Donnerstag, 17. April 2014

Braune Schwarze


Mit großer Faszination verfolge ich die vielen Publikationen anlässlich des 100. Jahrestages des ersten Weltkriegsbeginns.
Meine Oma, die noch aus der Generation stammt, die beide Weltkriege als Erwachsene miterlebt hat, erzählte mir immer eine Menge aus der Kriegszeit, so daß ich schon als ganz kleiner Junge eine Vorstellung vom Alltag der Zivilbevölkerung hatte. Zunächst fiel es mir aber schwer WKI und WKII auseinander zu halten, weil das für mich Steppke beides furchtbar lange zurück zu liegen schien. WKII und Holocaust waren auch ein Leib- und Magenthema meiner Mutter, so daß ich auch darüber früh viel wußte. Es gab immer Diskussionen darüber, weil meine Oma und meine Tante meiner Mutter vorwarfen mich viel zu früh damit zu konfrontieren. Für so etwas sei ich noch viel zu klein. Das war aber womöglich aus ihrer Sicht kontraproduktiv, denn ich bekam natürlich mit, daß sie mich von bestimmten Themen fernhalten wollten und entwickelte ein umso stärkeres Interesse daran.
Ich erinnere mich noch, daß ich später, im Geschichtsunterricht in der Schule froh war, als „der Erste Weltkrieg an die Reihe“ kam, weil ich endlich wissen wollte, wieso der eigentlich losgegangen war und wieso sich damals schon die Nationen so antagonistisch gegenüber standen.
Daß hundert Jahre nach Ausbruch des Krieges die Alleinschuldthese Deutschlands immer noch umstritten ist, zeigt wie kompliziert die Gemengelage tatsächlich war.
Schon als Schuljunge fiel mir etwas Merkwürdiges auf: Die beteiligten Nationen hatten im Jahr 1914 gar keine systemischen Unterschiede. Es standen keine politischen Ideologien gegeneinander. Es waren alles Monarchien, deren Monarchen auch noch weitgehend verwandt waren. Allein die Hälfte der kriegsgeilen Könige waren Enkel der berühmten englischen Queen Victoria. Kaiser Wilhelm war sogar englischsprachig aufgewachsen und der erklärte Lieblingsenkel der Queen. Er war ein Cousin des Englischen Königs Georg V.
Zar Nikolaus II Ehefrau, Prinzessin von Hessen war ebenfalls eine Enkelin Queen Victorias und väterlicherseits stammte er von preußischen und hessischen Prinzessinnen ab.
Warum mußte sich denn eine Familie, deren Mitglieder grundsätzlich alle die gleiche Staatsform praktizierten dermaßen zerstreiten, daß sie Millionen ihrer Bürger dafür in grausamen Schlachten hinmetzeln ließen? Und die Bürger waren auch noch so doof, daß sie mit großer Begeisterung in den Krieg zogen, sich massenhaft freiwillig meldeten.
So grausam, daß sogar der später im Sissi-Kitsch verklärte Österreichische Kaiser Giftgas einsetzen ließ. Eine Waffe mit so entsetzlichen Folgen, daß sogar Hitler davor zurück schreckte.
Der berühmte K.u.K.-Schriftsteller Stefan Zweig, der aus einer europäisch vernetzten Intellektuellen-Familie stammte, war einer der ganz wenigen, die die Sinnlosigkeit des Krieges von Anfang an anprangerten. Er mußte dann entsetzt zusehen, wie seine Freunde in aller Welt auf einmal anfingen sich gegeneinander zu stellen, weil sie von Nationalismus und Kriegslust erfasst wurden. Zweig war aber ein sehr einsamer Rufer.

Als Kind versteht man also nicht so leicht, wieso es zu dem großen Krieg kam.

Beim Zweiten Weltkrieg ist die Gemengelage eine völlig andere.
Sicher, die Folgen des WK-I spielten eine große Rolle, aber die Schuldfrage ist völlig unstreitig. Es war ein Krieg zwischen faschistischen Größenwahnideologien, die gepaart mit Rassenhass gegen die weniger diktatorische parlamentarische Monarchien und echte Demokratien zu Felde zogen.
Es gab auch tatsächlich den einen Mann, der als Jahrtausendverbrecher der zentrale Aggressor war – nämlich Adolf Hitler. Ohne Hitler kein zweiter Weltkrieg; darauf können sich die meisten Historiker einigen.
Auch wenn sich Gauck und Merkel neuerdings wieder weigern klar auszusprechen, daß es Deutschland war, das die Welt mit Krieg und Terror überzog, ändert das nichts an den Tatsachen.
Allein in Leningrad/St.Petersburg haben die Deutschen zwei Millionen Russen ermordet.
Heute reist Merkel nach St Petersburg, spricht dieses Ereignis mit keinem Wort an, besucht kein Mahnmal, legt keinen Kranz nieder und quakt dann rum, Deutschland wolle endlich seine „Raubkunst“ zurück. Einfach nur erbärmlich.
Da können die deutschen Konservativen verdrängen und verschweigen so viel sie wollen – es bleibt eine geschichtliche Tatsache, daß es die Sowjetische Rote Armee war, die sowohl Auschwitz befreite, als auch Berlin endlich von Hitler befreite.
Der Blutzoll, um einmal dieses widerliche Bellizistenwort zu verwenden, ist vermutlich in der Geschichte der Menschheit einmalig.
Zwischen 25 und 28 Millionen Russen wurden von Deutschen im Zweiten Weltkrieg getötet.
Dabei konnten die Soldaten, die einfach erschossen wurden noch fast von Glück reden; die meisten deutschen Opfer wurden grausig gequält. Die Wehrmacht ließ allein drei Millionen russische Soldaten in Kriegsgefangenschaft verhungern.
Das große entsetzliche Sterben in St. Petersburg dauerte zwei Jahre.
Es wird immer vergessen:
In den letzten Jahrhunderten wurde Russland immer wieder aus dem Westen angegriffen und mußte Millionen Menschenleben opfern, weil sich westeuropäische Aggressoren tausende Kilometer nach Osten fraßen. Napoleon, WK-I, WK-II.
Es war niemals Russland, das Feldzüge nach Westen angezettelt hätte.
Für mich ist es da nur zu verständlich, daß Putin, dessen eigener Bruder noch während der deutschen Belagerung Leningrads verreckte, ein wenig verstimmt reagiert, wenn ihn deutsche Regierungspolitiker als Kriegstreiber beschimpfen.

Finanzminister Schäuble vergleicht Putin gar selbst mit Hitler. Schlimmer geht nimmer.

Schäuble ist aber offenbar zu blöd, um zu begreifen was er angerichtet hat.
Daher noch einmal zum Mitschreiben die Analyse eines Historikers:

(….)  Wladimir Putin stammt aus Leningrad, der Stadt, die Hitler von 1941 bis 1944 totzuhungern versuchte. Eine Million Bewohner fielen dem zum Opfer. Anlässlich des 70. Jahrestages des Endes der Blockade am 27. Januar 2014 hat der 95-jährige russische Kriegsveteran und Schriftsteller Daniil Granin im Deutschen Bundestag die Erfahrung der Blockade eindrucksvoll beschrieben. Wie Granin hat auch Putins Vater an der Leningrader Front gekämpft. Seine Mutter war eine „Blokadniza“. Sie hat in Leningrad überlebt, nicht aber ihr kleiner Sohn Viktor, Putins großer Bruder, den er nie gesehen hat. Er starb als Kleinkind 1942 an Diphtherie und ist zusammen mit einer halben Million anderer Blockade-Opfer auf dem Piskarjowskoje-Friedhof beerdigt. Auch für eingefleischte Putin-Nichtversteher sollte nachvollziehbar sein, dass der Hitler-Vergleich unter diesen Voraussetzungen besonders kränkend ist. [….]
(Prof Jürgen Zarusky via SZ vom 05.04.2014)

Das alles weiß Schäuble entweder nicht, oder hat es nicht bedacht.
Echt blöd.

Natürlich kann und soll man Russland kritisieren dürfen, aber Deutsche sollten dabei bitte auf ihre Wortwahl achten. Wenn sie zu NS- oder gar Hitler-Vergleichen greifen, muß Merkel sie feuern.
Aber Mutter Blamage ist nicht zu moralischer Anständigkeit fähig.

Mann, der Ukraine-Krise objektiv betrachtet, gleichzeitig Putin-Versteher und NATO-Kriegstreiber
Bremen (dpo) - Freunde und Bekannte wenden sich bereits von ihm ab: Denn Armin W. aus Bremen versucht ernsthaft, den derzeitigen Konflikt in der Ukraine differenziert zu betrachten und weigert sich angesichts der komplexen Lage, einen klaren Schuldigen zu benennen. Dieser offensichtlich geisteskranken Einstellung hat es der 34-Jährige zu verdanken, nun von allen Seiten gleichzeitig als Putin-Versteher und NATO-Kriegstreiber der schlimmsten Sorte beschimpft zu werden.[…]

Ekelhaft braun-revanchistisch verhält sich aber keineswegs allein Schäuble. Merkels Partei hat noch mehr von diesem post-nationalsozialistischen Tiefausläufern zu bieten.

Seit an Seit mit Springers immer wieder xenophob titelnden BLÖD-Zeitung fordert beispielsweise die Vertriebenen-Ikone, CDU-Größe, Schwulenhasserin und Geschichts-Klitterin Erika Steinbach ein Sowjetisches Ehrenmal in Berlin zu schleifen.

Unterschriften-Aktion gegen martialische Kriegssymbole
Wir wollen keine  Russen-Panzer mehr am Brandenburger Tor!
Mit der Bundestags-Petition von BILD sollen martialische Kriegs-Symbole am Ehrenmal in Berlin verschwinden
(Blöd-Online-Petition 15.04.14)

Historische Fakten will sie a posteriori ihrem braunen Weltbild anpassen.
Als ob es die Russen gewesen wären, die den Krieg angefangen hätten.
Der ganze Springer-Konzern von Kanzlerin-Intima Liz Mohn steckt dahinter – auch die B.Z. trägt diese schändliche Aktion mit.

Eine revisionistische Aktion, die gar nicht durchführbar ist.

Der Brief fordert den Bundestag nämlich zu einem Verstoß gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag auf. Im Gemeinsamen Brief des Bundesministers des Auswärtigen und des Amtierenden Außenministers der DDR, Hans-Dietrich Genscher und Lothar de Maizière vom 12. September 1990 an die vier alliierten Vertragspartner heißt es in Absatz 2:  "Die auf deutschem Boden errichteten Denkmäler, die den Opfern des Krieges und der Gewaltherrschaft gewidmet sind, werden geachtet und stehen unter dem Schutz deutscher Gesetze. Das Gleiche gilt für die Kriegsgräber, sie werden erhalten und gepflegt."
Der Brief ist im Zusammenhang mit dem Vertragstext selbst, den er begleitet, völkerrechtlich verbindlich. Die beiden Panzer sind Bestandteile des russischen Ehrenmals an der Straße des 17. Juni. 

Aber was kümmert Steinbach schon das Recht?

 „Ich habe mich immer schon sehr über die beiden Panzer in der Nähe des Brandenburger Tors geärgert. Es spricht kein Friedenswille daraus. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, diese Zeichen eines grausamen Krieges zu beseitigen.“
(Erika Steinbach, 70, CDU)

Die Regierungspartei SPD verschläft, wie immer, die rechtsextremen Ausrutscher ihrer GroKo-Partner.
Nur ganz kleine Periodika melden sich.

Noch immer jault keine Stalinorgel an der Oder, der Russe läßt auf sich warten. Nervosität macht sich breit in Springers Bonker. Wie nur den kriegsmüden Deutschen endlich Feuer unter dem Arsch machen? Die Lösung: den Feind im eigenen Land suchen und vernichten. Seit zwei Tagen läuft nun schon die von Bild und B.Z. angestoßene Bundestagspetition »Weg mit den Russen-Panzern!« gegen das sowjetische Ehrenmal am Brandenburger Tor.

Von Grünen oder SPD oder gar Piraten gibt es dazu keine Wortmeldungen.
Ich schließe mich aber Jan Korte (MdB DIE LINKE) an.

"Die von den Berliner Springermedien angeschobene geschichtsrevisionistische Kampagne ist unerträglich. Dem Raub- und Vernichtungskrieg des deutschen Faschismus fielen zwischen 1941 und 1945 alleine 27 Millionen Sowjetbürger zum Opfer. Wer die sowjetischen Ehrenmale, die ein Zeugnis der großen Opfer gerade der Roten Armee bei der Befreiung vom Faschismus sind, zu einem Zeichen militärischer Bedrohung durch Russland umdeuten will, der befindet sich gedanklich und emotional noch in den Fünfzigern, wo fast ausschließlich die Täter den Ton angaben. Die Bundeskanzlerin täte gut daran, den rechten Rand ihrer Partei in die Schranken zu weisen. Wer mit antirussischer Stimmungsmache auf Stimmenfang gehen will, der zündelt gewaltig und begibt sich in mehr als trübes Fahrwasser", erklärt Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. Er fährt fort:
"Die Bundesrepublik ist durch die 2+4-Verträge im Zuge der Wiedervereinigung zum dauerhaften Erhalt der in Berlin befindlichen sowjetischen Ehrenmale verpflichtet. Wer dafür plädiert, sich diesen Verpflichtungen gegenüber Russland zu entziehen, schürt neues Misstrauen und leugnet die Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen des 2. Weltkriegs.
Die Kampagne von wenigen Medien und Teilen der Unionsfraktion offenbart erneut, wie tief die Protagonisten noch im Kalten Krieg verhaftet sind. Offenkundig soll damit einerseits der extreme Rand der Berliner CDU im laufenden Wahlkampf mobilisiert und andererseits ein abermaliger Versuch der Geschichtsumschreibung gemacht werden. Letztere scheint den CDU-Rechtsaußen um Erika Steinbach und die West-Berliner CDU nicht auszureichen, da das Kalte-Kriegs-Säbelrasseln in der Bevölkerung auf breite Ablehnung stößt.
Es überrascht nicht, dass gerade Frau Steinbach sich an die Spitze der Kampagne gegen die Panzer der Roten Armee am sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten stellt. Seit Jahren fällt sie regelmäßig mit geschichtsrevisionistischen Thesen und Forderungen auf. Schlimm nur, dass sie damit in der Großen Koalition offensichtlich nicht mal bei der SPD auf grundlegenden Widerstand und Empörung stößt. Mit dem Gedenktag zur Erinnerung an Flucht und Vertreibung und dem parallel entstehenden Museum der Stiftung Flucht, Vertreibung, Erinnerung findet unter Schwarz-Rot genau der geschichtspolitische Paradigmenwechsel statt, vor dem viele Historiker und NS-Opferverbände warnen."

Man kann gar nicht so viel fressen…..

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