Abgesehen
von Trump, der alle anderen mit Bösartigkeit und Dummheit übertrifft gab es für
mich im September ein ganz großes politisches Ärgernis.
Die Impudenz
des Monats ist für mich das offenbar bis tief in die roten und grünen Parteien hineingerutschte
Verständnis dafür die AfD zu wählen.
Alle
Bundestagsparteien nehmen offenbar die 13% der Wähler, also gerade mal 5.877.094
Menschen, die 9,5% der Wahlberechtigten und 7,2% der Deutschen entsprechen
ernster als 93% der Bevölkerung, die nicht AfD wählten.
AfDler
sind laut und unangenehm. Aber aus demokratischer Sicht sind sie eine eher
kleine Minderheit.
[….]
Über eine Mehrheit, in Baldwins Sinne,
verfügt, wer beeinflussen kann wie oder worüber gesprochen wird, welche Formen
des Umgangs miteinander, welche Praktiken und Überzeugungen als normal gelten.
Über eine Mehrheit
verfügt derjenige, der bestimmt, worüber gesprochen wird
Vielleicht ist das die
beunruhigendste Fehlentwicklung der vergangenen Jahre: die eklatante Diskrepanz
zwischen der realen, numerischen Größe der AfD und ihrem Einfluss darauf, wie
wir miteinander umgehen und welche Sprache, welche Überzeugungen (wieder) als
normal oder akzeptabel gelten können. Wann immer von Krise der Repräsentation
gesprochen wurde, galt es als ausgemacht, dass damit die fehlende
Aufmerksamkeit für die Wütenden gemeint sei. Es war eines der wiederkehrenden
dramaturgischen Elemente der Erzählung der Rechten, dass sie sich als nicht
ausreichend wahrgenommen behaupteten.
Nach den Wahlen stellt
sich nun stattdessen die Frage, ob sich die Krise der Repräsentation nicht
vielmehr darin zeigt, dass diejenigen, welche die überwältigende Mehrheit stellen,
nicht ausreichend beachtet werden; dass diejenigen ignoriert werden, die ihre
politischen Interessen, ihre sozialen Nöte, ihre demokratischen Sehnsüchte eben
nicht in lautes Ressentiment und Rassismus umgewandelt sehen wollen; dass nicht
zuletzt diejenigen nicht adäquat repräsentiert werden, die von diesen
völkischen Fantasien der Rechten bedroht sind, jeden Tag, weil sie anders
aussehen oder heißen, anders glauben oder anders lieben, als es der nationalistischen
Minderheit gefällt.
Vielleicht ist dies
die traurigste Fehlentwicklung der vergangenen Jahre: dass die demokratische
Mehrheit der 87 Prozent sich ohnmächtig fühlt im Angesicht einer sich
radikalisierenden Minderheit, die mit ihrer Taktik der Disruption und
Enttabuisierung jede ernsthafte Auseinandersetzung unterläuft. [….]
Es
wundert mich nicht mehr wenn CDU- und CSU-Politiker nun der AfD hinterherlaufen wollen, obwohl
gerade die Landesverbände, die das am stärksten taten die größten Verluste hinnehmen mußten.
Es
bleibt eine numerische Absurdität, wenn die Bundestagsparteien ausgerechnet
einer schrillen rechten Minderheit als Impulsgeber empfinden und die gewaltige
Mehrheit derjenigen, die nicht AfD wählten weniger in den Fokus nehmen.
Noch
problematischer ist es aber, daß mit der Themensetzung der AfD eine
rassistisch-xenophobe Gruppe aus einer Nebenrealität als regulärer politischer
Wettbewerber aufgewertet wird. Es handelt sich aber bei AfD-Positionen nicht um
Varianten von Steuer- oder Gesundheitskonzeptionen, sondern um prinzipielle
Menschenfeindlichkeit, die auch noch im außerordentlich unangenehmen Gewand
daher kommt.
Ich sehe
nicht nur keine Notwendigkeit sich die Positionen dieser HAU-AB-Kreischer zu
eigen zu machen, ich verlange von demokratischen Politikern, daß sie
kontinuierlich gegen das Pack argumentieren.
Politiker
wie Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht sind Enabler, wenn sie auf die
soziale Konkurrenz von Flüchtlingen und deutschen Geringverdienern verweisen.
Sie sind
moralisch auf dem Holzweg, wenn sie aus diesem konstruierten Gegeneinander den
Schluss ziehen die lästige soziale Flüchtlingskonkurrenz auszusperren und
abzuschieben.
Sie
folgen einer verwerflichen Ethik, weil sie suggerieren, es wäre natürlich
Menschen zu hassen und bösartigen Xenophoben nachzulaufen, wenn man um die Höhe
seines HartzIV-Satzes fürchtet.
[….]
Der Schlüssel für diese mangelnde
Unterstützung durch diejenigen, die sich am unteren Ende der Einkommensskala
befinden, ist die verfehlte „Flüchtlingspolitik“. [….] Die soziale Gerechtigkeit
verpflichtet dazu, denen zu helfen, die darauf am meisten angewiesen sind. Man
darf die Lasten der Zuwanderung über verschärfte Konkurrenz im
Niedriglohnsektor, steigende Mieten in Stadtteilen mit preiswertem Wohnraum und
zunehmende Schwierigkeiten in Schulen mit wachsendem Anteil von Schülern mit
mangelnden Sprachkenntnissen nicht vor allem denen aufbürden, die ohnehin
bereits die Verlierer der steigenden Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen
sind. Die Erfahrung in Europa lehrt: Wenn diese Menschen sich nicht mehr durch
linke bzw. sozialdemokratische Parteien vertreten fühlen, wählen sie in
zunehmendem Maße rechte Parteien.
[….]
Nur eine Minderheit schafft es, mehrere
Tausend Euro aufzubringen, mit denen man Schlepper bezahlen kann, um nach
Europa und vorwiegend nach Deutschland zu kommen. [….] Man hilft unstreitig viel mehr Menschen, wenn man die Milliarden, die
ein Staat ausgibt, um das Schicksal der Ärmsten dieser Welt zu verbessern, dazu
verwendet, das Leben in den Lagern zu erleichtern und Hunger und Krankheit in
den Armutsgebieten zu bekämpfen. [….]
Eine linke Partei darf
bei der Hilfe für Menschen in Not das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit nicht
außer Kraft setzen. Und bei den innerparteilichen Auseinandersetzungen hilft
ein Blick auf die Wahlergebnisse. Wer bei Arbeitern und Arbeitslosen so wenig
Unterstützung findet (und das war 2009 noch anders!), muss endlich darüber
nachdenken, woran das liegt. [….]
Und als
direkte Antwort:
Ich bin seit vielen Jahren arbeitslos,
lebe von Hartz 4 und bin aufgrund gesundheitlicher Einschränkung auch nicht
mehr voll arbeitsfähig und somit kaum vermittelbar fürs Jobcenter! Und ich
lasse mich von Ihnen nicht als Spielball missbrauchen von Ihrer
flüchtlingsfeindlichen Stänkerei! Ich lasse mich nicht gegen Flüchtlinge
ausspielen, merken Sie sich das Herr Lafontaine!
Lafontaine
leistete sich keinen einmaligen Ausrutscher; er ist
Wiederholungstäter.
Schon
2005 in Chemnitz verwendete er Nazi-Vokabular und sprach von FREMDARBEITERN.
2007
trieb Lafontaine es soweit, daß die NPD ihre Gemeinsamkeiten betonte.
Beim
Thema schnelle, brutale Abschiebungen übertrifft er CSU und AfD.
Unglücklicherweise
deklamiert Sahra Wagenknecht auch manchmal AfD-Sprech,
seit sie Lafontaine heiratete. Früher kamen ihre keine rechten Trigger über die
Lippen.
Lafontaine
will möglichst viele Flüchtlinge rauswerfen, um sich bei den AfD-Wählern
anzubiedern. Ich halte das für hochgradig verwerflich.
Wenn nun
auch Andrea Nahles vereint mit Andreas Scheuer, Alexander Gauland und Oskar
Lafontaine einen „härteren Kurs gegen Flüchtlinge“ fordert,
trifft sie hiermit meine entschiedene Verachtung.
Shame on
you, Nahles!
Der
fundamentale Unterschied zwischen Sympathisanten linker und rechter Ideologie
ist, daß die einen sich mit den Schwachen solidarisieren und mit ihnen gegen
die Starken kämpfen, während die anderen auf die Schwachen einprügeln und die
Mächtigen stärken.
Wenn einer
wie Trump mustergültige rechte Politik betreibt, also Billionen Dollar in die
Portemonnaies von Millionären umleitet und täglich Schwarze, Transgender,
Ausländer, Schwule und Hurrikanopfer beschimpft, erwarte ich von „Linken“, daß
sie sich dem vehement entgegenstellen und nicht etwa die Ressentiments
aufnehmen, indem sie überlegen, ob nicht Schwarze tatsächlich stinken und
Schwule nicht doch weggesperrt werden könnten.
Wer in
Deutschland sehr wenig verdient und eine zu kleine Wohnung hat, sollte sich als
Linker mit Flüchtlingen schon deswegen solidarisieren, weil sie beide im selben
Boot sitzen und gemeinsam stärker sind.
Wer als
finanziell schwacher Nachbar von Heimatvertriebenen aber Verständnis für
Brandanschläge äußert, Bernd Höckes rassistischen Thesen applaudiert und einen
AfD-Spitzenkandidaten wählt, der stolz auf den Vernichtungskrieg der Wehrmacht
ist und Türkischstämmige „nach Anatolien entsorgen“ will, der fürchtet nicht „soziale
Konkurrenz“, sondern ist ein riesengroßes Arschloch.
Aus
grundsätzlichen moralischen Überlegungen kann ich ohnehin nicht nachvollziehen,
wieso jemand, der rein zufällig in einem reichen Land ohne Krieg geboren wurde
für immer und ewig besser gestellt sein soll als jemand, der rein zufällig in
einem armen Kriegsgebiet zur Welt kam. Beide haben daran keinen Verdienst.
Willkürlich von Menschen gesetzte Grenzen können doch nicht ernsthaft noch im
21. Jahrhundert als Rechtfertigung dafür herhalten, daß wir Milliardenüberschüsse
horten, während jenseits der Grenzen Myriaden Kinder verhungern.
Es ist
aber noch dramatischer, denn wir sitzen nicht nur rein zufällig auf der
reicheren Seite der Grenzen, sondern wir haben auch noch einen gehörigen Anteil
daran, daß es denjenigen auf der anderen Seite schlecht geht. Wir profitieren
finanziell von ihnen, exportieren Waffen, fischen Afrikanern die Meere leer,
verkaufen unser Hühnerklein in Hungerländer.
Es gibt
den humanitären Aspekt, die deutsche Vergangenheit, deutsche Mitverantwortung
an den Migrationsursachen und außerdem die Unmöglichkeit Tausende Wasserleichen
im Mittelmeer zu akzeptieren.
Nun ist
es aber nicht nur unmoralisch aus einer finanziellen Konkurrenz zum Nazifreund
zu werden, sondern es handelt sich ohnehin um einen Popanz.
Die
Aufnahme von Flüchtlingen kommt zunächst einmal einem Konjunkturprogramm nahe.
Es wird staatliches Geld ausgegeben. Dadurch entstehen Jobs, es wird gebaut, es
wird Nachfrage generiert. Die konjunkturelle Belebung durch Migration ist in
Deutschland durchaus messbar.
Und auf
lange Sicht sind die Neubürger ohnehin ein Segen für das alternde Deutschland,
welches jetzt schon viele ausgeschriebene Stellen nicht besetzen kann.
[….]
Die Bundesagentur für Arbeit hält den
deutschen Arbeitsmarkt für stark genug, um eine große Zahl von Flüchtlingen
aufnehmen zu können. "350.000 Flüchtlinge jährlich sind für den deutschen
Arbeitsmarkt rein quantitativ derzeit kein Problem, denn jährlich entstehen
rund 700.000 Arbeitsplätze neu", sagte BA-Vorstand Detlef Scheele der
"Welt". Eine Konkurrenz zu arbeitslosen Deutschen sieht er im
Regelfall nicht: "Dafür ist die Gruppe der Migranten zu klein." [….]
Auch wenn es anders wäre, würde ich mich klar für die Aufnahme von Heimatvertriebenen
einsetzen; dafür gibt es die schon genannten zwingenden Gründe.
Hinzu
kommt aber auch noch:
Flüchtlinge
sind keine finanzielle Last, sondern kurz- und langfristig ein ökonomischer
Segen.
Damit es
auch ein AfD-Wähler kapiert, noch einmal simpel herunterformuliert:
Flüchtlinge nutzen mehr als sie kosten.
Flüchtlinge nutzen mehr als sie kosten.
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