Erinnert
sich noch jemand an Norbert Röttgen?
Den
industrieaffinen CDU-Aufsteiger, der als Bundesminister so grottenschlecht war,
daß er 2012 von seiner eigenen Parteichefin als Atom- und Umweltminister gefeuert
wurde?
Seit
2014 ist Röttgen Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und trat in dieser
Funktion gestern zusammen mit seinem amerikanischen GOPer Kollegen Francis
Rooney bei CNNs „Amanpour“ auf.
Röttgen,
der besseres Englisch als Jens Spahn spricht, ist dort ein gern gesehener Gast.
Rooney,
63, in Oklahoma geborener Milliardär, ehemaliger US-Botschafter im Vatikan, sitzt
seit Januar für den 17. Wahlbezirk Floridas im US-Kongress.
Neben dem fanatischen Trump-Fan und
außenpolitischen Haudrauf wirkte Röttgen wie die Inkarnation der Vernunft, ließ
sich nicht aus der Ruhe bringen und versuchte dem Amerikaner die Bedeutung von „Vertragstreue“
zu erklären.
Vergebens.
Rooney posaunte hinaus, der Iran sei grundsätzlich terroristisch und die
Iranischen Revolutionsgarden wären geradezu das Paradebeispiel einer
terroristischen Organisation.
Wie sein
Idol Trump scheint auch Rooney keine Ahnung davon zu haben, was er anrichtet.
So
werden die konservativ-radikalen Kräfte im Iran gestärkt. So blockiert man
Frieden und Annäherung, so macht man Transparenz und Zusammenarbeit unmöglich.
Denn natürlich versteht der Iran es als Kriegserklärung, wenn seine Armee
pauschal als Terrororganisation angesehen wird, da die Amerikaner Terrororganisation
überall in der Welt bombardieren und mit Drohnen dezimieren.
Wieso
sind nicht nur Trump, sondern offenbar auch erhebliche Kräfte im US-Kongress so
wahnsinnig einen militärischen Konflikt mit dem Iran zu provozieren? Warum
haben sie Interesse den Nahen Osten erneut zu entflammen? Weshalb wird nun
tatsächlich mit martialischer Rhetorik am „Iran-Deal“ gerüttelt? Möchte jemand
unbedingt einen Atomkrieg?
Um das zu verstehen muss man sich nur Trumps gestrigen
Auftritt bei einem event hosted by the Family Research Council (FRC), a group that
has been labeled a hate group by the Southern Poverty Law Center (SPLC) angucken.
Donald Trump to become first president to speak at anti-LGBT hate
group's annual summit.
'Homosexual conduct is harmful to the persons who engage in it and to
society at large, and can never be affirmed,' say summit's host.
[….]
Trump ist sich der Power dieser Hass-Gruppen bewusst; sie haben ihn ins Amt gebracht.
Man
stimmt im gemeinsamen Hass überein. Hass, den eine Religion wie das Christentum gegen Minderheiten aller
Art schürt.
Trump,
der sich als politisch impotent erweisen hat, keins seiner Versprechen
durchsetzen konnte, triggert aber seine Basis, indem er den gemeinsamen
Hassobjekten einheizt. Er wettert gegen Immigranten und Muslime, will wider
alle ökonomische Vernunft die Dreamers aus dem Land werfen, indem er DACA kündigt, steigt aus dem
Klimaschutz aus, streicht Zuschüsse für die Krankenversicherung, will
Naturschutzgebiete abschaffen und radikal verkleinern, lässt Transgenders
(gegen den Willen der Armee-Führung) aus den US-Streitkräften werden und
umwirbt Rassisten.
Der Rassismus
ist der gemeinsame Nenner Trumps und seiner Fans. Sie können Schwarze einfach nicht
leiden und hassen Barack Obama, weil der ein „Neger“ ist.
Wie
besessen ist Trump daher darum bemüht alles aus den Geschichtsbüchern zu
tilgen, das mit dem bösen „Negernamen“ Obama verbunden ist.
Klimaschutz,
Obamacare, Pariser Abkommen, Iran-Deal – alles das mit Obama zusammenhängt muss
weg.
Das
erwarten die christlichen Rassisten seiner Basis von ihm.
Lieber
riskiert Trump einen Weltkrieg als den Joint
Comprehensive Plan of Action (JCPOA, vulgo „Obamas Iran-Deal“) in Kraft zu
lassen.
Trumps
zutiefst sadistische und psychopathische Persönlichkeit zwingt ihn dazu seinem
Amtsvorgänger a posteriori maximal zu schaden; alles zu zertrümmern, das an
Obama erinnert.
Trump
ist dabei in der komfortablen Lage nicht an die Konsequenzen denken zu müssen,
weil er schlicht und ergreifend zu dumm dazu ist.
[….] Trump
glaubt, Iran in die Schranken weisen zu müssen. Die Frage ist nur, ob dies
durch mehr Konfrontation gelingt oder ob sich die Hardliner in Teheran nun
nicht erst recht ermutigt fühlen, ihre Expansionsstrategie fortzusetzen. Schon
meinen Iran-Experten, Trumps Konfrontationskurs sorge dafür, dass moderate und
militante Kräfte in Iran wieder enger zusammenrücken würden.
[….]
Eigentlich wollte Trump den Iran-Deal
schon jetzt aufkündigen: Doch Trumps Berater, allen voran US-Außenminister Rex
Tillerson, konnten ihm klarmachen, welch verheerende Folgen das hätte, da der
2015 von den USA, Russland, Frankreich, China, Deutschland und der EU mit Iran
verhandelte Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) als Vertragswerk tief in
die internationale Politik und Wirtschaft hineinreicht. Mit einem Ausstieg
würden die USA eine gefährliche Kettenreaktion auslösen, den Nahen Osten
destabilisieren - und sich als Verhandlungspartner diskreditieren. [….]
Trump
hätte eben doch lieber „The
Art Of The Groping“ statt „The Art Of A Deal“ schreiben
lassen sollen, denn offensichtlich hat er nicht die geringste Ahnung was „ein
Deal“ auf internationaler Ebene ist.
Regierungen
wechseln. Das ist insbesondere in Demokratien nicht völlig ausgeschlossen.
Wenn
Nachfolgeregierungen sich nicht an die internationalen Verpflichtungen ihrer
Vorgänger halten, erübrigen sich alle zukünftigen Verträge.
Welche
Nation sollte eigentlich noch ein Abkommen mit dem selbsternannten weltbesten „Dealmaker“
eingehen, wenn dieser selbst beweist, daß die USA kein verlässlicher Partner
ist, daß sie nach Belieben ihre vertraglichen Verpflichtungen ignorieren.
Trump
will aus NAFTA aussteigen, die USA hat sogar die UNESCO verlassen.
Also
wozu sollte man überhaupt noch mit dieser USA verhandeln, wenn Amerika ohnehin nicht
zu trauen ist und morgen schon etwas anderes gelten kann – je nachdem was der
irre Trump gerade auf Info-Wars eingeflüstert bekommen hat?
[….][….]
Mit seinem neuen Kurs erschwert Trump die
Partnerschaft und Zusammenarbeit mit den anderen Staaten. Wieder einmal schert
er in einer wichtigen Frage aus, isoliert sein Land. Im Gegensatz zu Trump
finden die anderen Vertragspartner, dass Iran sich grundsätzlich an das
Abkommen hält. Natürlich wissen auch sie, dass der Deal nicht perfekt ist, aber
zumindest stellt es einigermaßen verlässlich sicher, dass Iran keine Atomwaffen
baut. Das Hauptziel des Abkommens werde erreicht, weil es darum gehe, die
Ausbreitung von Atomwaffen in der Region, aber auch weltweit zu verhindern,
argumentieren Verantwortliche in Paris, Berlin und Brüssel. Wenn der Deal -
oder Teile davon - nun infrage gestellt werden, könnte es schwieriger werden
andere Länder (wie zum Beispiel Nordkorea) davon zu überzeugen, sich auf solche
Abrüstungsverträge einzulassen. [….]
In
seltener Einigkeit stellten sich gestern China, Russland, der Iran, Frankreich,
England und Deutschland gegen Trumps Irrsinn.
[….]
Donald Trumps neue Iran-Strategie sorgt
in Europa für Aufregung. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Deutschland,
Frankreich und Großbritannien von Trumps Aussagen distanziert und sich für den
Erhalt des Atomabkommens ausgesprochen. "Wir, die Staats- und
Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands und des Vereinigten Königreichs
nehmen die Entscheidung von US-Präsident Trump zur Kenntnis, die Einhaltung des
Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) durch den Iran nicht zu
bestätigen", erklärten Angela Merkel, Emmanuel Macron und Theresa May am
Freitagabend. "Wir sind besorgt angesichts der möglichen Folgen". [….]
Norbert
Röttgen griff gestern den nüchternen Kommentar der EU-Außenbeauftragte Federica
Mogherini auf und verwies auf das Pacta
sunt servanda, das eigentlich jeder Grundschüler begreift, das sogar
Ferengi (Ein Vertrag ist ein Vertrag ist ein Vertrag)
beherzigen, aber Trump ist selbst dafür zu borniert und ignorant.
Pacta sunt servanda (lat.; dt. Verträge sind
einzuhalten) ist das Prinzip der Vertragstreue im öffentlichen und privaten
Recht.
Es handelt sich um den
wichtigsten Grundsatz des öffentlichen ebenso wie des privaten Vertragsrechts.
Im deutschen Zivilrecht findet sich der allgemeine Grundsatz der Verpflichtung
zur Erfüllung von Schuldverhältnissen – und damit auch von rechtswirksamen
Übereinkünften – in § 241 Abs. 1 BGB. Eine der wichtigsten Ausgestaltungen
dieses Grundsatzes findet sich unter anderem im Tatbestand von Treu und Glauben
wieder, der in § 242 BGB geregelt ist. Der Grundsatz besagt, dass derjenige,
der Verträge bricht, rechtswidrig/unerlaubt handelt. Des Weiteren gilt der
Grundsatz der Vertragstreue kraft Völkergewohnheitsrechtes, in dem er bei dem
Theorienstreit um die Frage der Verbindlichkeit internationaler Verträge
besagt, dass nationale Gesetze keine Grundlage für die Nichteinhaltung sein dürfen. [….]
Der
US-Präsident macht sich zudem täglich neue Feinde, weil er auch die anderen
Vertragspartner, also EU, Russland und China, demütigt.
Trump
reitet auch den Nordkorea-Konflikt in den Krieg.
Denn wieso
sollte Kim Jong Un noch mit den USA verhandeln, wenn jetzt schon sicher ist, daß
die USA vertragsbrüchig wird?
Wie
immer gelten für die USA double standards. Was sich Trump herausnimmt, könnte
sich kein anderes Staatsoberhaupt erlauben. Aber Amerika ist militärisch und
ökonomisch (noch) so unfassbar mächtig, das es nicht fair und verlässlich sein
muss, sondern eine Schande für die Weltgemeinschaft sein kann.
[…..] Der US-Präsident hat ein neues Projekt:
einen Intelligenzvergleich mit seinem Außenminister Tillerson. Vielleicht
sollte er das mal mit der EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini versuchen. Wie
das ausgehen würde? "Das ist wirklich einfach", meint Koert Debeuf,
Nahost-Experte in Brüssel, und schmunzelt.
[…..]
Viel würde Mogherini ein IQ-Triumph
allerdings nicht nützen, sollten die USA wirklich das Atomabkommen mit dem Iran
aufkündigen. Dann hätte Trump die hohe Schule der Diplomatie endgültig
abgewürgt, zugunsten atomarer Muskelspiele. […..] Die Kernkompetenz der Europäer, die Suche nach dem Kompromiss, wäre
wirkungslos. Oder in den Worten eines anonymen EU-Diplomaten: "Die
Botschaft wäre: 'Verhandelt nicht! Vor allem nicht mit dem Westen, der hält
seine Zusagen sowieso nicht ein‘."
[…..]
Wenn nun aber Trump und Co aus dem Deal
aussteigen und neue Sanktionen gegen den Iran verhängen, die Europäer aber
daran festhalten, ist ein wichtiger Aspekt der Nachkriegs-Weltordnung dahin:
die Geschlossenheit des Westens. Experte Debeuf glaubt, die EU sollte auf
keinen Fall kuschen und genau so weitermachen wie bisher. "Europa sollte
mehr im Iran investieren. Das ist wichtig für Europas Glaubwürdigkeit und die
Reformkräfte vor Ort." Stress mit Trump wäre natürlich programmiert,
wahrscheinlich auch US-Sanktionen gegen europäische Firmen, die Geschäfte im
Iran machen.
[…..]
Nur so als Gedankenspiel: Die Amerikaner
kündigen also den größten diplomatischen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte auf
- gleichzeitig ein nukleares Abrüstungsabkommen, das funktioniert - und niemand
nimmt sie daraufhin mehr ernst. Die Europäer auf der anderen Seite sind der
alleinige Garant von Stabilität, Integrität und Glaubwürdigkeit. Das gibt mit
Sicherheit viel Applaus und Lippenbekenntnisse aus aller Welt. Die harte
Realität sieht aber anders aus. Jamsheed Faroughi, DW-Farsi-Redaktion:
"Hinter verschlossenen Türen im Iran glaubt niemand, dass die Europäer
ohne Mitwirkung der USA irgendwas bewirken können." Ohne die, auch
militärische, Macht der USA an ihrer Seite, sind die Verhandlungskünste der EU
deutlich weniger wert. [….]
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