Sonntag, 9. Juli 2017

Wer ist der härteste Hund?

Zunächst einmal eine gute Meldung aus Sicht eines SPD-Genossen.

Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz sind doch nicht tot oder nach Neuseeland ausgewandert, wie ich schon befürchtete, weil ich seit Wochen, bzw Monaten wirklich gar nichts mehr von ihnen hörte.
Eine seltsame Wahlkampfstrategie des Kanzlerkandidaten sich völlig aus den Medien heraus zu halten.

[…..] Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier informiert sich zurzeit in Hamburg. Er bedankte sich in einem Statement vor den Messehallen bei den Polizisten für ihren Einsatz beim G20-Gipfel. Zu den Krawallen sagte er, ein solches Ausmaß an Gewalt habe man in den letzten Jahren nicht erlebt. Er sprach von "maßloser Zerstörungswut". Steinmeier verteidigte die Entscheidung, den G20-Gipfel in Hamburg abzuhalten. "Wenn ein demokratisch gefestigtes Land wie Deutschland sich nicht mehr in der Lage sieht, internationale Gäste einzuladen und Konferenzen wie diese auszurichten, dann gerät mehr in Gefahr als nur eine einzelne Konferenz. Dann überlassen wir die Entscheidung und die Auswahl, was hier in Deutschland stattfindet, einigen wenigen brutalen Gewalttätern, die wir hier in Hamburg gesehen haben." […..]

[….] "Die Bilder aus Hamburg sind erschütternd", so Schulz. "Das ist sinnlose, widerwärtige Gewalt." An den Krawallen seien nicht nur Chaoten aus Deutschland beteiligt gewesen. "Das waren organisierte Gewalttäter aus ganz Europa. Die Gewalt hat eine völlig neue Dimension", sagte Schulz. "Wir haben es hier mit Mordbrennern zu tun - mit Gewalttätern, die Mordversuche vorbereiteten und brandschatzend durch die Straßen zogen." Die Verantwortlichen müssten mit der ganzen Härte des Rechtsstaats verfolgt und bestraft werden. [….]

Jetzt geht die politische Schlacht los. Endlich, so glaubt die Hamburger Opposition, hat sie einen Hebel gegen den übermächtigen und extrem beliebten SPD-Bürgermeister in der Hand. In maximaler Erbärmlichkeit hatte sich der Grüne Koalitionspartner, der bis vorgestern den G20 unterstützte und kein kritisches Wort zur Sicherheitsaspekt über die Lippen brachte in die Büsche verdrückt.
CDU-Fraktionschef Trepoll fordert Arm in Arm mit den Linken den Rücktritt von Olaf Scholz und des Innensenators Andy Grote.

 [….] SPD: Verhalten der CDU unerträglich
Zu den Rücktrittsforderungen an Scholz sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel: "Es ist unerträglich und unverantwortlich, wie die CDU versucht, parteipolitisch aus den abscheulichen Krawallen Kapital zu schlagen." Für die Gewaltexzesse seien einzig und allein die Gewalttäter verantwortlich - niemand sonst. "Gerade die Hamburger CDU, die mit ihrer Kanzlerin den Gipfel in ihre Geburtsstadt Hamburg holen wollte und deren Bundesinnenminister das Sicherheitskonzept gelobt hat, sollte sich zu ihrer eigenen Gesamtverantwortung bekennen - alles andere ist heuchlerisch." [….]
(NDR, 09.07.17)

Es ist offensichtlich, daß sich Scholz heftig vergaloppiert hat.
Aber immerhin war es nun mal Angela Merkel, die den Gipfel unbedingt in Hamburg abhalten wollte. Als Bürgermeister der so geehrten und ausgekorenen Stadt zu sagen "Nö, da haben wir keinen Bock drauf" wäre ebenfalls eine sehr schlechte Option gewesen.
Dann wären CDU und FDP über ihn hergefallen und im Wahlkampf hätte man sich ewig anhören müssen, daß der SPD sicherheitstechnisch nicht zu trauen sei, daß sie sich vor dem linken Mob kapituliere.
Und hätte ein CDU-Bürgermeister Trepoll etwa zu seiner Kanzlerin und Parteichefin gesagt „such dir gefälligst eine andere Stadt für deine Gipfel-Show?“


A posteriori meine ich schon, daß Scholz besser "Nein" gesagt hätte, aber an ihm hätte dann erst recht das Loser-Image geklebt. Es war eine no-win-Situation.
Gegen die Guerilla-Taktik der organisierten G20-Protestierer, die mal in schwarz Pflastersteine werfen, dann blitzschnell umgezogen sich in bunt unter friedliche Demonstranten mischen gibt es in einer 1,9 Millionen-Stadt auf 756 km2 ohnehin keine Polizeitaktik, die funktioniert – solange man sich in einem demokratischen Rechtsstaat befindet und nicht wie in China oder Saudi Arabien vorgehen kann.


Olaf Scholz ist einer der besten Bürgermeister, die wir je hatten. Hamburg ist deutlich besser regiert als vorher von der CDU. Schon daher möchte ich ihn weiterhin im Amt sehen.
Wir haben da auch keine personelle Alternative.

Innenpolitisch und wahlkampfpolitisch ist der G20 in Hamburg mit 476 verletzten Polizeibeamten und einem sehr dürftigen Output noch nicht ausgestanden.
Nun gilt es sich die Schuld gegenseitig zuzuschieben.
Dabei scheißt die SPD nach bewährter Tradition in jede Hose, die man ihr hinhält (Hildebrandt). Die Angst in Zeiten von Terrorismus und IS als sicherheitspolitischer Warmduscher dazustehen, ist gewaltig.
 In Zeiten vom „Supergundrecht auf Sicherheit“ (Hans Peter Friedrich) überbieten sich jetzt die Parteivertreter mit Verdammungen der Schwarzen Blocker, die spanisch oder italienisch parlierend mit 300-Euro-Sneakern und hervorlugenden Calvin-Klein-Unterhosen eine Budnikowski- und eine REWE-Filiale niedermachten.

Besonders billig machen es die Politiker, die nun nach „Bestrafung der Täter“ rufen.

Ein Glück, daß Polizei und Staatsanwaltschaften diese Idee nahe gebracht wird. Vermutlich wären sie von sich aus gar nicht auf die Idee bekommen, daß es irgendwie strafbar sein könnte Autos anzuzünden oder Polizisten mit Zwillen niederzuschießen.

Wolfgang Bosbach ist so einer, der sich billig Applaus abholt.

[….] In einem Interview mit „n-tv“ stellte Bosbach gleich klar, wer für ihn die Schuld an den Ausschreitungen trägt – und wer nicht: „Schuld sind die Chaoten und Kriminellen, nicht die Mehrzahl der friedlichen Demonstranten. [….] „Greift die Polizei hart durch, wird am nächsten Tag Polizeigewalt kritisiert. Ist die Polizei nicht an allen Orten zur gleichen Zeit, was sie gar nicht sein kann, wird sofort kritisiert, dass die Polizei nicht konsequent durchgegriffen hat. Man muss der Polizei jetzt den Rücken stärken!“, so Bosbach. [….]

Danke Bosbach! Endlich mal einer.
Die anderen Politiker fordern ja alle, daß man mit Strafen für Gewalttäter möglichst inkonsequent sein sollte. Daß Polizisten gegen Steinewerfer und Randalierer sehr nachsichtig zu behandeln wären. Alle anderen Politiker sind ja der Meinung es wäre richtig und wichtig mal einen Renault Twingo abzufackeln, um den Weltfrieden zu bewirken.
Bosbach ist für mich einer der ekelhaftesten Politiker, weil er immer wieder mit dieser „Man wird doch wohl noch sagen dürfen“-Emphase die größten Banalitäten von sich gibt, um sich beim Publikum anzubiedern.
Damit vergiftet er das politische Klima, indem er latent anderen unterstellt, sie hätten Sympathien für Kriminelle.

Der arme Martin Schulz, leider mehr und mehr ein Totalausfall, warf sich nun mit seiner oben schon genannten Mordbrenner-Sätzen dem Urnenpöbel an den Hals, statt irgendetwas Konstruktives zu sagen.

Ähnlich peinlich bedauerlicherweise auch der mittlerweile mit Angela Merkel zusammen beliebteste Politiker in Deutschland; Vizekanzler Gabriel.

[….] „Den Tätern "aus allen Teilen Europas" sei es nur "um Gewalt an sich" gegangen, schreibt Gabriel weiter. Sie unterschieden sich "überhaupt nicht von Neonazis und deren Brandanschlägen". […..]
(BamS, 09.07.17)

Natürlich kommt das gut an beim Wähler.
Es ist aber sachlich völlig falsch.

Sigmar Gabriel hatte sich so gut entwickelt in den letzten Monaten.
Er gab fast nur sinnvolle Statements ab, war präsent und nach dem unauffälligen Steinmeier war eine Zierde für sein Amt.
Aber heute so ein Klopper in der BAMS!

Rechtsradikale Anschläge auf Flüchtlingsheime richten sich gezielt gegen die Schwächsten und Traumatisierten, gegen Ausgegrenzte, die alles verloren haben.
Rechtsradikale gehen grundsätzlich auf Minderheiten ohne Lobby los, die eben nicht genügend geschützt werden. Rechtsradikale Opfer sind immer die Wehrlosesten.
Rechtsradikale wollen dabei gezielt Menschen verletzen und töten.

Der "schwarze Block" ist keineswegs aus Philanthropen zusammengesetzt, aber immerhin lässt er die Schwachen in Ruhe.
Er greift nicht gezielt Schwule, Juden, Obdachlose, Dunkelhäutige oder Ausländer an.
Der "schwarze Block" agiert nicht rassistisch, nicht homophob, antisemitisch oder xenophob.
Der "schwarze Block" ist auch nicht feige, indem er sich heimlich an die Schwachen heran macht.
Der "schwarze Block" bastelt auch keine Bomben oder Geschosse, mit denen gezielt schlafende Kinder oder Frauen umgebracht werden sollen, so wie es die Rechtsradikalen jeden Tag in Deutschland machen.

[…..] „Fast 1000-mal wurden im vergangenen Jahr in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte attackiert. Dazu hat es laut Bundesinnenministerium mehr als 2500 Angriffe auf Flüchtlinge gegeben.
2016 hat es in Deutschland mehr als 3500 Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte gegeben. Dabei wurden 560 Menschen verletzt, unter ihnen 43 Kinder, wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Sonntag unter Berufung auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage berichtet.
Demnach wurden 2545 Angriffe auf Flüchtlinge außerhalb ihrer Unterkünfte gezählt. Hinzu kamen 988 Angriffe auf Flüchtlingsheime - das waren nur geringfügig weniger als im Vorjahr mit 1031 Angriffen. Zudem wurden 217-mal Hilfsorganisationen oder freiwillige Asyl-Helfer attackiert.
"Das sind nahezu zehn Taten am Tag", sagte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion.“ [….]

Wo bleibt die massive Verurteilung durch die gesamte deutsche Politprominenz bei den 3.500 Angriffen auf Flüchtlinge in Deutschland?

Ich hätte nicht gedacht, daß sich Gabriel dazu hinreißen lässt links- und rechtsradikale Gewalt gleichzusetzen.
Das ist wirklich erbärmlich und nötigt MICH jetzt dazu den schwarzen Block zu verteidigen, unter dem ich als Hamburger jetzt selbst drei Tage litt und für den ich keine Sympathien hege.
Das nehme ich Sigmar Gabriel heute übel!

[…..] „Die Krawalle am Rande des G20-Gipfels in Hamburg schaden nach Ansicht von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) Deutschlands Ansehen in der Welt. "Deutschlands Bild in der internationalen Öffentlichkeit wird durch die Ereignisse in Hamburg schwer in Mitleidenschaft gezogen", schreibt Gabriel in einem Gastbeitrag für die "Bild am Sonntag". Es habe eine "Orgie an Brutalität" gegeben. Die unfassbare Gewalt dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Den Tätern "aus allen Teilen Europas" sei es nur "um Gewalt an sich" gegangen, schreibt Gabriel weiter. Sie unterschieden sich "überhaupt nicht von Neonazis und deren Brandanschlägen". Mit angeblich linken Motiven habe das nichts zu tun. Gabriel forderte eine europaweite Zusammenarbeit bei der Fahndung nach den Straftätern. Dafür müssten "alle möglichen rechtsstaatlichen Mittel eingesetzt werden". "Der demokratische Rechtsstaat muss jetzt seine Wehrhaftigkeit beweisen", forderte Gabriel.“ […..]

Was für ein wohlfeiles Blabla, wenn es nichts kostet und man sich ohnehin der Zustimmung von 95% der Leser sicher ist. JETZT muß der demokratische Rechtsstaat wehrhaft sein? Sonst etwa nicht?
Schulz und Gabriel go Bosbach. Pah.

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