Im aktuellen SPIEGEL wendet sich Markus Feldenkirchen mit seinem Leitkommentar direkt an die „besorgten Bürger“.
[…]
Eine weitere Sorge gilt uns, den Medien.
Viele „besorgte Bürger“ unterliegen dem Missverständnis, dass guter
Journalismus haargenau die eigene Meinung wiedergeben müsse. Das ist
menschlich, aus ähnlichen Motiven haben die Nazis ihren „Stürmer“ gehabt. In
Demokratien aber war die Idee von Journalismus bisher eine andere. […]
(Der SPIEGEL 01/2016 s.12)
That
said, muß ich mich ein bißchen über den Mopo-Redakteur „Harald Stutte“ echauffieren.
Schon
wieder.
Es ist nicht das erste mal, daß ich mich über Stutte sehr wundern muß.
Er tut
das aber offenbar weniger aus Bosheit, sondern einfach aus Unwissenheit.
Im
Grunde sollte man sich auch nicht über eine so einfache Boulevardzeitung
ärgern. Natürlich haben die keine Mittel, um sich echte Edelfedern zu leisten.
Für den
Preis von 90 Cent kann man natürlich keinen Spitzenjournalismus erwarten.
Ganz im Sinne Fledenkirchens erwarte ich auch keineswegs von der Hamburger Morgenpost genau das zu präsentieren, was ich auch denke.
Ganz im Sinne Fledenkirchens erwarte ich auch keineswegs von der Hamburger Morgenpost genau das zu präsentieren, was ich auch denke.
Stutte
und seine Kollegen können und sollen gern andere Meinungen vertreten.
Es ist
aber nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn man aus purer Unwissenheit
außenpolitische Dinge einfach falsch darstellt.
In der
heutigen Ausgabe will uns Stutte nämlich Saudi Arabien erklären.
Für die Welt war die
Inthronisierung Salmans im Januar 2015 nur eine Randnotiz. Ein 79-Jähriger
Greis folgte einem 91-Jährigen (Abdullah), der zehn Jahre zuvor einem
84-Jährigen (Faht) auf den Thron gefolgt war.
(Mopo,
STU, 05.01.16)
Zunächst
einmal Vorsicht mit der Behauptung 79-Jährige wären automatisch Greise. Helmut Schmidt war mit knapp 97 noch deutlich
fitter im Kopf als Harald Stutte und bekanntlich war Konrad Adenauer noch mit
87 Jahren Bundeskanzler und viele 90-Jährige demonstrier(t)en gerade im
deutschen TV ihre geistigen Qualitäten. Margarethe Mitscherlich, Hildegard
Hamm-Brücher, Peter Scholl-Latour, Wolfgang Leonhard, Egon Bahr. Papst Franziskus ist im Übrigen auch 79 Jahre
alt und wird niemals als „Greis, der auf Greise folgte“ abgekanzelt.
Es muß
sich auch niemand mit den 7000 saudischen Prinzen auskennen. Aber wenn man
schon Artikel darüber schreibt, sollte man sich doch zumindest anlesen, daß
Salman der vorletzte der sieben berühmten Sudairi-Prinzen ist.
Salman
ibn Abd al-Aziz Al Saud, 79, saudischer
absoluter Herrscher seit dem 23. Januar 2015, ist der vorletzte der sieben
Lieblingssöhne seines Vaters König Abd al-Aziz ibn Saud. So kam er jetzt auf
den Thron, obwohl er nur der 32. Sohn seines Vaters ist. Es gibt nur noch einen
jüngeren Sohn von König Salmans Mutter Huzza Bint Ahmed Bin Mohammed
Al-Sudairi.
Salmans
Papi, der legendäre Staatsgründer, regierte rund 50 Jahre, davon 21 Jahre als König,
war mit 17 Frauen verheiratet und zeugte etwa 60 Kinder.
Dagegen
stinkt Salam ab.
Sein
Bruder und unmittelbarer Vorgänger König Abdullah hatte wenigstens noch 34
Kinder von neun Ehefrauen.
Die Sudairi-Sieben spielen eine entscheidende
Rolle in Saudi Arabien. Auch König
Faht war einer der Sudairi-Sieben.
Das ist
schon insofern wichtig, weil man annimmt, daß erst nach dem Tod aller sieben Vollgeschwister
ein Generationenwechsel in Riad vollzogen wird.
Salmans
direkter Vorgänger, König Abdullah, war auch keineswegs einer dieser Greise,
von denen Stutte suggeriert, es mache keinen Unterschied, wer auf dem Thron
säße. Abdullah war durchaus ein bißchen reformorientiert und leitete sukzessive
Neuerungen ein.
Dies
dreht Salman nun zurück.
Vollkommen
falsch ist hingegen die Darstellung Stuttes, die Welt habe den Thronwechsel gar
nicht mitbekommen. Das diametrale Gegenteil ist richtig. Noch nie wurde so ein
diplomatischer Großalarm ausgelöst.
Als
Abdullah starb, war Merkel krank und Pastor Gauck feierte gerade eine Sause zu
seinem 75. Geburtstag. Da es für Gauck nichts Wichtigeres als Gauck gibt, war
er also verhindert.
Protokollarisch
wäre Steinmeier am drannsten gewesen, um schleimspurziehend auf den Knien durch
Riad zu rutschen.
Salman,
der neue König gibt sich aber nicht mit so etwas minderem wie Außenministern
zufrieden. So kam es, daß Merkel ganz schnell Wulff reaktivierte, um der
Saudischen Königsfamilie zu kondolieren.
Präsident
ist in ihren Augen mehr als ein Außenminister, auch wenn es nur ein „Ex“ ist,
der chronisch so knapp bei Kasse ist, daß man stets befürchten muß, er könnte
sich das Tafelsilber einstecken. […]
Bundeskanzlerin Angela
Merkel hat Saudi-Arabien zum Tod von König Abdullah kondoliert und dem
gestorbenen Monarchen für "seine ausgewogene und vermittelnde Politik im
Nahen Osten (...) Respekt und Anerkennung" gezollt. Wie das
Bundespresseamt mitteilte, sprach Merkel in einem Kondolenztelegramm dem neuen
König Salman ibn Abdelasis ihr "tief empfundenes Mitgefühl" aus.
Weiter schrieb die
Kanzlerin über den verstorbenen König: "Mit Klugheit, Weitsicht und großem
persönlichen Einsatz ist er für eine behutsame Modernisierung seines Landes und
für den Dialog der islamischen Welt mit dem Westen eingetreten."
Noch
ungenierter agiert Obama.
Der
Guantanamo-man, der zuhause fleißig die Todesstrafe praktizieren lässt und
weltweit durch illegale Drohnen-Mord-Aktionen Unschuldige umbringen läßt, setzt
im Spannungsfeld zwischen „westlichen Werten“ wie Meinungsfreiheit und
Rücksicht auf islamische Despoten klare Prioritäten.
Moral
und Werte – das brauchen die frommen Christen Obama, Wulff und Merkel nur bei
Sonntagsreden und um sich bei ihren Wählern einzuschleimen. In der praktischen
Politik tangieren sie diese Petitessen nicht.
Die
böse Mainstreampresse kritisiert das durchaus. Sie tut das was sie tun muß.
Allein,
es schert niemand.
[…] Es wirkt wie eine Pilgerfahrt. Der saudische
König ist gestorben, und alle eilen nach Riad. Frankreichs Präsident und der
britische Premier waren schon da, der US-Präsident will am Dienstag kommen. Der
Westen verneigt sich vor dem toten Herrscher. Das ist prinzipiell nicht
verwerflich. Zu kondolieren ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Leider
belassen es die Staats- und Regierungschefs aber nicht beim Kondolieren, sie
machen einen Kotau.
In dem Land, das die
Königsfamilie sich untertan gemacht hat, gelten Frauen nichts. Homosexuelle werden
verfolgt, Blogger ausgepeitscht, Todesurteile öffentlich mit Säbeln
vollstreckt. Es grenzt an eine Selbstaufgabe der Demokraten, wenn in London
sogar die Fahnen am Parlament auf Halbmast gesetzt werden, weil König Abdullah
gestorben ist.
Es ist absurd, wenn
Merkel die "Klugheit" und "ausgewogene Politik" des
Monarchen preist. Und es ist
bezeichnend, dass Obama den Gedenkmarsch für die Opfer des islamistischen
Terrors in Paris geschwänzt hat, jetzt aber zu den Mittelalter-Theokraten in
Riad pilgert.
[…]
[…]
Barack Obama bietet für seinen
Antrittsbesuch bei Saudi-Arabiens neuem König Salman nahezu alles auf, was in
der Sicherheitspolitik der Amerikaner Rang und Namen hat: Außenminister John
Kerry, CIA-Chef John O. Brennan, General Lloyd J. Austin, Chef des US Central
Command, das für den Nahen Osten und Zentralasien zuständig ist, sowie seine
wichtigsten Berater für Sicherheit, Lisa Monaco und Susan Rice, begleiten den
US-Präsidenten.
Zur 30-köpfigen
Delegation Obamas gehören sogar wichtige Republikaner, die in Saudi-Arabien
geschätzt werden: die Ex-Außenminister James Baker (unter George Bush Sr.) und
Condoleezza Rice (unter George W. Bush) sowie Senator John McCain, Obamas
größter außenpolitischer Kritiker und Rivale bei der Wahl 2008.
Mit seinem
persönlichen Erscheinen und der hochkarätigen, parteiübergreifenden Delegation
will der US-Präsident nach dem Tod von König Abdullah zeigen, wie wichtig ihm
Saudi-Arabien als Partner ist. Obama will einiges wieder gut machen, denn das
Verhältnis der beiden Länder hat sich in seiner Amtszeit verschlechtert.
Deshalb hofiert er nun den neuen Monarchen Salman. Seinen Besuch in Indien hat
der US-Präsident eigens dafür abgekürzt. […] Saudi-Arabien
mischt […] selbst energischer in der Region mit: Es
schickte seine Panzer nach Bahrain, unterstützte in Ägypten den Putsch des
Militärs und greift auch in Libyen gegen die Radikalislamisten ein.
[…]
Die saudische Linie ist klar: Stabilität
statt demokratischer Experimente. Zu diesem Kurs scheint auch Obama wieder
zurückkehren zu wollen. […]
Wie Obama aufmarschierte, zeigt
schon, daß dieser Thronwechsel so wichtig wie kein anderes diplomatisches
Ereignis der letzten Jahre war.
Seine „irgendein
Greiser, den niemand kennt“-Ansicht über das saudische Königshaus verfolgt
Stutte in seinem Artikel weiter.
Die
wären eben alle leicht irre da und es käme noch schlimmer, wenn erst einmal
Salmans Sohn auf den Thron folge.
Strippenzieher der
gegenwärtigen Konfrontation mit dem Iran nach der jüngsten Hinrichtungswelle
ist neben Salman vor allem Mohammed bin Salman (30), Lieblingssohn des Königs. Der
Verteidigungsminister, als einziger der Führung studierte er nicht im Ausland,
ist Favorit in der Thronfolge.
(Mopo,
STU, 05.01.16)
Nun ja,
also in Saudi Arabien mit den 7000 Prinzen ist es eben nicht so, daß Söhne
automatisch in der Thronfolge bedacht werden. Das kam bisher auch gar nicht
vor. Zudem hat Salman 12 Söhne.
Der
saudische Thronanwärter war bis zum April 2015 Salmans Halbbruder Kronprinz
Muqrin, 70, der 43. Sohn des legendären Königs Abd al-Aziz ibn Saud.
Inzwischen
wurde er zum stellvertretenden Kronprinz zurückgestuft.
Neuer
Hauptthronanwärter ist ein 56-Jähriger Enkel des Staatsgründers: Der Innenminister
von Saudi-Arabien Prinz Mohammed ibn Naif ibn Abdul-Aziz Al Saud. Er ist ein Sohn des früheren saudischen Innenministers Naif
ibn Abd al-Aziz.
Der von
Stutte genannte Verteidigungsminister ist also maximal Nummer drei in der
Thronfolge und dürfte aufgrund seiner Jugend noch Jahrzehnte lang nicht für das
Amt in Frage kommen.
Redakteur
Stutte muß unbedingt etwas gründlicher googlen, bevor er seine Erklärbär-Artikel
in die Welt setzt.
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