Als ich
kürzlich ausführlich ZANZU-Texte über Analverkehr und Homoehe zitierte,
dazu auch die ZANZU-Piktogramme zeigte, ging es mir um die ins Auge springende
Heuchelei der Konservativen.
Daß ausgerechnet
solche Typen wie Steinbach, Trägerin des Rassismus-Oscars 2016, voller
Pathos Homo- und Frauengleichberechtigung anpreisen, nur weil es gegen
Flüchtlinge geht, erschließt eine ganz neue Dimension der Heuchelei.
Nein,
natürlich ist es keine Überraschung, daß Erika
Steinbach über keinerlei Schamgefühl verfügt, aber wenn die
ihre Dreistigkeit mal wieder derart stolz vorführt, beindruckt es schon.
Meine
Meinung zu ZANZU hatte ich bisher noch gar nicht
formuliert.
Ein
bißchen unfreiwillig komisch sind die Zanzu-Bildchen schon, ebenso die durchaus
noch verkrampften Artikel-Überschriften in den Zeitungen.
Das
Problem an sexueller Aufklärung ist, daß sie meistens aus der Sicht derjenigen
beurteilt wird, die längst aufgeklärt sind.
Wesentlich
ist doch aber, wie es auf die Menschen wirkt, die eben noch nicht Bescheid
wissen, weil sie noch Kinder sind oder aus ganz anderen Kulturen stammen.
Ich
hatte nie Sexualkundeunterricht in der Schule. Aber von meiner Mutter weiß ich,
daß auf Elternabenden durchaus wohlwollend das Thema angesprochen wurde. Es
waren eher die Lehrer, die sich drücken wollten.
Richtig
ist das nicht, aber menschlich verständlich.
Wer hat schon Lust mit Pubertierenden im
Hormonrausch ein Thema zu behandeln, das unweigerlich zu Lachattacken und
Vulgarität führt?
Es ist
sicher kein Zufall, daß die sexuelle Aufklärung der eigenen Kinder immer wieder
zum Gegenstand von Sketchen wird. Der Zeitpunkt ist nie richtig und fast immer
wird es peinlich. Deswegen schieben es konservative Eltern gern bis zum St.
Nimmerleinstag auf.
Relativ
typisch dürfte das Verhalten meiner amerikanischen Großmutter gewesen sein, die
ihre Jungs in den 1930er und 1940er Jahren allein aufzog, weil ihr Mann
urplötzlich gestorben war. Sie war keineswegs so verklemmt, daß sie ihre Kinder
nicht aufklären wollte. Dafür hatte sie auch viel zu viel Angst vor ungewollten
Schwangerschaften. Aber sich selbst traute sie diese Gespräche nicht zu und tat
das was damals in ihrem Umfeld alle taten: Die Jungs wurden zum Pfarrer
geschickt, damit er sie über die „Pflichten in der Ehe“ belehre.
Die
Absurdität dessen, für diesen Aspekt der Menschlichkeit ausgerechnet einen
Typen auszusuchen, der im strengen Zölibat lebt, wird auch heute nicht jedem
offensichtlich. Auch im 21. Jahrhundert gelten katholische Geistliche noch als
„Moralexperten“ und Ehe-Koryphäen.
Die
Männer, die keinerlei Erfahrung mit Sex haben, fühlen sich gerade für das Thema
kompetent.
Religiotie.
Sexuelle
Aufklärung ist immer mit Peinlichkeit verbunden, weil auch das
Spannungsverhältnis zwischen sexuell Aktiven und noch nicht Praktizierenden
berührt ist. Unter Gleichaltrigen sind die Gespräche einfacher.
Thomas
Brussig brachte das in „Helden wie wir“ kongenial auf den Punkt: Daß seine
Eltern Sex miteinander gehabt hatten, schockte Klaus Uhltzscht derart, daß er
einen Minderwertigkeitskomplex entwickelte. Nur durch seine Existenz war seine
Mutter zu so einer Abscheulichkeit gezwungen worden. Erfahren hatte er das
ganze Elend erst spät im Ferienlager von anderen Jungs.
So wurde ich
aufgeklärt: Bumsen ist Kindermachen, erklärte mir einer, um dann ungerührt
fortzufahren: „Der Vater muß seinen Pisser in die Muschi der Mutter stecke.“ Was?
„Vater-Pisser-reinstecken-Muschi-Mutter?“ Unmöglich! So eine Sauerei würden
meine Eltern niemals tun! Niemals! Nie! Nie und nimmer! Welches kranke Hirn
konnte sich bloß solche Ungeheuerlichkeiten ausdenken? Was haben die Kinder
denn für Eltern? Was mein Vater nie herzeigt und meiner Mutter ein besonderes
Stück Seife wert ist, das stecken deren Eltern sich gegenseitig rein?
Und später:
Ich lag lange wach und dachte diese Geschichte mal zu Ende. Meine Eltern haben gefickt. Meine Lehrer haben gefickt. Die ganze Menschheit war ein Produkt zahlloser Ficks – und ich, Klaus das Titelbild, wissenschaftlicher Nachwuchs, der täglich dem ihm bestimmten Nobelpreis ein Stück näher kam, wußte nichts davon! Wenn das kein Grund war, die Bumsthese anzuzweifeln! Also: Haben die Urmenschenmänner etwa freiwillig ihre Urpimmel in Urmösen gehalten?
Noch später:
Ich hatte nie ein
Problem mit der These, daß der Mensch vom Affen abstammt, aber ich sträubte
mich beharrlich dagegen von fickenden Eltern abzustammen. Oder, um genau zu
sein, von fickenden Erziehungsberechtigten. Eine ganze Weile lang, bestimmt
drei Jahre, war einer meiner geheimen Wünsche, ein Adoptivkind zu sein. Meine
Eltern sollten mir endlich offenbaren, daß sie mich aus einem Heim geholt hatten,
um nicht miteinander vögeln zu müssen.
Schließlich:
….eingeräumt, daß
sogar meine Eltern fickten. Allerdings – sie meinten es nur gut mit mir und
wollten nur mein Bestes – fickten sie nur, weil sie mich wollten.
Ihr Wunsch, mich zu
haben, war größer als der Skrupel vor der größten Ferkelei, die mir je zu Ohren
kam. Natürlich wollte mein Vater seinen Pisser – sofern er tatsächlich einen
hatte – nicht in die Muschi meiner Mutter stecken, und auch meine Mutter wird
nicht begeistert gewesen sein – aber es mußte sein. Diese Umstände hatten sie
nur meinetwegen!
So ist
Aufklärung. Erschreckend bis peinlich, wenn man das erste mal davon hört, aber
lustig, wenn man später als Erwachsener darüber nachdenkt.
Das
Internet allgemein bietet da einen willkommenen Ausweg, weil man sexuelle
Aufklärung ohne die Peinlichkeit des persönlichen Gegenübers erreichen kann.
Und Zanzu speziell ist die Adresse im
Internet, die solche Informationen seriös und verständlich in 13 verschiedenen
Sprachen präsentiert, ohne zu kompliziert zu werden.
Also,
ja, ich begrüße dieses Projekt der Bundesregierung und bin überzeugt davon, daß
viele Menschen froh sein werden auf Zanzu
verweisen zu können und noch mehr Menschen die Gelegenheit nutzen werden sich
endlich genau über das zu informieren, was sie andere womöglich nicht fragen
können.
Zanzu
gut.
Jetzt
kommen aber wieder die Braunen und der frömmelnde Rand der Union ins Spiel,
also jene Typen, die effekthascherisch Homotoleranz von Flüchtlingen erwarten.
Man stelle sich vor, die SPD würde so eine Aufklärung in Bayern, Sachsen oder Baden-Württemberg betreiben.Die CDU/CSU würde Amok laufen und kreischen wie sehr diese Frühsexualisierung den Kindern schade.
Aber bei den
Flüchtlingen gilt das Gegenteil, denn sie sollen nach CDU/CSU-Logik offenbar mit
sexueller Freizügigkeit abgeschreckt werden.
(…..)
Das
würde sicher lustig, wenn man diese Erklärungen in sächsischen und bayerischen
Schulen verwendete…
Inzwischen
ist es soweit, auch die deutschen Tumb-Bürger haben Zanzu entdeckt und laufen,
wie prognostiziert, Amok.
[….]
Shitstorm gegen Sexualkundeportal
[….]
Die Webseite Zanzu wird von Rechten mit
Droh- und Hassmails überschüttet. Der Grund: Sie bietet sexuelle Aufklärung für
Flüchtlinge.
Die Vorwürfe sind
unglaublich. Es gehe um die durch die deutsche Bundesregierung geförderte
„Zerstörung der weißen Rasse durch Rassenmischung“, behauptet die
rechtspopulistische US-Zeitschrift „The New Observer“. Unter einem Artikel der
ebenfalls rechtspopulistischen deutschen Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“
findet man garstige Kommentare über die „bebilderte Anleitung zum
Geschlechtsverkehr“. Und die AfD in Bayern prangert an, dass nach Auffassung
des Bundesministeriums für Gesundheit bei der Integration von Asylsuchenden das
Wissen um die richtige Stellung beim Sex mit einheimischen Frauen an erster
Stelle stehe.
[….] Dabei werden Fakten bewusst aus dem
Zusammenhang gerissen. Das gilt vor allem für die Piktogramme. Besonders am
Bild, das einen dunkelhäutigen Mann beim Sex mit einer weißen Frau zeigt,
entzündet sich die Wut der Rechtspopulisten. Dass Zanzu bei den Zeichnungen
auch komplett weiße und komplett schwarze Pärchen zeigt oder eine schwarze Frau
beim Sex mit einem weißen Mann, wird verschwiegen. [….]
"Wer hat schon Lust mit Pubertierenden in Hormonrausch eine Thema zu behandeln, das unweigerlich zu Lachattacken und Vulgarität führt?"
AntwortenLöschenWenn du nie Sexualkunde hattest, wie willst du das wissen? Bei uns lief das einigermaßen ruhig ab. Ich habe sogar eine Frage über das Jungfernhäutchen gestellt. Natürlich haben sich die Bullys aufgespielt. Aber das war mir egal. In dem Alter ist man eben neugierig.
Viel schlimmer war es, als Achtjähriger in die Vorstellung von "Rote Grütze" gehen zu müssen, um dort mit Erwachsenen-Fantasien von einem Orgasmus konfrontiert zu werden. Niemand hat erklärt, wozu so ein Orgasmus gut ist. Und falls doch, habe ich nicht ein einziges Wort davon verstanden. Ich erinnere mich nur noch daran, dass da ein Typ auf der Bühne mit Federn um sich geworfen hat. Schwachsinn! Aber damals experimentierte man noch mit der Aufklärung herum. Das war in den 70ern.