Manchmal wäre ich gern adelig.
Das
würde die Genealogie erheblich vereinfachen, weil schon immer in der Familie
aufgeschrieben worden wäre woher man stammt.
Und außerdem finde ich die langen Namen irgendwie sexy.
Und außerdem finde ich die langen Namen irgendwie sexy.
Ich
hätte da gern etwas Extravagantes zu bieten.
Eins
meiner Lieblingsbücher, das ich seit Jahrzehnten immer wieder in die Hand nehme
ist Brigitte Sokops „Stammtafeln europäischer Herrscherhäuser“ (Böhlau Verlag
ISBN 3-205-98096-4).
Das
fällt in dieselbe Kategorie wie die „Synchronoptische Weltgeschichte“ oder
Hermes Handlexikon „Wer kannte wen?“; also Bücher, die man
immer parat liegen haben sollte, so daß man schnell nachschlagen kann, wenn man
in Zeitungen, TV etc über irgendwelche historischen Anmerkungen stolpert.
Kürzlich
las ich eine Meldung über den 1485 verstorbenen britischen König Richard III.
Auch
wenn man kein Historiker ist, weiß man vermutlich aus diversen Fernsehserien
über die Tudors (insbesondere Heinrich VIII., 1491-1547) und die Greys (Königin
Jane Grey 1553-1554) in etwa um welche Zeit es sich handelt.
Da war
viel los. Das Mittelalter ging zu Ende, das Zeitalter der Kolonialisierung
begann. Mein Lieblingspapst Alexander
VI. hatte 1494 im Vertrag von Tordesillas mal eben die gesamte Welt und alle
ihre Besitztümer zwischen Portugal und Spanien aufgeteilt. Das ist ja das
Schöne an den Christen; sie sind so überhaupt nicht anmaßend.
Wie
passt nun Richard III. in das Laien-Historikerbild? Man kennt den Namen ja
eigentlich nur noch aus Shakespeares Drama, in dem er als abgrundtief böser
Krüppel und Schurke dargestellt wird.
Dazu sind Sokops Herrschertafeln so schön.
Dazu sind Sokops Herrschertafeln so schön.
Heinrich
VIII., also der Typ, der ständig seine Ehefrauen köpfte, um eine neue zu
heiraten, sich mit dem Papst anlegte und deswegen die neue englische Staatsreligion
gründete war der Sohn Heinrich VII., der wiederum ein Neffe Richard III.
(1452-1485, König ab 1483) war.
Richard
war also Henrys Großonkel.
Er war
eine gar nicht mal uninteressante Figur, da er der letzte Plantagenet war und mit
seinem Tod die sogenannten Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster
endeten.
Der
Begriff „Rosenkriege“ ist dabei sehr euphemistisch gewählt – in Wahrheit bedeutet
es erbittertes gegenseitiges Abschlachten über Dekaden.
Kinder,
Geschwister, Cousins wurden aus reiner Machtgier ermordet.
Richard
III. Vorgänger, sein älterer Bruder König Eduard IV. erwies beispielsweise dem
gemeinsamen Bruder George 1478 seine ungeheure Großzügigkeit, indem der sich
seine Todesart selbst aussuchen durfte. Er ließ sich in einem Fass Wein
ersäufen. Naja, wem’s gefällt.
Richard
sollte eigentlich nur Vormund von Eduards IV. 12-Jährigem Sohn Eduard V. sein.
Dieser wurde tatsächlich auch im Juni 1483 gekrönt, aber Richard sperrte ihn
zusammen mit seinem 9-Jährigen Bruder in den Tower, aus dem sie nie wieder
rauskamen.
Richard
III. ließ dann fleißig alle Thronrivalen köpfen oder vergiften, bis er allein
übrig blieb und schließlich am 06. Juli 1483 selbst gekrönt wurde.
Er
mordete dann fröhlich weiter, bis er 1485 von dem späteren Tudor-König Henry
VII. auf dem Schlachtfeld gekillt wurde.
Nach
Richard war Schluß mit den Kabalen; es kamen die Tudors.
Wie ich
jetzt darauf kommen?
Also Richard III. Gebeine wurden 2012 nach gezielten Grabungen in Leicester entdeckt und kürzlich genetisch identifiziert.
Also Richard III. Gebeine wurden 2012 nach gezielten Grabungen in Leicester entdeckt und kürzlich genetisch identifiziert.
Wissenschaft
ist cool.
Man
konnte noch nach über 500 Jahren nachweise, daß er an Skoliose litt (daher
offenbar seine literarische Darstellung als "Krüppel“), in Wales aufgewachsen
war, viel Geflügel und Wein konsumiert haben mußte.
Seine
Leiche wies Dutzende Knochen-Verletzungen auf; offensichtlich steckte er
wirklich mitten im Schlachtgetümmel als er starb.
Das ist
für Historiker ja eine interessante neue Möglichkeit: Grabstätten aufbohren,
Gewebeproben entnehmen und nach Jahrhunderten durch DNA-Tests überprüfen, wer
wirklich wessen Kind war.
Da das Überleben von Monarchinnen davon abhängig war Nachwuchs auszuwerfen, kam es verständlicherweise häufig vor, daß sie bei misserfolgreichem ehelichen Koitus auch mal schnell mit dem Koch oder Zimmerburschen knatterten.
Da das Überleben von Monarchinnen davon abhängig war Nachwuchs auszuwerfen, kam es verständlicherweise häufig vor, daß sie bei misserfolgreichem ehelichen Koitus auch mal schnell mit dem Koch oder Zimmerburschen knatterten.
Heute
kann man das überprüfen und so fallen gegenwärtigen Monarchen immer riesige
Gesteinsbrocken vom Herzen, wenn sie auch mal erfahren, daß sie wirklich die
genetischen Nachkommen ihrer königlichen Vorfahren sind.
Bei
Richard konnte tatsächlich eine rein maternale genetische Linie zu heute
lebenden Nachfahren – 17 Generationen später - nachgewiesen werden.
Paternal
klappte es erwartungsgemäß nicht, da seine Vorfahrinnen fleißig fremd gingen
und andere Männer in die Thronfolge einkreuzten.
Im März
2015 wurden Richard III. Überreste in der Kathedrale von Leicester in einen
Bleisarg gestopft und mit allen Ehren bestattet.
Solche
Gelegenheiten lassen sich Pfaffen natürlich nicht entgehen. Zumal Richard III.
der vorletzte katholische König Englands war.
Cardinal gives homily during historic ceremony in Leicester on Sunday
Cardinal Vincent Nichols has prayed for the soul of Richard III during a
service for the dead king.
[….] At the
service, Cardinal Nichols said that the sprinkling of holy water on the coffin
was “a reminder that King Richard, at the beginning of his life, was baptised
in the name of the Father, the Son and the Holy Spirit. He was thereby called
to live as a follower of Jesus Christ.”
[….] However,
as well as alluding to Richard’s notoriety, most famously for his alleged
ordering of the murder of his two nephews, the princes in the Tower, the
Cardinal pointed out the king’s great strengths: “Within the depth of his
heart, amidst all his fears and ambitions, there surely lay a strong desire to
provide his people with stability and improvement. In his two short years as
King, he reshaped vital aspects of the legal system, developing the presumption
of innocence, the concept of blind justice and the practice of granting bail
rather than being held in jail. He established the Court of Requests to give
wider access to justice and insisted on the translation into English of all
written laws and statutes so that they were readily accessible to all. Nevertheless
his reign was marked by unrest and the fatal seepage of loyalty and support.”
He said that Richard was “a man of prayer, a man of an anxious devotion.
In a surviving prayer, we hear him pleading with God for the protection of the
Archangel Michael and for deliverance from his enemies.” [….]
So sind
sie, die Katholiban.
Immer devot
buckelnd vor der Obrigkeit.
Ein wie
besessen mordender Mann, den Historiker in Punkto Bosheit in einem Atemzug mit
Hitler und Stalin nennen, wird liebevoll bebetet.
Kein
Wort der Kritik. Alles gut.
Naja, es
war ja auch nur Massenmord und kein Verbrechen, das die RKK wirklich in Rage
bringt – wie zB Ehescheidung oder Homosexualität.
Bei
Radio Vatikan – „Stimme des Papstes und der Weltkirche“ heißt es dazu:
Vergangenen Montag hat
der Erzbischof von Westminster, Kardinal Vincent Nichols, eine Messe für den
bereits 1485 verstorbenen König Richard III. in Leicester gefeiert. Hunderte
Menschen standen Schlange, um den Sarg des letzten Königs aus dem Haus
Plantagenet zu sehen. Dieser Sarg ist bis Donnerstag ausgestellt und wird dann
in einer Zeremonie, die vom Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, zelebriert
wird, in eine Gruft gebracht.
Im Interview mit Radio
Vatikan, sprach Kardinal Nichols davon, dass
Richard ein Mann des Gebets gewesen sei. Dies sei auch dadurch bestätigt, dass
man ein Gebetbuch bei ihm gefunden habe, in das er Bemerkungen und auch ein
eigenes Gebet geschrieben habe. Richard III. war ein katholischer König in
einem katholischen Land zu dieser Zeit. Sowohl die katholische als auch die
anglikanische Kirche feiern sein Gedenken in dieser Woche.
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