Dienstag, 8. März 2016

Wunderland USA

Nach wie vor stehe ich ja ein bißchen drauf mir auf CNN stundenlang den political-analyst-overkill reinzuziehen.
Glücklicherweise gibt es diese Runden mit bis zu zehn „Experten“ in Präsidentenwahljahren so viel man möchte.

Dabei handelt es sich im Grunde um einen Studio-Appendix der Spindoktoren.
Es geht um Wirkung, „maths“, „maps“, Taktik und Strategie.
Für Politjunkies ist das der richtig geile Stoff.

Strikt ausgeklammert bleiben allerdings Sachfragen, Konzeptionen, Pläne und die Realität.

Es ist also die praktische Entsprechung dessen, was ZEIT-Autor Felix Stephan mit „Tschüss Politik“ bezeichnet. Der Urnenpöbel soll gefühlig angesprochen werden und von der harten Realität verschont bleiben.
Obama entdeckte 2008 mit seinem wolkigen nie konkreten „Yes, we can“ den Nutzen des Mäanderns; Merkel ist diese Strategie längst zur zweiten Natur geworden.

Barack Obama und Angela Merkel haben den Boden bereitet, auf dem jetzt die neuen Rechten gedeihen. Sie haben die politische Debatte gegen eine Celebrity-Kultur getauscht. […]
Angela Merkel wurde immer wieder vorgeworfen, einen Wahlkampf zu führen, der eher den Gesetzen des Marketings als denen der politischen Auseinandersetzung folgte. Sie mied Interviews mit gut informierten Politikjournalisten und sprach lieber mit Auto Bild und der Apotheken Umschau. Sie sagte Rededuelle mit der Opposition ab und verbreitete stattdessen Fotos, die aussahen, als würden sie für Wellness- und Spa-Resorts werben. Mit Angela Merkel konnten die Deutschen ein gutes Gefühl nicht mehr nur kaufen, sie konnten es auch wählen.
Sowohl Obama als auch Merkel haben ihre Wahlkämpfe gewonnen, weil sie sich auf Debatten über konkrete Themen gar nicht erst eingelassen haben. Und aus einer rein erfolgspragmatischen Perspektive waren die Strategien genial. Ein Experiment des amerikanischen Sozialpsychologen Dan Kahan hat gezeigt, dass es in der Politik kaum etwas bringt, sachlich recht zu haben.

Wenn die Regierungschefs die Sachpolitik meiden und Probleme stets verschieben, erwarten offenbar weder Journaille noch Wahlvolk irgendetwas anderes. Auch sie urteilen nur noch nach Gefühl und dem taktischen Vorteil.
Angela Merkel verrät zur Bundestagswahl ihr Pflaumenkuchenrezept und plaudert mit Bild der Frau über Mode. Niemals würde sie sich den Redakteuren von MONITOR oder PANORAMA stellen, die gut informiert sind und nachfragen würden. Wenn es kritisch wird, geht Merkel als Höchstes der Gefühle zur CDU-freundlichen Anne Will in die sonntägliche Plauderrunde – auch dort natürlich verschont von ernsten Sachfragen.
Und so holte sie fast die absolute Mehrheit.

Im amerikanischen Wahlkampf geht es um Sympathie, Geschlecht, Religion, Rasse. Wen wählen die Schwarzen, wen die Frauen?
In der Außenpolitik spielen Fakten ebenfalls gar keine Rolle, da 99% der Amerikaner ohnehin zu ungebildet sind, die Zusammenhänge zu verstehen. Es wird lediglich bewertet wie hart ein Kandidat durchzugreifen behauptet. Bomb the shit out of ISIS (Trump), oder lieber bomben bis der Wüstensand glüht (Cruz)?
Ähnlich kann man bei der Gesellschafts- und Innenpolitik beobachten, daß lediglich bewertet wird wie extrem man sich für oder gegen Homo-Ehe, Abtreibung, Schulgebet, Haschischfreigabe, Waffenbesitz äußert.
Ob das überhaupt relevante Fragestellungen sind, wird nicht erörtert.

Besonderheiten gibt es in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik Amerikas.
Grundsätzliche Fragen werden nicht erörtert.

In den USA verfügen die 400 reichsten Bürger mittlerweile über so viel Vermögen wie die unteren 61 Prozent der US-Bevölkerung. Das Jahreseinkommen einer Durchschnittsfamilie sank dagegen in den vergangenen 20 Jahren um fast 5000 Dollar.


Die Spindoktoren in den TV-Studios akzeptieren die Aussage „I have a plan to fix the economy“.

Um die Wirtschaft in Schwung zu bringen, gibt es vier Hauptrezepte, die der GOP-Basis alle bekannt sind. Werden sie alle vier artig aufgesagt, heben die Analysten bei CNN erfreut die Daumen und loben, Kandidat Cruz/Trump/Rubio konnte seinen Plan erklären.

Mit der Realität haben die ökonomischen Pläne kaum Berührungspunkte, aber wen soll das wundern in einem Land, in dem eine Krankenversicherung als tödlich gilt, so daß sie von allen Christen unbedingt abgeschafft werden muß?

Republikaner-Wirtschaft ist reine Voodoo-Economy.

1.

Trickle Down Theorie.
Sie geht auf Adam Smith zurück und besagt, daß die Förderung der Reichsten im Lande der einzige Weg sei allen zu helfen, da ihr Vermögen für Investitionen verwendet würde. Damit „sickere“ das Geld quasi nach unten durch bis alle etwas davon haben. GOPer glauben fest daran. Daß die Realität das Gegenteil beweist, ist ihnen egal.

2.

Steuererhöhungen müssen für alle Zeit ausgeschlossen werden.
Fast alle Republikaner haben sich sogar bei Grover Norquist schriftlich dazu verpflichtet jede Steuer abzulehnen und sich damit selbst enteiert.
Steuersenkungen gelten grundsätzlich als kostenneutral, da sie sich selbst finanzierten. Schließlich würde durch den Wegfall von Steuern umso mehr die Wirtschaftskraft ansteigen.

Seit 1985 leitet Norquist die auf Anregung seines Idols Ronald Reagan gegründete Lobby-Organisation Americans for Tax Reform. Seinen Einfluss verdankt der 56-Jährige seiner simplen Vorstellung einer Steuerreform: Sie besteht darin, unter keinen Umständen Abgaben zu erhöhen.
Dafür hat sich der Harvard-Absolvent eine Strategie ausgedacht: Er fordert Abgeordnete auf, einen Eid zu unterzeichnen, dass sie niemals einer Steuererhöhung zustimmen. 279 Republikaner in Senat und Repräsentantenhaus haben "the pledge", wie der Schwur in der Hauptstadt genannt wird, abgelegt (Übersicht hier). Sie wissen, dass Norquist, den Arianna Huffington "den schwarzen Magier des Anti-Steuer-Kults" nennt, darauf achtet, dass niemand von der reinen Lehre abweicht.

3.

Abolish the IRS
Internal Revenue Service (IRS) ist die Bundessteuerbehörde der Vereinigten Staaten.
Teebeutler wie Ted Cruz wiederholen manisch diesen Spruch. Millionen unterschreiben Petitionen des Inhaltes „COMPLETELY ELIMINATE THE INDIVIDUAL FEDERAL INCOME TAX FOREVER!”


Dabei handelt es sich um eine Art Friedrich-Merz-auf-Speed.
Cruz, seine ultrakonservativen Freunde aber auch Rand Paul zum Beispiel glauben fest daran man könnte die IRS einfach abschaffen und niemand müßte mehr Steuererklärungen ausfüllen, die nicht auf eine simple Postkarte passten, weil alles von einem einzigen Flattax-Tarif geregelt würde.
Es gibt gewiss auch in Deutschland genügend Irre, aber bisher habe ich noch nicht gehört, daß jemand die Finanzämter gleich komplett abschaffen will.



4.

Ausgeglichener Haushalt unter allen Umständen.
Das gelingt nach Republikaner-Logik am einfachsten, indem der Staat massiv die Militärausgaben erhöht.
2014 gab die Regierung Barack Obamas 610 Milliarden Dollar für das Militär aus.
Das ist nach Ansicht aller Republikaner viel zu wenig und gehört mindestens verdoppelt.

Wenn es Ted Cruz wie bei der letzten GOP-TV-Debatte schafft mehrfach diese vier Punkte sauber aufzusagen, Abschaffung der IRS, Steuersenkungen für die Reichsten, keine neuen Steuern und massive Mehrausgaben für die Militärs, loben die Spindoktoren einstimmig, er habe alle seine Programmpunkte genannt. Er sei seriös und wirtschaftlich kompetent.

In Kombination mit genügend außenpolitischer Brutalität, Menschenverachtung (mehr Folter als nur Waterboarding, Todesstrafe, Rausschmiss aller Immigranten, etc), Bekenntnis zu Waffen und gegen Gleichstellung, sowie des sofortigen Endes aller Obamacare-Krankenversicherungsverträge sieht so ein idealer US-Präsident aus.
Wenn man Republikaner ist.








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