Samstag, 17. Oktober 2015

...dass sowas von sowas kommt…

Nachdem Köln sich bei der letzten Wahl verzählte und es verspätet geschafft hat korrekte Wahlzettel zu drucken, findet morgen endlich die Bürgermeisterwahl statt.
Ein bißchen merkwürdig verlief schon die Kandidatenaufstellung. Köln, die Stadt des legendären CDU-Bürgermeisters und CDU-Gründers Konrad Adenauer hat keinen OB-Kandidaten der CDU zu bieten.
Der amtierende SPD-Bürgermeister Jürgen Roters, der auch Kandidat der Grünen war, tritt nicht erneut an. Die neuerdings so CDU-affinen Grünen unterstützen bei dieser Wahl die (parteilose) CDU/FDP-Kandidatin Henriette Reker, während die SPD allein auf ihren Oberbürgermeisterkandidaten Jochen Ott setzt.

Reker wurde heute bei einem Attentat schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt.

Am Tatort spielten sich dramatische Szenen ab. Ein Beamter der Bundespolizei, der in seiner Freizeit auf dem Markt war, griff laut Polizei als erster ein und überwältigte den Attentäter. Neben Reker wurden auch eine Kölner CDU-Politikerin, eine FDP-Ratsfrau und zwei Bürger, die sich zufällig am Wahlkampfstand aufhielten, verletzt. Reker und eine weitere schwer verletzte Frau wurden in ein Krankenhaus gebracht.
Der festgenommene Mann, deutscher Staatsangehöriger, hatte nach Angaben der Ermittler zwei Messer bei sich und griff Reker gezielt an. Nach WDR-Informationen hatte er die OB-Kandidatin um eine Rose gebeten, die sie am Wahlstand an Bürger verteilte. Als Reker ihm die Rose überreichen wollte, habe er zugestochen. Augenzeugen berichteten, der Täter habe nach seiner Tat gesagt: "Ich habe das für euch alle getan".
Der Angreifer habe für die Tat fremdenfeindliche Motive angegeben, sagte Norbert Wagner von der Polizei Köln später bei einer Pressekonferenz. Der Mann war nach ersten Erkenntnissen allein an der Tat beteiligt. Er werde auch auf seine psychische Gesundheit untersucht. Nach eigenen Angaben war der Tatverdächtige seit längeren Jahren arbeitslos, von Beruf Maler und Lackierer sowie Hartz IV-Empfänger. Zuvor sei der in Köln lebende Mann polizeilich nicht ausgefallen.

In diesem Fall sind die Hintergründe des Attentats erschreckend offensichtlich und schnell aufgeklärt.

Frank S., 44, war offenbar schon vor 25 Jahren Sympathisant der rechtsextremistischen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP), nahm an Gedenkmärschen für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß teil, lebt in einem schönen Altbau in Nippes. Er gab ausdrücklich die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin und eben der zuständigen Kölner Sozialdezernentin Reker als Motiv an. Sie fluteten Köln mit Ausländern und Flüchtlingen.

„Wir Politiker leben ja davon, dass die Menschen zu uns kommen. Die Tat fällt in eine besorgniserregende politische Atmosphäre, die sich offen gegen Politiker richtet. Ich habe schon mit Sorge die Galgen bei Pegida gesehen. Es ist unerträglich, dass es auch nach dem Attentat auf Henriette Reker höhnische Kommentare im Internet gibt.“
(NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Die rechtsradikalen Gewalttaten, der xenophobe Terrorismus, den wir täglich in Deutschland erleben, der aber bisher fast ausschließlich gegen die sozial Schwächsten gerichtet ist, trifft nun auch weiße, westdeutsche, etablierte Mächtige.
Ich werde nicht so zynisch sein Opfer erster und zweiter Klasse zu definieren. Jede Verurteilung der Tat ist richtig.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière zeigte sich angesichts der "abscheulichen Messerattacke" besorgt über "die zunehmende Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte". Er sei schon "seit langem besorgt über die hasserfüllte Sprache und gewalttätigen Aktionen". De Maizière rief alle Bürger auf, sich sachlich an der Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland zu beteiligen. "Nicht nur der Rechtsstaat muss hier mit voller Konsequenz reagieren, sondern die gesamte Gesellschaft ist aufgefordert, ein klares Zeichen gegen jede Form der Gewalt zu setzen."

Daß sich aber ausgerechnet der Minusmann de Maizière empört über die zunehmende Radikalisierung zeigt, ist schwer erträglich.
Immerhin ist es der Bundesinnenminister selbst, der seit Monaten bereitwillig Öl ins Feuer gießt.
De Maizière ist genau der Brandstifter, der mit seinen Halb- und Unwahrheiten die Nazis erst ermutigt.
Der Innenminister schlug die Internierungslager für Heimatvertriebene vor, um damit dem rechten Pöbel den Eindruck zu vermitteln, die Syrer wären alle kriminell.
Der Bundesinnenminister steht einem Wahlkreis vor, in dem seine CDU offen undemokratisch und PEGIDA-freundlich auftritt.

Wenn wir Dresden, bzw. Sachsen als Heimat der Pegida-Bewegung betrachten, gibt es einen ganzen Strauß von Gründen, die aber erst im Zusammenspiel diese Wirkung zeitigten. Kerstin Köditz zum Beispiel benennt in ihrem Text die vielfache und dauerhafte Vernetzung des sächsischen Regierungspersonals mit schlagenden Verbindungen und Akteuren des rechten Randes. Dies führte über die Jahre dazu, dass rechte Positionen auch an Universitäten und anderen Bildungsinstitutionen massiv gefördert wurden, während andere Stimmen kein Gehör fanden.
Hinzu kommt die unheilvolle Mixtur aus historisch gewachsener Provinzialität, gepaart mit dem politisch oktroyierten Stolz darauf, offiziell das wirtschaftliche erfolgreichste Land Ostdeutschlands zu sein, und der Umstand, dass Begriffe wie Volk und Nation in der DDR nie kritisch hinterfragt wurden. Auch der extrem geringe Anteil von Migranten an der Gesamtbevölkerung wirkt sich hier negativ aus. Die rassistischen Ängste, die sich schon Anfang der Neunziger beispielsweise in Hoyerswerda Bahn brachen, konnten so niemals positiv konterkariert werden. All das spielt in Sachsen zusammen, aber es wäre dennoch ein Fehler, das Problem zu regionalisieren.
Brandanschläge gegen Asylunterkünfte gab es in diesem Jahr in ganz Deutschland, die AfD hat ihre Fans in Ost und West, und schon öfter wurde ich in Schwaben oder im Rhein-Main-Gebiet in privatem Rahmen mit Haltungen konfrontiert, die absolut ins Pegida-Schema passen. Vielleicht hat das westdeutsche Kleinbürgertum einfach noch nicht die zu ihm passende Protestform gefunden. Mit "Wir sind das Volk!"-Gegröle durch Rüdesheim oder Ravensburg zu demonstrieren, käme den meisten dort wohl derzeit noch eher albern vor. Nichtsdestotrotz wurde die mediale Präsenz von Pegida auch von vielen Westdeutschen durchaus positiv rezipiert.

Die Parteifreunde de Maizières wie Lorenz Caffier zum Beispiel, der CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, oder auch seine CSU-Kollegen streuen unterdessen Gerüchte über IS-Terroristen, die sich unter die Flüchtlinge mischten. Das ist pure Panikmache – nicht ein einziger Fall konnte bestätigt werden.


Ja, Thomas de Maizière, wer so agiert, muß sich nicht wundern, wenn das bei dem braunen Pegida-Mob auf fruchtbaren Boden fällt und in Gewalt umgesetzt wird.

Gestern noch tat der Bundesrat dem Mob den Gefallen eine Peginesische Änderung des Asylrechts vorzunehmen; tat einen Schritt zurück in der Flüchtlingspolitik.
Beschämenderweise gab sich das Land, welches vor gut 70 Jahren bis zu 500.000 Sinti und Roma tötete diese Woche ein regelrechtes Anti-Roma-Gesetz, um Petry, Höcke und Bachmann zu erfreuen.
Pfui Deutschland und Pfui SPD.
Die Rechtsextremen werden registriert haben woher der Wind weht.
Diesen Leuten gibt man keinen Zucker!

[….] Die Hass-Bewegung aus Dresden richtet seit einem Jahr ein Zerstörungswerk an. [….] Pegida hat ein Klima der Verrohung, Aggressivität und des Hasses auf Ausländer, Andersdenkende, Kirchen, Politiker, Medien geschaffen, das alles, wirklich alles befürchten lässt. Pegida ruft seit einem Jahr zu nichts anderem als Hass und Gewalt auf. Pegida setzt Hemmschwellen auf null. [….] „Wir werden von Wahnsinnigen regiert“, brüllt Pegida-Anführer Bachmann gerne auf seinen Kundgebungen und spielt sich als Retter des Abendlandes und der europäischen Kultur auf. Ein Mann, der im Gefängnis saß, verurteilt wegen Drogenhandels und mehrerer Einbrüche, jemand, der Unterhaltszahlungen für sein Kind schuldig geblieben war und auf Bewährung frei ist. Bachmann hetzt seit einem Jahr ungehindert gegen Asylbewerber, die er Verbrecher und Invasoren nennt, die „raubend, teilweise vergewaltigend und stehlend unsere Städte“ bereicherten. Erst Hass säen, dann zum Losschlagen ermuntern: „Auf die Straße, wehrt euch.“ Und wir wundern uns noch, wenn Steine, Flaschen und Böller fliegen? Oder regen uns über den albernen Galgen auf? Gewalt ist Alltag geworden in Sachsen. Und es wird immer schlimmer. Erst Worte, dann Untaten. Pegida hat schon vor Monaten den Schalter umgelegt. In Sachsen werden systematisch Politiker, ihre Büros, ihre Autos angegriffen. Es geht gegen Flüchtlinge, Polizisten, THW-Helfer, DRK-Helfer, Feuerwehrleute, Journalisten, Andersdenkende oder auch mal Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland, die an einem Theaterfestival teilnehmen. [….]

Angesichts des heutigen Kölner Attentats ist es hohe Zeit, daß sich Hetzer wie de Maizière, Söder, Bosbach, Seehofer oder Scheuer endlich im Ton mäßigen und sich ehrlich machen.
Viele Hoffnungen hege ich allerdings nicht!

[….] Dresden: Auf einer islamfeindlichen Pegida-Demonstration droht ein Mann Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel mit ihrer Hinrichtung. Er hat einen Galgen dabei und lässt auf Schildern wissen, dieser sei für die Politiker "reserviert". "Abschieben, Abschieben!", skandiert die Menge der "Asylkritiker" währenddessen.
Köln, fünf Tage später: Ein Mann attackiert die Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker mit einem Messer, verletzt sie schwer am Hals. "Ich habe das wegen Rekers Flüchtlingspolitik getan“, sagt er nach Angaben von Zeugen.
Völlig egal, ob der Mann geistesgestört ist oder noch alle Sinne beisammen hat: Die Saat der Hetze gegen Asylbewerber ist aufgegangen. Pegida hat mitgestochen.[….] "Volksverräter" ist NS-Jargon. Bereits 1933 führten die Nationalsozialisten für "Hochverrat" die Todesstrafe ein. "Lügenpresse auf die Fresse" ist ebenso als eine klare Handlungsempfehlung zu verstehen. [….]


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