitting gleichgeschlechtlicher Paare, zu den  katastrophalen Zuständen in Pflegeheimen, zum Export von Dementen nach Osteuropa, zur sozialen Schieflage, zu Lebensmittelskandalen, zur Kultur, zur mutwilligen Verelendung und Asylbewerbern – diese Liste ließe sich fortsetzen – zu alledem hat Gauck nichts gesagt. Der, der sich so gerne reden hört, redet nicht.

In Erinnerung geblieben ist mir lediglich, daß Gauck die Genitalverstümmelung kleiner wehrloser Jungs unterstützt und damit Todesfälle billigend in Kauf nimmt und natürlich, daß er Ratzinger, den Hauptvertuscher von kirchlichen Missbrauchsfällen, ganz toll findet.

Etwas anderes nimmt ihn völlig in Beschlag.
Das Gauck-Sein an sich!
Gott ist ja auch Gott und niemand würde erwarten, daß ER noch nebenbei Knöpfe annäht oder Differentialgleichungen löst.  Ernüchterung ergreift die FDP, nachdem sie nun bemerkt, daß Gauck gar keine FDP-Werbung betreibt.

Der Präsident suche weder den Austausch mit der Partei, noch binde er systematisch das Parlament ein, heißt es. Gauck sehe vor allem Gauck. Ein Liberaler, der in unterschiedlicher Funktion mehrfach in Schloss Bellevue zu Gast war, berichtet, dass Gauck ihm versichert habe, wie schön es gewesen sei, sich endlich mal persönlich kennengelernt zu haben. Bei jeder der vier Begegnungen. Seitdem fragt sich der Liberale, ob Gauck so sehr mit seinem Gaucksein beschäftigt ist, dass er andere kaum wahrnimmt. Jedenfalls keine Liberalen.
Auch inhaltlich haben sich die Freidemokraten mehr von einem Präsidenten versprochen, der habituell als Konservativer daherkommt und wie ein Liberaler klingt. Eine Grundsatzrede zu Europa etwa. Die Liberalen monieren, dass Gauck seine Beliebtheit, sein Ansehen nicht dafür einsetze, für die in die Krise geratene Idee von Europa zu werben.

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Für so etwas Läppisches, wie die Angehörigen des von der NSU ermordeten Dutzend kann Gauck natürlich auch nicht mal eben so sein intensives Gaucksein unterbrechen.

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Diese NSU-Opfer sind ja ohnehin keine echten phänotypischen Deutschen und dieses Multikulti ist bei Konservativen von Flensburg bis Garmisch nicht sehr beliebt.

Jakob Augstein hat dazu anlässlich des Grünen Durchmarsches in Stuttgart (und BW) ein paar treffende Sätze formuliert.

Die Grünen sind für die Moderne zuständig, die CDU für das Ressentiment. Darum siegt die Öko-Partei in Stuttgart. Und die Union führt Wahlkampf auf dem Rücken von Asylbewerbern.
Die Nächte sind jetzt kalt. Aber die Berliner Polizei ist noch kälter: Sie hat den Asylbewerbern, die seit Tagen vor dem Brandenburger Tor ausharren, die Decken weggenommen. Nach Polizeiangaben verstoße der "Einsatz von Übernachtungs-Utensilien" gegen geltendes Recht. So geht eine CDU-geführte Behörde gegen die Ärmsten der Armen vor. Das passt. Gleichzeitig hat Merkels Innenminister Friedrich den Kampf gegen angeblichen Asylmissbrauch entdeckt. Er will Sinti und Roma daran hindern, nach Deutschland zu flüchten. Trotz allen Geredes von der modernisierten Union: CDU und CSU sind immer noch die Parteien des Ressentiments.
[…] Die Grüne Claudia Roth musste nicht übertreiben, als sie am Wochenende sagte: "Zur Union fällt mir Mappus ein, fallen mir Plagiate ein, fällt mir die Art und Weise ein, wie sie mit Griechenland in der Euro-Krise umgehen. Das ist alles andere als bürgerlich und anständig." Das ist das Problem der Union: Vom Plagiator Guttenberg über den Schnäppchenjäger Wulff bis zum Innenminister Friedrich, der seinen Wahlkampf auf dem Rücken von Sinti und Roma führen will, hat die Union vergessen, was sich gehört.


Seine Eitelkeit, Bundespräsident Gauck geht mit ganz schlechtem Beispiel voran.

Die Hinterbliebenen des NSU-Terrors will Merkels Mann in Schloß Bellevue nicht sehen.

Gaucks Kleingeistigkeit wird insbesondere in seiner unterschiedlichen Sicht auf Russland und Amerika deutlich. Der deutsche Bundespräsident ist völlig in seinen eigenen Vorurteilen gefangen und nicht in der Lage über seine kleinen Tellerrand hinaus zu sehen. Russland ist doof und Amerika das Freiheitsparadies. So glaubt Gauck und daran hält er ungeachtet der massiven und extremen amerikanischen Menschenrechtsverletzungen fest.
Zu Snowden, der NSA-Abhörerei, der massenhaft ausgeführten Todesstrafe, Guantanamo, Monsanto-Dominanz, Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten und illegalen  Drohnenangriffen fällt Gauck rein gar nichts ein. Al ldas nimmt er achselzuckend hin.
Die Amis sind in Gaucks Cortex als „gut“ abgespeichert und haben daher generellen Persilschein.
Überhaupt sind Nächstenliebe und Menschenrechte nicht die Sache des Pfaffen Gaucks.
Daß sein Deutschland die Welt mit Waffenexporten überzieht, sich vor Hilfesuchenden abschottet, Flüchtlinge vor Lampedusa krepieren läßt, massenhaft abschiebt, Familien auseinander reißt und Asylanten wie Vieh behandelt stört ihn nicht. Gauck fällt auch nicht einem xenophob pöbelnden Innenminister Friedrich in den Arm, wenn dieser mal wieder gegen Rumänen oder Bulgaren hetzt.
Er setzt sich nicht für die Rechte von Schwulen in Deutschland ein, kämpft nicht für eine doppelte Staatsbürgerschaft.
Mit den Schwachen und Entrechteten will Pfarrer Gauck lieber nichts zu tun haben.
„Mut“ zeigt er nur auf ausgetretenen Pfaden, indem er beispielsweise gegen Russland agitiert. Denn Russland mochte er noch nie. Aus persönlichen Gründen. Und aus seiner Haut kann der geistige Zwerg eben nicht heraus.

Das ist das Schlimme an „Giganten“ (Obama über Mandela) – sie zeigen uns nur allzu deutlich was für erbärmliche Zwerge Merkel und Gauck sind.

Die Hürde ist hoch zwischen den beiden Männern, über Jahrzehnte hat sie sich aufgebaut und wuchs sogar noch weiter, nachdem die tatsächliche Mauer aus Stein und Stacheldraht schon längst gefallen war. Auf der einen Seite der DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, der die Freiheit mit Leidenschaft zu seinem Lebensthema gemacht hat. Auf der anderen Seite der frühere Top-Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB, Wladimir Putin, der kühle Machtmensch. […] Gauck hat sich entschieden, Anfang nächsten Jahres nicht zu den Olympischen Winterspielen in die russische Schwarzmeerstadt Sotschi zu reisen. […] Gaucks Botschaft ist auch deshalb so unmissverständlich, weil sie sich aus seiner Lebensgeschichte erklärt. Denn spätestens seit seinem 13. Lebensjahr ist Russland, damals noch die Sowjetunion, für Gauck eine Schicksalsmacht.
In seiner Autobiografie beschreibt Gauck die dramatischen Umstände, unter denen sein Vater Wilhelm im Sommer 1951 im mecklenburgischen Wustrow beim Verwandtenbesuch spurlos verschwand. Gauck war da elf Jahre alt. Dass sein Vater vor einem sowjetischen Militärtribunal in Schwerin unter anderem wegen "antisowjetischer Hetze" zu einer jahrzehntelangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, erfuhr der Sohn erst viel später. […] Das Verschwinden des Vaters, so erzählt es Gauck in seinem Buch, prägte nicht nur das Familienleben, sondern vor allem auch seine persönliche Haltung zum DDR-Regime und zur damaligen Sowjetunion. "Das Schicksal unseres Vaters wurde zur Erziehungskeule. Die Pflicht zur unbedingten Loyalität gegenüber der Familie schloss auch die kleinste Form der Fraternisierung mit dem System aus", schreibt Gauck. […] 1955 kam der Vater vorzeitig frei, abgemagert und äußerst geschwächt. Als Teenager erlebte Joachim, wie sein Vater erst langsam wieder zu Kräften kam und nach einem Jahr schließlich wieder als Schiffslotse seine Arbeit aufnehmen konnte. Wie sehr ihn diese Zeit bis heute noch beschäftigt, zeigte sich wieder vor einigen Wochen. Anfang Oktober besuchte Gauck in Berlin eine Ausstellung über russische Straflager wie das, in dem sein Vater vier Jahre zubringen musste. Als der Bundespräsident nach seinen Empfindungen beim Gang durch die Museumssäle gefragt wurde, musste der 73-Jährige merklich schlucken. "Sie werden verstehen, dass ich diese Ausstellung nicht wie andere erlebe", antwortete er. […]  Gauck ist nach 20 Monaten als Präsident noch nicht in Russland gewesen. […] Im Juli, auf einer Reise durch die baltischen Staaten, gab es wieder solche Momente: In Russland sei es noch "ein weiter Weg bis hin zur Rechtsstaatlichkeit, die wir in Europa wollen", sagte Gauck in Litauen. Und in Estland kam wieder die Geschichte seines Vaters zur Sprache: Ob er denjenigen Russen verzeihen könne, die den Vater jahrelang im Straflager interniert hätten, wurde Gauck dort gefragt. Er antwortete, dass Hass und Buße ihm fremd seien. Verzeihen könne er aber nur denjenigen, die sich zu ihren Taten bekannt hätten.

Was für ein Wicht! 68 Jahre nach Kriegsende nimmt Gauck Putin immer noch persönlich über, daß sein Vater in Gefangenschaft geriet.
Dabei teilten das Schicksal Millionen andere auch. Und Russland ging mit den Gefangen noch wesentlich netter um, als die Deutschen mit russischen Gefangenen. Und das sage ich als jemand, der ein Familienmitglied hat, das zwar nachweislich noch 1955 in russischer Gefangenschaft lebte, aber nie zurückkehrte.
20 Millionen Russen wurden im zweiten Weltkrieg durch Deutsche gekillt, allein drei Millionen sowjetische Gefangene ließ Deutschland elendig verhungern.
Und Gauck, dessen persönliche Animositäten für sein Amt ohnehin irrelevant sein sollten, ist sieben Dekaden später immer noch pissed.
Was für ein unfassbar egomaischer und ungeeigneter Bundespräsident!

[…] Hinter der Nicht-Reise-Ankündigung verbirgt sich ein gewaltiges Politikum, das Deutschlands Verbündete irritiert und wieder einmal bohrende Fragen am Berliner Kurs gegenüber Russland aufkommen lässt. Schon vor dem Assoziierungs-Debakel mit der Ukraine muss auch Gauck klar gewesen sein, dass Deutschland den Schlüssel zum Umgang der EU, ja des gesamten Westens mit Russland in Händen hält. Selbst die USA überlassen Berlin da die Führung. Ganz Europa schaut auf die Bundesregierung und wartet auf ein Signal, wie es weitergehen soll mit dem schwierigen Herrscher im Kreml.
[…] Welche Botschaft aber will Gauck loswerden? Schlägt Deutschland nun einen konfrontativen Ton gegenüber Russland an? […] Oder haben Merkel und Gauck lediglich eine Rollenteilung verabredet - sie reist und redet, er drückt aus, was die Kanzlerin in Wahrheit von Putin denkt? Niemand weiß die Antwort auf die Fragen, weil Gauck sich nicht geäußert hat und die Bundesregierung schweigt. Also bleibt nur der Schluss: Der Bundespräsident hat sich verkalkuliert, eine politische Bedeutung ist der Entscheidung nicht beizumessen.
Nach der Episode bleiben deshalb zwei Botschaften hängen. Wer die Sensibilität für die Tragweite der Entscheidung nicht aufbringt, der boxt in der Fliegengewichts-Klasse. So etwas darf einem Bundespräsidenten nicht passieren. Schlimmer aber ist Botschaft Nummer zwei: Die deutsche Russland-Politik ist in einem schlechten Zustand, wenn diese Nicht-Reise solch eine Unruhe auslösen kann. […]


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