Vielleicht
haben wir zu viel und nicht zu wenig Demokratie.
Im Angesicht
von fünf Landtags- und zwei Kommunalwahlen im Jahr 2016* ist es mal wieder
frappierend zu sehen, wie sämtliche politischen Parteien Vernunft und
Seriosität über Bord werfen, weil ihnen aus Angst vor dem Wähler die Knie
schlottern.
*
6.
März Hessen Kommunal
13.
März Baden-Württemberg Landtag
13.
März Rheinland-Pfalz Landtag
13.
März Sachsen-Anhalt Landtag
4.
September Mecklenburg-Vorpommern Landtag
11.
September Niedersachsen Kommunal
18.
September Berlin Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlungen
Sogar
das Polit-Ehepaar Lafontaine und Wagenknecht weist darauf hin, daß die
Einwanderung nicht so weiter gehen könne, daß man mehr abschieben solle.
Ein der
Haupterkenntnisse Helmut Schmidts war die Uneinsichtigkeit des Wählers für
Kompromisse.
Sie
werden Politikern und Parteien grundsätzlich als Schwäche ausgelegt und mit
allen erdenklichen negativen Konnotationen belegt.
Dabei
sind Kompromisse das Wesen unserer parlamentarischen Demokratie.
Wer
Kompromisse verachtet, sich darüber beklagt, daß eine 25%-Partei nicht 100%
ihres Wahlprogramms durchsetzt und sofort geneigt ist auch radikale
Schreihals-Parteien zu wählen, zerstört selbst die Demokratie.
Wir sind
eine repräsentative Demokratie, die glücklicherweise noch nicht gänzlich zur
Diktatur der Inkompetenz (=plebiszitäre Demokratie) verkommen ist.
Aber eine
Kaskade von sieben wichtigen Wahlen innerhalb eines Jahres generiert eine
permanent-plebiszitäre Stimmung, die ganz offensichtlich schon in der zweiten
Januarwoche die Bundespolitik lahmlegt.
Immer
abenteuerlichere Meldungen schwappen durch Deutschland, welches scheinbar
schonfast zu einer Gesamt-No-Go-Area für Frauen geworden ist, weil halbwilde
Testosteronbomben aus dem Nahen Osten alles vergewaltigen, das nicht bei drei
auf dem Baum ist.
Schlaraffenzeit
für AfD und CSU, deren gagaeske radikal-xenophobe Sprüche nun bis weit in die
SPD und Opposition hinein auf Akzeptanz stoßen.
Merkel-Imitator
Gabriel läßt schon mal aus Kuba verlautbaren, seine Partei wäre zu so ziemlich jeder flüchtlingsphoben Schandtat bereit.
Nach
Gabriels Theorie muß sich die SPD bekanntlich nur genügend an die Union anpassen,
um wieder Mehrheiten zu generieren.
Da kann
die lästige Realität – SPD sinkt
auf 21,5% bundesweit – nur stören.
Merkel
und ihr Bundesvize, der Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl („Der Grieche hat jetzt lang genug genervt!“)
fabulieren nun im PEGIDA-Sprech von der Verwirkung
des Gastrechtes.
Dabei
gibt es gar kein juristisches Gastrecht.
Es gibt das
grundgesetzlich garantierte Asylrecht und das Strafrecht.
Gastrecht
hingegen ist ein kultureller Begriff und keine politische Kategorie, auf die
man sich berufen könnte. Egal, es klingt aber so schön populär das Gastrecht
einzuschränken.
Die
Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag Sahra Wagenknecht stimmte der
Forderung nach konsequentem Vorgehen gegen straffällige Migranten allerdings
zu. »Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht eben auch verwirkt«, meinte
Wagenknecht, am Montag in Berlin.
(Neues
Deutschland, 11.01.2016)
Die Berichterstattung
vom Kölner Hauptbahnhof erinnert mich inzwischen an die Flut von
Til-Schweiger-Bildchen mit Raketenwerfer über der Schulter, die wir über
Weihnachten ertragen mußten. Ich kann es nicht mehr sehen.
Wenn
Straftaten begangen werden, muß die Polizei dem nachgehen. Punkt.
Nach Straftaten muß aber nicht das Parlament in Rekordtempo zusammen kommen, um dafür neue Gesetze zu erlassen.
Nach Straftaten muß aber nicht das Parlament in Rekordtempo zusammen kommen, um dafür neue Gesetze zu erlassen.
Weswegen
sich Polizei manchmal so auffällig zurückhalten, müssen sich die Innenminister
und Polizeipräsidenten fragen lassen.
Über 450 brutale Rechtsextreme, für die ein Haftbefehl ausgestellt
ist, laufen in Deutschland rum, weil die Polizei sie nicht verhaftet.
[….]
Als der Nationalsozialistische Untergrund
(NSU) im Herbst 2011 aufflog, war das Entsetzen groß. Regierung, Opposition,
Sicherheitsbehörden - alle zeigten sich bestürzt. Dass eine rechtsextreme
Terrorzelle über Jahre unerkannt Morde begehen konnte, hatte man für unmöglich
gehalten. Entsprechend entschlossen wurde Aufklärung versprochen. Und noch viel
entschlossener wurde zugesagt, dass alles getan werde, damit sich so etwas nie
wiederholen würde. Bundespräsident, Bundeskanzlerin, Polizisten und
Verfassungsschützer - es gab niemanden, der in jenen Wochen nicht diese
Botschaft aussandte.
Nun ist bislang
tatsächlich keine neue Terrorbande entdeckt worden. Doch eine Statistik gibt
zumindest Anlass zu Befürchtungen. Es ist eine kleine Statistik, und sie klingt
auf den ersten Blick beinahe harmlos. Sie fasst zusammen, wie viele Haftbefehle
für rechtsradikale und verurteilte Straftäter derzeit nicht vollstreckt werden,
weil diese Täter offenbar nicht zu fassen sind.
Wie die
Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Politikerin Irene Mihalic
antwortete, waren zum Stichtag 15. September 2015 mehr als 450 Haftbefehle
gegen 372 rechtsmotivierte Straftäter nicht vollstreckt worden. Das bedeutet:
Entweder werden diese Personen nicht verhaftet, obwohl die Polizei weiß, wo sie
sich befinden. Oder diese Verbrecher entziehen sich einer Verhaftung, weil sie
untergetaucht sind. [….]
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