Freitag, 6. Oktober 2017

Quellenangabe

Manche dubiosen Verschwörungstheoretiker-Plattformen klingen genauso unseriös wie sie sind.
„Netzfrauen“, „Info Wars“, „Russia Today“, „Philosophia Perennis“ oder „Politically Incorrect“ sollten jeden sofort abschrecken, selbst wenn man noch gar nicht weiß, wer dahinter steckt.

Ein sehr schlechtes Zeichen ist es, wenn diese der Realität völlig Entrückten nur von Ihresgleichen zehren.
Der rechtsradikal-klerikal-islamophobe Hassblogger David Berger verbreitet beispielsweise über seine PP-Plattform weiterhin die Lüge, daß Las-Vegas-Attentäter Stephen Paddock ein Fall von „Allahu-Akbar-Terror“ wäre und im Auftrag des IS gehandelt habe.
Der Urinduscher belegt das dreifach seriös, indem er sich

1.) Auf den ehrlichste Präsidenten der Welt, nämlich Trump,
2.) Dessen angeblichen Ex-Berater James Brower, den außer Berger keiner kennt und
3.)  Einen Tweet von Alex Jones‘ „Infowars“-Mitarbeiter Paul Joseph Watson

bezieht.

Die lächerliche Auflistung bekommt das endgültige Trottelzertifikat aber auch durch die Verwendung der klassischen Pegioten-Trigger-Begriffe wie „Nannymedien“ und „Allahu-Akbar-Terror“ in Kombination mit Rechtschreibfehlern „IS-Propaganvideo“.

[….] „Die Krampfhaftigkeit, mit der Sicherheitsbehörden und Nannymedien jeden Zusammenhang des LasVegas-Massenmörders mit der Isis zurückwiesen, die Aggressivität, mit der deutsche Journalisten auf die bloße Bekanntmachung der IS-Stellungnahme zu Las Vegas reagierten, war bereits höchst auffällig.
Nun kommen sie in besondere Bedrängnis. James Brower, einer von Donald Trumps bekanntesten „Campaign Officials“ hat in mehreren Tweets der vergangenen Nacht behauptet, dass Paddock kurz vor dem Massaker ein Video aufgenommen hat, in dem er sich zum „Islamischen Staat“ bekennt.
Zu den Informationen aus Sicherheitskreisen ließ er wissen: „Ich habe erfahren, dass das Video grundsätzlich von einem Netzwerk spricht, man wollte mir nicht direkt sagen, ob es ISIS war, aber sie gaben kleine Hinweise darauf, dass es IS war“, sagte Brower zu dem Portal „Infowars„. [….]

Das sind die einfachen Fälle.
Das sind offensichtlich keine glaubhaften „Informationen“.

Schwieriger ist es bei Unsinns-Verbreitern wie „Deutsche Wirtschaftsnachrichten“.
Der Name klingt zunächst einmal seriös. Dennoch ist „DWN“ eine Verschwörungstheoretiker-Plattform.

Grundsätzlich seriös wirken Magazine der großen Verlage, die über alle Kanäle verbreitet werden.
Der Focus aus dem Hause Burda kommt als gedrucktes Heft mit einer Auflage von 440.000 Exemplaren, Focus TV auf SAT1 und natürlich Focus-online.

Auch Sozialdemokraten, Linke und Grüne verbreiten guten Gewissens Focus-News über die sozialen Medien.
Aber Achtung, der Herausgeber und Gründungschefredakteur Helmut Markwort geht für seine rechtskonservative Weltsicht weit über die Fakten hinaus, verbreitete immer wieder Falschmeldungen. Schon vor 22 Jahren wurde er dafür von Roger Willemsen böse auseinandergenommen.
Besser geworden ist es nicht; so verbreitete Markwort in seiner eigenen Talkshow im Mai 2016 Gabriel werde in wenigen Tagen zurücktreten, damit Olaf Scholz neuer SPD-Vorsitzender werden könne, er wisse das aus sicherer Quelle.
Blanker Unsinn, wie wir heute wissen.
Der Focus recherchiert nicht sauber. Focus-Online geht noch einen Schritt weiter und verbreitet nicht nur unseriöse Artikel, sondern verbindet das mit einer dezidiert ausländerfeindlichen Grundstimmung.
Im Herbst 2015 steigerte Focus Online seine Präsenz in auf Facebook und Twitter so sehr, daß sogar BILD-Online überholt wurde, indem fast nur noch flüchtlingskritische Berichte verbreitet wurden.

Rechte klassische Medien kann und soll man aber auch konsumieren, wenn man weiß welche Absicht dahinter steckt.

Das größte Problem stellen Quellen dar, die als unabhängig, wissenschaftlich und sehr seriös daherkommen.

Sehr lange wurden die Analysen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) als Stimme der Vernunft von allen Medien verbreitet.
INSM-Propaganda trug maßgeblich zur Kanzlerschaft Merkels bei, indem Anfang der 2000er Jahre systematisch von SPIEGEL bis FAZ auf RotGrün geschossen wurde.
Damals war noch nicht allgemein bekannt, daß die INSM eine vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanzierte schwarz-gelbe Lobbyvereinigung ist, die sich von Michel Glos, Edmund Stoiber, Lothar Späth, Wolfgang Clement, Paul Kirchhoff, Martin Kannegießer, Arnulf Baring, Roland Berger und Co vertreten ließ/läßt.

[….] Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist eine marktliberale Lobby-Organisation, die von den Unternehmerverbänden der Metall- und Elektroindustrie (Gesamtmetall) finanziert wird. Sie will u.a. erreichen, dass der Arbeitsmarkt und das Bildungswesen stärker an den Bedürfnissen von Unternehmen ausgerichtet werden.
Das operative Geschäft wird von der INSM GmbH betrieben, deren Alleingesellschafter das Institut der deutschen Wirtschaft ist. Die INSM verfügt 2017 über einen Jahresetat von sieben Millionen Euro, die von Gesamtmetall zur Verfügung gestellt werden. [….]

Noch weniger kritisch wird bis heute die FDP-Lobbyorganisation „Bund der Steuerzahler“ (BdSt) gesehen.

Stellt der Verein ein neues „Schwarzbuch der Steuerverschwendung“ vor, verbreiten fast alle Medien diese Informationen, als handele es sich um streng wissenschaftliche Erkenntnisse.

[….] Der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin, welcher als Lobbyakteur in der Verbändeliste des Deutschen Bundestages registriert ist und als Vereinszweck Steuersenkungen, den Abbau von Bürokratie und Staatsverschuldung sowie eine sparsame Verwendung von Steuergeldern angibt.
Der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. wurde 1949 u.a. von dem Finanzwissenschaftler Karl Bräuer gegründet. Der Gründung des Vereins auf Bundesebene war die Gründung von Landesverbänden in den drei westlichen Besatzungszonen vorausgegangen. Die Lobbytätigkeit des BdSt ist auf eine Beeinflussung der Fiskal- und Wirtschaftspolitik im Sinne des Neoliberalismus gerichtet. Heute ist der BdSt eine der größten Steuerlobbyorganisationen der Welt. [….]

Bevor man sich also alljährlich über die schlimmen Steuerverschwendungen rotgrüner Politiker empört, sollte man die Fälle genau prüfen und sich bewußt sein, mit welcher Absicht das „Schwarzbuch“ erstellt wird.

Besonders hohe Wellen schlägt heute die BdSt-Kritik am Hamburger „Goldhaus“ auf der Veddel.
Dabei handelt es sich um ein meiner Meinung nach großartiges Projekt, das für vergleichsweise sehr wenig Geld enorme Aufmerksamkeit auf einen multikulturellen, sehr armen, aber auch bei seinen Bewohnern beliebten Hamburger Stadtteil lenkt.
Zudem handelt es sich um Kunst.
Der Staat soll und muss Kultur fördern. Was genau Kunst ist und wieviel sie kosten darf ist grundsätzlich nicht zu definieren. Das ist ja gerade das Wesen der Kunst, daß sie „überflüssig“ ist und uns auf nicht materielle Weise erquickt.

Zum Glück habe ich immer noch mein MoPo-Abo. Gelegentlich kommt es vor, daß die kleine, unwichtige Regionalzeitung mal einen richtig guten Kommentar schreibt, den ich gern auch bei den großen überregionalen Medien lesen würde.
Heute wird dort die eigentliche Tätigkeit des BdSt beschrieben: Sich wichtigmachen und populistisch Politikerbashing betreiben

[….] Na klar, wird wieder auf dem goldenen Haus rumgehackt. So, als wäre der BdSt berufen zu entscheiden, was Kunst ist, was nicht.
  Der BdSt hat keinen öffentlichen Auftrag.   Er verfolgt nicht einmal die Interessen der Mehrheit der Steuerzahler. Im Gegenteil.   Im Grunde  ist er eine „Tarnorganisation, die knallharte neoliberale Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit im Interesse von mittelständischen Unternehmen und besser Verdienenden betreibt“, so der Publizist Wolfgang Lieb.
 Der BdSt spielt gerne den Saubermann. Und reagiert empfindlich, wird er an seine Vergangenheit erinnert. Etwa daran, was für dubiose Geschäfte er einst mit der Hamburg-Mannheimer (später Ergo) machte. Die komplette Mitgliederwerbung des BdSt wurde jahrzehntelang von getarnten Versicherungsvertretern durchgeführt. Als Gegenleistung durften Ergo-Leute BdSt-Mitglieder in Versicherungsfragen „beraten“… Ja, da ging’ s um richtig viel Kohle. Doch davon steht nix im Schwarzbuch. [….]

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