Zwei wirklich große
Politiker würdigt man diese Woche weltweit.
Da ist einmal Willy Brandt
(1913-1992), der am 18.Dezember 100 Jahre alt geworden wäre. Und da ist NelsonMandela (1918-2013), der vor fünf Tagen starb.
Beide Männer wurden von
einem rassistischen Terrorregime gequält und in den Untergrund gezwungen. Beide
bekämpften die jeweiligen Machthaber und wurden dafür Jahrzehntelang geächtet
und von den Konservativen beschimpft.
Beide brachten es dann
doch noch zum Regierungschef ihres Landes. Brand wurde 56-Jährig Bundeskanzler
Deutschlands; Mandela 75-Jährig Präsident Südafrikas.
Beide lernten aus den
langen Zeiten ihrer Unterdrückung. Sie erweiterten ihren Horizont enorm und
gerieten nie in Gefahr sich auch nur ansatzweise so klein zu machen wie ihre
Gegner. Sie schufen Frieden, indem sie Verantwortung für die Täter übernahmen
und Versöhnung herbeiführten, indem sie neu dachten und auf die alten Feinde
zugingen.
Brandt und Mandela
erhielten beide höchstverdient den Friedensnobelpreis und wurden zu
international hochgeschätzten und im eigenen Land verehrten Staatsmännern, die
zudem die Größe hatten sich aus ihren jeweiligen Regierungschefämtern zurück zu
ziehen, als ökonomische Schwierigkeiten nach einem Boss mit anderen Fähigkeiten
verlangten.
Ähnlich wie der
Friedensnobelpreisträger ebenfalls hochverdiente Gorbatschow, der freilich
unter ganz anderen Umständen in sein Staatsamt gelangte, hatten Brand und
Mandela die Fähigkeit aus festgefügten Denkschablonen auszubrechen und etwas zu
beginnen, das vorher noch nicht getan wurde. Sie mußten diesen schwierigen Weg
zwar unter enormen Schwierigkeiten beschreiten, benötigten aber keine Gewalt,
weil sie überzeugen konnten.
Alle drei sind wirklich
große Staatsmänner, weil sie offen für neues Denken waren und an ihren Aufgaben
wuchsen.
Es war eine der wenigen epochalen
politischen Taten des 20. Jahrhunderts, als der Widerstandskämpfer Brandt, der
persönlich keinerlei Schuld für die Naziverbrechen trug, als deutscher
Bundeskanzler am 7. Dezember 1970 in Warschau am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes
von 1943 auf die Knie fiel, um Demut und Schande auszudrücken.
Mandela reichte den weißen
ehemaligen Unterdrückern symbolisch die Hand, als er bei der
Rugby-Union-Weltmeisterschaft 1995 in Südafrika die Springboks in deren grünem
Trikot zum Finale auf das Spielfeld führte. Kaum ein anderer Sport galt so sehr
als „weißer Sport“ und so zeigte der erste schwarze Präsident, daß auch sie zu
seinem Südafrika gehören sollten.
Gorbatschow zeigte diesen
gewaltigen Schritt, indem er plötzlich dem seit Jahrzehnten Systemgegner USA
die Hand reichte und mit der atomaren Abrüstung begann.
Verzeihen und versöhnen
sind so viel schwerer als Rache und ewige Gegnerschaft.
Vermutlich ist es kein
Zufall, daß diese drei Männer alle als nicht besonders religiös gelten. Ihre
jeweiligen Hass-fanatischen Gegner hingegen waren stramme Christen.
Weltenveränderer wie
Gorbatschow, Brandt und Mandela sind selten.
Wenige haben dieses Format.
Um nicht nur von diesen großen „Männern“ zu sprechen, sei an dieser Stelle auf Marion
Dönhoff verwiesen, die geistig und menschlich in einer mindestens so hohen Liga
wie die drei Genannten spielt. Als Widerstandkämpferin,
die ihren gesamten Freundeskreis beim gescheiterten Hitler-Attentat verlor,
übernahm sie später doch Verantwortung für Deutschland, indem sie den Verlust
aller ihrer Güter als Kriegslast akzeptierte und vehement für die Ostverträge
kämpfte.
Die meisten Staats- und Regierungschefs
sind aus sehr viel billigerem Holz geschnitzt und denkerisch vergleichsweise
unterbelichtet.
Den Gegensatz von Größe
und Gaga kann man gut an Joachim Gauck erkennen.
Der aktuelle deutsche
Präsident ist ein Kleingeist, ein Denkfauler und ein Vorurteilsbehafteter.
Ihn interessiert etwas
anderes. Gauck interessiert sich für sich selbst uns seinen Ruhm.
Er hat ein festes Koordinatensystem, dem sich alles unterordnen muß.
Er hat ein festes Koordinatensystem, dem sich alles unterordnen muß.
Natürlich,
der frömmelnde, konservative,
manchmal sogar reaktionäre Gauck passt ganz gut ins FDP-Weltbild, aber das war nur ein
angenehmer Nebeneffekt.
Viel
wichtiger war dem Vizekanzler, daß Merkel sich gegen Gauck festgelegt hatte und
er ihren Willen brechen konnte. Dafür hätte er auch Lothar Matthäus als
Bundespräsidenten durchgedrückt.
Ein
zweiter für die FDP positiver Nebeneffekt ist Gaucks enorme Beliebtheit im
gemeinen Volk. Endlich konnte die gelbe Geldelitenpartei einmal mit der
Mehrheit schwimmen.
Gegen
Gauck gackern nur ganz wenige.
Denn Gauck ist nicht der Kandidat aller Herzen, wie von Bild bis
Grünen-Spitze jetzt viele suggerieren. Im Gegenteil: Dieser Präsident wird das
Land stärker spalten, als es die meisten seiner Vorgänger vermocht
hätten. Gauck polarisiert - und das schon lange.
[…]
Ob in Sachen Hartz IV, Afghanistankrieg oder Finanzkrise, ob im Streit über
Atomkraft oder Stuttgart 21 - Gauck stand stets eher auf der Seite jener
Politiker, die ihre "Wahrheiten" gegen andersdenkende Mehrheiten
durchzusetzen suchten. Mit ihm zieht ein Mann ins Schloss Bellevue, dessen
oberflächlicher Freiheitsbegriff dem der FDP weit nähersteht als dem Denken der
beiden Parteien, die ihn schon 2010 auf den Schild gehoben haben.
Und
in der taz-Kolumne geht es richtig hoch her.
Als
Pfarrer mit Reiseprivilegien begann Gauck ziemlich genau zu dem Moment
lautstark gegen die DDR zu protestieren, als dies nichts mehr kostete, um sich
hernach mit umso größerem denunziatorischen Eifer an die Aufarbeitung der DDR-Geschichte
zu machen. Dabei trieb ihn keineswegs ein sympathisches grundlegendes
Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen im Allgemeinen und
Geheimdiensten im Besonderen, das zuweilen unter amerikanischen Konservativen
zu finden ist.
Nein, Gauck ging es bloß um schnöden, gutdeutschen Antikommunismus. So
meinte er im Sommer vorigen Jahres zur Beobachtung von Politikern der
Linkspartei: "Wenn der Verfassungsschutz bestimmte Personen oder Gruppen
innerhalb dieser Partei observiert, wird es dafür Gründe geben. Er ist nicht
eine Vereinigung von Leuten, die neben unserem Rechtsstaat existiert und Linke
verfolgt." Alles, was Joachim "Behörde" Gauck an
Intellektualität, Freiheitsliebe und kritischem Geist zu bieten hat, steckt bereits
in diesen zwei Sätzen.
Freilich hat sich Gauck nicht erst nach seiner gescheiterten
ersten Kandidatur ideologisch zwischen Martin Walser, Erika Steinbach und
Stefan Effenberg verortet. Ein reaktionärer Stinkstiefel war er schon vorher.
So mag der künftige Bundespräsident keine Stadtviertel mit "allzu
vielen Zugewanderten und allzu wenigen Altdeutschen", will das
"normale Gefühl" des Stolzes aufs deutsche Vaterland "nicht den
Bekloppten" überlassen, missbilligt es, "wenn das Geschehen des
deutschen Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird", besteht
darauf, dass der Kommunismus "mit ausdrücklichem Bezug auf die DDR als
ebenso totalitär eingestuft werden muss wie der Nationalsozialismus",
trägt es den SED-Kommunisten nach, das "Unrecht" der Vertreibung
"zementiert" zu haben, indem "sie die Oder-Neiße-Grenze als neue
deutsch-polnische Staatsgrenze anerkannten", und fragt – nicht ohne die
Antwort zu kennen –, "ob Solidarität und Fürsorglichkeit nicht auch dazu
beitragen, uns erschlaffen zu lassen".
Nun
ist Gauck ein Jahr im Amt.
Gesagt
hat er eigentlich noch nichts.
Zum Rechtsradikalismus, zur Finanzkrise, zu
den Missbrauchsskandalen, zum kirchlichen Auspresserarbeitsrecht, zu der immer
noch nicht erfolgten Entschädigungszahlungen für gequälte Heimkinder, zu
Kriegen in Syrien und Libyen, zur Aufrüstung mit Drohnen, zu deutschen
Waffenexporten in alle Welt, zur Ablehnung von Mindestlöhnen, zur Altersarmut,
zur Weigerung katholischer Krankenhäuser Vergewaltigungsopfern zu helfen, zur
Homo-Adoption, zur skandalösen NPD-Verstrickung der Geheimdienste, zur
Aktenvernichtung in den Verfassungsschutzämtern, zum Steuersplitting
gleichgeschlechtlicher Paare, zu den
katastrophalen Zuständen in Pflegeheimen, zum Export von Dementen nach
Osteuropa, zur sozialen Schieflage, zu Lebensmittelskandalen, zur Kultur, zur
mutwilligen Verelendung und Asylbewerbern – diese Liste ließe sich fortsetzen –
zu alledem hat Gauck nichts gesagt. Der, der sich so gerne reden hört, redet
nicht.
In
Erinnerung geblieben ist mir lediglich, daß Gauck die Genitalverstümmelung
kleiner wehrloser Jungs unterstützt und damit Todesfälle billigend in Kauf
nimmt und natürlich, daß er Ratzinger, den Hauptvertuscher von kirchlichen
Missbrauchsfällen, ganz toll findet.
Aber wie sollte Gauck auch
„Orientierung geben“?
Dazu hat er gar keine Zeit.
Dazu hat er gar keine Zeit.
Etwas
anderes nimmt ihn völlig in Beschlag.
Das Gauck-Sein an sich!
Gott
ist ja auch Gott und niemand würde erwarten, daß ER noch nebenbei Knöpfe annäht
oder Differentialgleichungen löst.
Ernüchterung ergreift die FDP, nachdem sie nun bemerkt, daß Gauck gar
keine FDP-Werbung betreibt.
Der Präsident suche weder den Austausch mit der Partei, noch binde er
systematisch das Parlament ein, heißt es. Gauck sehe vor allem Gauck. Ein
Liberaler, der in unterschiedlicher Funktion mehrfach in Schloss Bellevue zu
Gast war, berichtet, dass Gauck ihm versichert habe, wie schön es gewesen sei,
sich endlich mal persönlich kennengelernt zu haben. Bei jeder der vier
Begegnungen. Seitdem fragt sich der
Liberale, ob Gauck so sehr mit seinem Gaucksein beschäftigt ist, dass er andere
kaum wahrnimmt. Jedenfalls keine Liberalen.
Auch inhaltlich haben sich die Freidemokraten mehr von einem
Präsidenten versprochen, der habituell als Konservativer daherkommt und wie ein
Liberaler klingt. Eine Grundsatzrede zu Europa etwa. Die Liberalen monieren,
dass Gauck seine Beliebtheit, sein Ansehen nicht dafür einsetze, für die in die
Krise geratene Idee von Europa zu werben.
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Für
so etwas Läppisches, wie die Angehörigen des von der NSU ermordeten Dutzend
kann Gauck natürlich auch nicht mal eben so sein intensives Gaucksein
unterbrechen.
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Diese
NSU-Opfer sind ja ohnehin keine echten phänotypischen Deutschen und dieses Multikulti ist bei Konservativen von Flensburg bis Garmisch
nicht sehr beliebt.
Jakob
Augstein hat dazu anlässlich des Grünen Durchmarsches in Stuttgart (und BW) ein
paar treffende Sätze formuliert.
Die Grünen sind für die Moderne zuständig, die CDU für das
Ressentiment. Darum siegt die Öko-Partei in Stuttgart. Und die Union führt
Wahlkampf auf dem Rücken von Asylbewerbern.
Die Nächte sind jetzt kalt. Aber die Berliner Polizei ist noch kälter:
Sie hat den Asylbewerbern, die seit Tagen vor dem Brandenburger Tor ausharren,
die Decken weggenommen. Nach Polizeiangaben verstoße der "Einsatz von
Übernachtungs-Utensilien" gegen geltendes Recht. So geht eine CDU-geführte
Behörde gegen die Ärmsten der Armen vor. Das passt. Gleichzeitig hat Merkels
Innenminister Friedrich den Kampf gegen angeblichen Asylmissbrauch entdeckt. Er
will Sinti und Roma daran hindern, nach Deutschland zu flüchten. Trotz allen
Geredes von der modernisierten Union: CDU und CSU sind immer noch die Parteien
des Ressentiments.
[…]
Die Grüne Claudia Roth musste nicht übertreiben, als sie am Wochenende
sagte: "Zur Union fällt mir Mappus ein, fallen mir Plagiate ein, fällt mir
die Art und Weise ein, wie sie mit Griechenland in der Euro-Krise umgehen. Das
ist alles andere als bürgerlich und anständig." Das ist das Problem der
Union: Vom Plagiator Guttenberg über den Schnäppchenjäger Wulff bis zum
Innenminister Friedrich, der seinen Wahlkampf auf dem Rücken von Sinti und Roma
führen will, hat die Union vergessen, was sich gehört.
Seine
Eitelkeit, Bundespräsident Gauck geht mit ganz schlechtem Beispiel voran.
Die
Hinterbliebenen des NSU-Terrors will Merkels Mann in Schloß Bellevue nicht
sehen.
Gaucks Kleingeistigkeit
wird insbesondere in seiner unterschiedlichen Sicht auf Russland und Amerika
deutlich. Der deutsche Bundespräsident ist völlig in seinen eigenen Vorurteilen
gefangen und nicht in der Lage über seine kleinen Tellerrand hinaus zu sehen.
Russland ist doof und Amerika das Freiheitsparadies. So glaubt Gauck und daran
hält er ungeachtet der massiven und extremen amerikanischen Menschenrechtsverletzungen
fest.
Zu Snowden, der
NSA-Abhörerei, der massenhaft ausgeführten Todesstrafe, Guantanamo, Monsanto-Dominanz,
Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten und illegalen Drohnenangriffen fällt Gauck rein gar nichts
ein. Al ldas nimmt er achselzuckend hin.
Die Amis sind in Gaucks
Cortex als „gut“ abgespeichert und haben daher generellen Persilschein.
Überhaupt sind
Nächstenliebe und Menschenrechte nicht die Sache des Pfaffen Gaucks.
Daß sein Deutschland die
Welt mit Waffenexporten überzieht, sich vor Hilfesuchenden abschottet,
Flüchtlinge vor Lampedusa krepieren läßt, massenhaft abschiebt, Familien
auseinander reißt und Asylanten wie Vieh behandelt stört ihn nicht. Gauck fällt
auch nicht einem xenophob pöbelnden Innenminister Friedrich in den Arm, wenn dieser
mal wieder gegen Rumänen oder Bulgaren hetzt.
Er setzt sich nicht für die
Rechte von Schwulen in Deutschland ein, kämpft nicht für eine doppelte
Staatsbürgerschaft.
Mit den Schwachen und
Entrechteten will Pfarrer Gauck lieber nichts zu tun haben.
„Mut“ zeigt er nur auf
ausgetretenen Pfaden, indem er beispielsweise gegen Russland agitiert. Denn Russland
mochte er noch nie. Aus persönlichen Gründen. Und aus seiner Haut kann der
geistige Zwerg eben nicht heraus.
Das ist das Schlimme an „Giganten“
(Obama über Mandela) – sie zeigen uns nur allzu deutlich was für erbärmliche
Zwerge Merkel und Gauck sind.
Die Hürde ist hoch zwischen den beiden
Männern, über Jahrzehnte hat sie sich aufgebaut und wuchs sogar noch weiter,
nachdem die tatsächliche Mauer aus Stein und Stacheldraht schon längst gefallen
war. Auf der einen Seite der DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, der die Freiheit
mit Leidenschaft zu seinem Lebensthema gemacht hat. Auf der anderen Seite der
frühere Top-Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB, Wladimir Putin, der
kühle Machtmensch. […] Gauck hat sich entschieden, Anfang nächsten
Jahres nicht zu den Olympischen Winterspielen in die russische Schwarzmeerstadt
Sotschi zu reisen. […] Gaucks
Botschaft ist auch deshalb so unmissverständlich, weil sie sich aus seiner
Lebensgeschichte erklärt. Denn spätestens seit seinem 13. Lebensjahr ist
Russland, damals noch die Sowjetunion, für Gauck eine Schicksalsmacht.
In seiner Autobiografie beschreibt Gauck
die dramatischen Umstände, unter denen sein Vater Wilhelm im Sommer 1951 im
mecklenburgischen Wustrow beim Verwandtenbesuch spurlos verschwand. Gauck war
da elf Jahre alt. Dass sein Vater vor einem sowjetischen Militärtribunal in
Schwerin unter anderem wegen "antisowjetischer Hetze" zu einer
jahrzehntelangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, erfuhr der Sohn erst viel
später. […] Das Verschwinden des Vaters, so erzählt es Gauck in seinem Buch,
prägte nicht nur das Familienleben, sondern vor allem auch seine persönliche
Haltung zum DDR-Regime und zur damaligen Sowjetunion. "Das Schicksal unseres
Vaters wurde zur Erziehungskeule. Die Pflicht zur unbedingten Loyalität
gegenüber der Familie schloss auch die kleinste Form der Fraternisierung mit
dem System aus", schreibt Gauck. […] 1955 kam der Vater vorzeitig frei, abgemagert und äußerst geschwächt.
Als Teenager erlebte Joachim, wie sein Vater erst langsam wieder zu Kräften kam
und nach einem Jahr schließlich wieder als Schiffslotse seine Arbeit aufnehmen
konnte. Wie sehr ihn diese Zeit bis heute noch beschäftigt, zeigte sich wieder
vor einigen Wochen. Anfang Oktober besuchte Gauck in Berlin eine Ausstellung
über russische Straflager wie das, in dem sein Vater vier Jahre zubringen
musste. Als der Bundespräsident nach seinen Empfindungen beim Gang durch die
Museumssäle gefragt wurde, musste der 73-Jährige merklich schlucken. "Sie
werden verstehen, dass ich diese Ausstellung nicht wie andere erlebe",
antwortete er. […] Gauck ist nach 20 Monaten als Präsident noch
nicht in Russland gewesen. […] Im
Juli, auf einer Reise durch die baltischen Staaten, gab es wieder solche
Momente: In Russland sei es noch "ein weiter Weg bis hin zur
Rechtsstaatlichkeit, die wir in Europa wollen", sagte Gauck in Litauen.
Und in Estland kam wieder die Geschichte seines Vaters zur Sprache: Ob er
denjenigen Russen verzeihen könne, die den Vater jahrelang im Straflager
interniert hätten, wurde Gauck dort gefragt. Er antwortete, dass Hass und Buße
ihm fremd seien. Verzeihen könne er aber nur denjenigen, die sich zu ihren
Taten bekannt hätten.
Was für ein Wicht! 68
Jahre nach Kriegsende nimmt Gauck Putin immer noch persönlich über, daß sein
Vater in Gefangenschaft geriet.
Dabei teilten das
Schicksal Millionen andere auch. Und Russland ging mit den Gefangen noch
wesentlich netter um, als die Deutschen mit russischen Gefangenen. Und das sage
ich als jemand, der ein Familienmitglied hat, das zwar nachweislich noch 1955
in russischer Gefangenschaft lebte, aber nie zurückkehrte.
20 Millionen Russen wurden
im zweiten Weltkrieg durch Deutsche gekillt, allein drei Millionen sowjetische Gefangene
ließ Deutschland elendig verhungern.
Und Gauck, dessen
persönliche Animositäten für sein Amt ohnehin irrelevant sein sollten, ist
sieben Dekaden später immer noch pissed.
Was für ein unfassbar
egomaischer und ungeeigneter Bundespräsident!
[…]
Hinter der Nicht-Reise-Ankündigung
verbirgt sich ein gewaltiges Politikum, das Deutschlands Verbündete irritiert
und wieder einmal bohrende Fragen am Berliner Kurs gegenüber Russland aufkommen
lässt. Schon vor dem Assoziierungs-Debakel mit der Ukraine muss auch Gauck klar
gewesen sein, dass Deutschland den Schlüssel zum Umgang der EU, ja des gesamten
Westens mit Russland in Händen hält. Selbst die USA überlassen Berlin da die
Führung. Ganz Europa schaut auf die Bundesregierung und wartet auf ein Signal,
wie es weitergehen soll mit dem schwierigen Herrscher im Kreml.
[…]
Welche Botschaft aber will Gauck
loswerden? Schlägt Deutschland nun einen konfrontativen Ton gegenüber Russland
an? […] Oder haben Merkel und Gauck
lediglich eine Rollenteilung verabredet - sie reist und redet, er drückt aus,
was die Kanzlerin in Wahrheit von Putin denkt? Niemand weiß die Antwort auf die
Fragen, weil Gauck sich nicht geäußert hat und die Bundesregierung schweigt.
Also bleibt nur der Schluss: Der Bundespräsident hat sich verkalkuliert, eine
politische Bedeutung ist der Entscheidung nicht beizumessen.
Nach der Episode bleiben deshalb zwei
Botschaften hängen. Wer die Sensibilität für die Tragweite der Entscheidung
nicht aufbringt, der boxt in der Fliegengewichts-Klasse. So etwas darf einem
Bundespräsidenten nicht passieren. Schlimmer aber ist Botschaft Nummer zwei:
Die deutsche Russland-Politik ist in einem schlechten Zustand, wenn diese
Nicht-Reise solch eine Unruhe auslösen kann. […]
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