Mittwoch, 26. November 2014

Easy Pope

Gestern hat wieder ein Geront im weißen Nachthemd eine Parlamentsrede gehalten.
Im Straßburger EU-Parlament war das.
Und es passiert das was immer passiert, wenn einer dieser zölibatären, weißhaarigen Religiösen mit Kleiderfetischismus vor den versammelten Volksvertretern spricht:
Alle waren begeistert. Sie applaudierten nicht nur, sondern gaben STANDING OVATIONS.
Sogar die Bundesratsbank war voll besetzt; 15 von 16 Regierungschefs gaben sich die Ehre. (Nur Olaf Scholz hatte Wichtigeres zu tun in Hamburg).
Benedikt hielt seine bekannte „Naturrechtsrede“, mit der er die Verwerflichkeit von „nicht natürlichen“ Handlungen, wie Homoehe und Scheidung illustrierte.
Das Auditorium stellte auf Durchzug und applaudierte anschließend begeistert mit Standing Ovations.
Den angeblichen Vorkämpfer für die Homorechte, Volker Beck, riss es mit als ersten vom Sitz, um dem Homophoben stehend zu beklatschen.

Was wir auch kennen, ist das unkritische allgemeine Gejubel in der vereinigten katholisch gleichgeschalteten Journaille.
Die Papstrede kommentieren auf den Meinungsseiten der großen Periodika immer deren Kirchenredakteure.
Diese sind aber lächerlicherweise immer fromme Christen. Claudia Keller für den Tagesspiegel, Badde, Englisch und Matussek für die SPRINGER-Gruppe, Evelyn Finger für die ZEIT und Mathias Drobinski für die SZ.
Würde das Prinzip auch für Politredakteure gelten, dürften auch nur glühende CDU-Fans über CDU-Politiker berichten.
Glücklicherweise verfährt man bei anderen Themen anders, so daß es auch kritische Berichterstattung gibt. Bei Kirchenthemen aber wird a priori dafür gesorgt, daß die Berichterstattung immer positiv ist, indem man erst gar keine Atheisten oder Konfessionsfreie über Christen schreiben lässt.

In der Sache war Franziskus so überraschend wie das „Amen“ in der Kirche. Er sagte genau das was man von ihm schon singen kann.

"Ich habe den nachdrücklichen Wunsch, dass eine neue soziale und wirtschaftliche Zusammenarbeit entsteht, die frei ist von ideologischen Bedingtheiten und der globalisierten Welt zu begegnen weiß, indem sie den Sinn für Solidarität und gegenseitige Liebe lebendig erhält", ruft der Papst den Delegierten im bis auf den letzten Platz besetzten weiten Rund zu. Zu oft herrsche heute das Bild eines müden, pessimistischen Europa vor, das sich von den gegenwärtigen Krisen überfordert fühle. Aufwecken will er Europa.

Der Pontifex Maximus mahnt Solidarität mit den Armen und Flüchtenden an.
Das hören sich auch die Verantwortlichen für das Elend auf dem Mittelmeer gerne an, weil Bergoglio das wie gewöhnlich unverbindlich vorträgt. Er droht keine Konsequenzen an, benennt keine Schuldigen und initiiert auch selbst rein gar nichts.


SZ-Drobbi ist wieder einmal, wie zu erwarten, total aus dem Häuschen vor Begeisterung über seinen Papst:

Ein Papst geht aufs Ganze!
 Die europäische Politik braucht das Kratzende der Utopie
Der Papst hat Europa die Leviten gelesen. Nein, er hat mehr getan: Das Buch Levitikus in der Bibel vereint viele kleine, manchmal auch kleinliche Regeln. Franziskus ist dagegen aufs Ganze gegangen in seinen beiden Reden in Straßburg. […]  Der Papst aus Argentinien hat das freundlich vorgetragen und auch gesagt, wie viel Gutes Europa bewirkt hat, bewirken kann. Seine Botschaft aber ist voll prophetischer Kraft.
[…]  Franziskus hat als Papst in Wahrheitskategorien geredet: Da ertrinken Flüchtlinge im Meer. […] Franziskus durchbricht die politischen Kategorien Europas, ausgerechnet im Zentrum des politischen Europas. Ihm geht es um den Menschen, dessen Würde und Unantastbarkeit, um dessen Existenz als Gemeinschaftswesen. Fraktionen erscheinen ihm da zweitrangig.
Man kann, soll, muss sich daran reiben. […]  Auch das war eine der Botschaften des Papstes an Europa: Die furchtbaren Nachrichten dieses Jahres sind nicht die ganze Wahrheit. Europa und die Welt müssen nicht so bleiben, wie sie sind. Kann es besseren Trost geben für Europas Politik?
(Matthias Drobinski, SZ vom 26.11.2014)

Ich werde nie verstehen, wie die Chefredaktion aus Kister und Prantl so ein pleonastisches Geschwurbel durchgehen lassen kann.

Franziskus hat als Papst (….) geredet! Als was denn sonst? Als Schuster? Oder als Atomphysiker?
Ihm geht es um den Menschen. Verblüffend; ich dachte eigentlich er wäre Hausschwammexperte.
Europa und die Welt müssen nicht so bleiben, wie sie sind. Wer würde das NICHT unterschreiben?

Diese Allgemeinplätzchen auch noch mit Primitivmetaphorik („geht aufs Ganze!“) aufzuhübschen ist nur erbärmlich.

Drobinski ist ein journalistisches Ärgernis und ein Elend für den Leser.
Verblüffend ist, daß es ausgerechnet der konservativ-christliche BILD-Kolumnist Hugo Müller-Vogg war, der in einer der harmlosen Blabla-Talkshows die eigentlich angebrachten Worte fand.

Der Papst hätte  lieber sagen sollen: (Aus dem Gedächtnis zitiert)
„Heute habe ich alle meine Bischöfe angewiesen jedem ihrer Pfarrer zu befehlen mindestens drei Flüchtlinge in ihrer Pfarrei aufzunehmen!“

Darin steckt viel Wahrheit. Eine steinreiche Organisation mit 400.000 Priestern könnte mit so einem einfachen Wort des Pontifex Maximus aus Rom Millionen Flüchtlinge versorgen.
Das tut Franziskus aber nicht. Er behält die Milliarden des IOR lieber selbst während die Elenden im Mittelmeer ersaufen und zeigt auf andere.



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