Griechenland
ist den EU-Rettungsschirm los.
Das
Durchatmen der Regierung in Athen ist nur zu gut zu verstehen.
Endlich
Schluß mit der demütigenden Behandlung durch die anderen Euro-Länder.
[….] Für
seine Ansprache hat sich Tsipras einen symbolischen Ort ausgesucht: die Insel
Ithaka im Westen des Landes. Hier endete das monumentale Epos der Odyssee - der
Irrfahrt des Odysseus. Und so spricht auch der griechische Regierungschef von
einer Odyssee seines Landes seit 2010, die jetzt zu Ende geht:
"Griechinnen und Griechen, heute ist
ein Tag der Erlösung. Es ist aber auch der Beginn einer neuen Ära. Dabei werden
wir nicht den Fehler machen, zu vergessen, was wir aus den Sparprogrammen
gelernt haben. Wir werden nie die Ursachen vergessen und diejenigen, die unser
Land in die Notlage geführt haben."
Tsipras trägt ein
weißes Hemd, im Hintergrund das strahlend blaue Ionische Meer und die Bucht, in
die Odysseus nach dem Trojanischen Krieg heimkehrte - so schildert es der
antike Dichter Homer. Immer wieder bedient sich Tsipras auch in seiner
Ansprache der griechischen Mythologie. Alle Fernsehsender des Landes übertragen
die Rede. [….]
Die Know-Nothings von der AfD haben inzwischen vergessen, daß sie
sich einst als Anti-Euro-Partei gründeten und die armen Schlucker in Europas
Süden aus der gemeinsamen Währung drängen wollten.
Mit den
Heimatvertriebenen haben sie Opfer gefunden, die in der Skala des Elends noch
weit unter den Griechen stehen und auf die es sich effektiver eindreschen
lässt.
Aber die
Austeritäts-Gläubigen in Brüssel klopfen sich schon mal auf die Schultern.
Rechne man alles zusammen wären innerhalb von acht Jahren 260 Milliarden Euro
„Hilfe“ aus Europa nach Griechenland geflossen.
Nun sei
das Land saniert und könne wieder auf eigenen Füßen stehen – allerdings
verlangen Troika und Juncker von der griechischen Regierung eine
Haushaltspolitik, die jährlich ein Etat-Plus von 3,5% ausmacht.
Soweit
die von Deutschland und insbesondere Schäuble geprägte EU-Sicht auf das nun so
erfolgreich abgeschlossene Kapitel „Griechenlandrettung“.
Um die
acht Jahre a posteriori so rosig zu sehen, muss man allerdings mehrere
Schichten griechische Tomaten auf den Augen haben und weite Teile der Realität
ausblenden.
[…]
Griechenland-Rettung: Ein trauriges Stück
EU-Geschichte geht weiter
„In Brüssel feiert man
sich heute, weil Griechenland aus dem ESM-Programm aussteigt und an die
Finanzmärkte zurückkehrt. Für die Griechen ändert sich wenig, die Rezessions-
und Verarmungspolitik ist auf Jahrzehnte festgeschrieben“, sagte Alexander
Ulrich, Obmann der Fraktion DIE LINKE im Wirtschaftsausschuss des Deutschen
Bundestages. Ulrich weiter:
„Unter der
beschlossenen verstärkten Kontrolle muss Griechenland weiter kürzen, sobald die
unrealistisch hoch angesetzten Konsolidierungsziele verfehlt werden – unter
strikter Überwachung von EU-Kommission und mit den finanziellen Waffen der EZB
im Nacken. Man nennt es nicht 4. Programm, um den Imageschaden zu vermeiden.
Doch für die Menschen in Griechenland ist es genau das.
Wirtschaftskommissar
Moscovici hat Recht, wenn er die Rettungspolitik gegenüber Athen und die
mangelnde Legitimation der Eurogruppe kritisiert. Dass in der EU die Menschen
eines Landes über Jahre hinweg derart ausgepresst werden, um die Forderungen von
Banken zu bedienen, die sich verzockt haben, ist ein Skandal.“ […..]
Fast die
gesamten 260 Milliarden Euro waren aber nicht etwa ein großzügiges Geschenk,
sondern sind Kredite, die Griechenland mit horrenden Zinsen über eine lange
Laufzeit zurückzahlen muss.
Ein sehr
gutes Geschäft für Geberländer wie Deutschland, die auf dem Kapitalmarkt sonst
keine so hohen garantierten Zinsen bekommen.
(….)
Was im deutschen Polit-Sprech als großzügig und solidarische
„Griechenlandhilfe“ vermarktet wird, ist in Wahrheit das Gegenteil, nämlich
Ausbeutung.
Umverteilung
vom armen Griechenland ins reiche Deutschland.
[….]
Deutschland gilt als Zahlmeister Europas. An der Rettung Griechenlands
hat die Bundesrepublik allerdings ganz gut verdient. Die
Die Griechenland-Krise
hat Deutschland einen ordentlichen Gewinn beschert. Seit dem Jahr 2010 hat die Bundesrepublik
insgesamt rund 2,9 Milliarden Euro an Zinsen erhalten. Das geht aus einer
Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor.
Der Regierungsantwort
zufolge gab es seit 2010 vor allem Gewinne aus Ankäufen griechischer
Staatsanleihen im Zuge des "Securities Market Programme" (SMP) der
Europäischen Zentralbank (EZB), die bei der Bundesbank anfielen und dem
Bundeshaushalt überwiesen wurden. Auch die Bundesbank kaufte in großer Zahl die
Staatspapiere. [….]
Aber
wen interessieren schon Fakten, wenn Teile der Regierung auf radikalem
rechtspopulistischem Kurs sind? (….)
(Aus den Augen, aus dem Sinn, auf der Tagesordnung, 13.07.2018)
(Aus den Augen, aus dem Sinn, auf der Tagesordnung, 13.07.2018)
Westeuropäische
Banken, insbesondere Deutsche und Französische verdienen nun wieder an
Griechenland, ziehen von den Griechen mühsam erwirtschaftete Zinsen aus dem
Land ab.
Sie
verdienen also an den nach Athen transferierten Milliarden, die wem noch mal zu
Gute kamen? Ach ja:
[…..] Da wurde mittels Kreditausfallversicherungen
auf den Kursverfall griechischer Anleihen gewettet. Die Prämien stiegen. Mit
ihnen stiegen die Anleihezinsen: "Bereits im Mai 2010 waren sie für
Griechenland unbezahlbar." Weil nun aber, gegründet auf
"neoliberale" Annahmen, das strukturelle Defizit hochgerechnet wurde,
habe Griechenland büßen müssen. Die ersten zwei Tranchen der Milliardenkredite
gingen nur an die Gläubiger, darunter prominent deutsche und französische
Banken. […..]
Wie ist
es möglich ein Land, das wesentlich zum Wirtschaftsboom der Export-Nation
Deutschland beitrug, doppelt auszupressen?
Das
erklärt der Wirtschaftsprofessor Stephan Schulmeister in seinem Buch "Der
Weg zur Prosperität" (Ecowin Verlag, 2018): Durch eine Fülle neoliberaler
Annahmen wurde Griechenland als strukturell defizitär heruntergerechnet.
Was
nicht in die Realität der Schäubles dieser Welt passte, wurde passend gemacht.
Indem
griechische Arbeitslose, die nach den von Schäuble aufgezwungenen neoliberalen
Brutal-Maßnahmen immer noch arbeitslos waren, zur „strukturellen
Arbeitslosigkeit“ gerechnet wurden, waren sie selbst Schuld und die Troika
behielt Recht.
[…..] […..] Für
nachgerade perfide hält [Prof Schulmeister], wie bei der EU-Kommission mit Arbeitslosenstatistiken umgegangen
werde: Es wird unterschieden zwischen "strukturell" Arbeitslosen und
echten Arbeitslosen. Strukturell arbeitslos sind alle, die nicht arbeiten
können oder "freiwillig" arbeitslos sind (landläufig nennt man das
"faul"). Schulmeister legt dar, wie die Zahl der strukturell
Arbeitslosen aufgebläht werde: "Als Teil des Konzeptes wird angenommen,
dass flexible Arbeitsmärkte jeden durch ,Schocks' verursachten Anstieg der
Arbeitslosigkeit rasch korrigieren." Daraus folge: "Wenn die
Arbeitslosigkeit hoch bleibt oder weiter steigt, dann muss sie strukturell
bedingt sein."
Also: Der arbeitslose
Friseur und die arbeitslose Klempnerin gelten ganz schnell als arbeitsunwillig.
[…..]
Deutschland ist wesentlich am enormen griechischen Defizit mitschuldig, indem es den
konservativen Tsipras-Vorgänger-Regierungen hunderte Panzer andrehte und sich
bis heute beharrlich weigert die von den deutschen Nazis erpressten Milliarden
zurückzuzahlen.
(…..) Die Griechen sparen bekanntlich dermaßen, daß
es quietscht.
Große
Teile Athens mutieren zu Slums, Nierenpatienten können sich ihre Dialyse nicht
mehr leisten und Hunger wird wieder alltäglich.
Es
trifft, wie immer im Kapitalismus, diejenigen, die nichts dafür können.
Deutschland
ist der große Profiteur der Schande von Griechenland.
Dort
wird das einfache Volk ausgepresst nachdem die griechische Regierung Deutschen
Rüstungsfirmen Milliarden-Aufträge erteilt hatte, hunderte Panzer kaufte,
U-Boote bestellte.
Deutsche
Anleger freuen sich über die Dividenden, die ihnen griechische Staatsanleihen
bringen. Deutsche Banken, als die griechischen Kreditgeber verdienen üppig am
Hellas-Desaster.
Ganz
Griechenland fungierte als Absatzmarkt für deutsche Waren, die mit hartem Euro
bezahlt wurden. (….) (…………………)
[…..]
Athen kauft nicht nur Schiffe, U-Boote
und Flugzeuge, sondern baut auch die größte Panzerarmee in der Europäischen
Union auf. 1612 Kampfpanzer meldete die griechische Regierung Anfang Juli dem
Waffenregister der Vereinten Nationen.
Gut 1000 davon sind
deutsche Leopard-1- und Leopard-2-Panzer. Die haben sich die Griechen weit über
zwei Milliarden Euro kosten lassen. […..]
Nach der Jahrtausendwende will Athen seine
Armee gut und teuer modernisieren. Im März 2003 bestellt es beim Münchener
Panzerbauer KMW 170 neue Leopard-2-Panzer. 30 Panzer werden in Deutschland
gebaut, 140 in Lizenz beim Staatsbetrieb Hellenische Verteidigungssysteme (HDS)
in Griechenland. Gesamtauftragswert: 1,72 Milliarden Euro.
2005 wird sich Athen
auch mit der Bundesregierung über den Kauf von 330 gebrauchten Leopard-1 und -2
einig, die die Bundeswehr aussortiert.
[….]
(….)
Stichwort
Reparationen Griechenland. Stand 2017, 72 Jahre nach Kriegsende:
Immer noch weigert sich die deutsche Bundesregierung das Geld, welches die
deutsche Wehrmacht 1944 geraubt hatte zurück zu zahlen.
Prof.
Hagen Fleischer, Historiker, Universität Athen:
„Es war eindeutig die
blutigste Besatzung von allen nicht-slawischen Ländern. Weit über 30.000
exekutierte Zivilisten, darunter auch viele Frauen und Kinder. Systematisch
zerstörte Infrastruktur und Wirtschaft. Plünderorgien, vom Raubbau in den
Bergwerken, die für die deutsche Seite interessant war, bis hin zum Abtransport
von Olivenöl und von Lebensmitteln. Und daraus resultierten die mindestens
100.000 Hungertoten vom ersten Besatzungswinter.“
Die
deutschen Besatzer pressten dem ausgeplünderten Land zudem Millionen-Kredite
ab. Jeden Monat musste die griechische Nationalbank eine so genannte
Zwangsanleihe aufbringen.
Prof.
Hagen Fleischer, Historiker, Universität Athen:
„Damit wurden dann vor
allem solche Kosten und Ausgaben der Wehrmacht gedeckt, die nicht unter die
normalen Besatzungskosten in einem Krieg fallen. Das waren dann die Kosten für
die Kriegsführung im östlichen Mittelmeer. Selbst Rommels Nordafrikafeldzug
wurde zum Teil von den Griechen mitfinanziert.“
Bemerkenswert
ist: Noch kurz vor Kriegsende hatten die Nazis mit der Rückzahlung der
Zwangsanleihe begonnen, wie aus Dokumenten hervorgeht, die Hagen Fleischer
entdeckt hat. Eine von Nazi-Deutschland selbst berechnete und anerkannte
Restschuld von 476 Millionen Reichsmark blieb aber offen.
Heute
entspricht das rund 10 Milliarden Euro. Geld, das griechische Regierungen schon
seit Jahrzehnten zurückverlangen.
Deutschland
bekleckerte sich wahrlich nicht mit Ruhm in der „Eurokrise“.
Berlin
verdiente gut, ja, aber es zerstörte das immanent wichtige Vertrauen in Europa.
Vertrauen, daß Merkel 2015 fehlte, als sie Hilfe bei der Verteilung der
Flüchtlinge anmahnte.
Die
Bundesregierung versagt aber insbesondere dabei ihren eigenen Bürgern zu
erklären wie enorm wichtig die europäischen Absatzmärkte für Deutschland sind.
Nun sogar noch viel mehr nachdem England aus der EU austritt und Trump
Handelskriege anzettelt.
Prosperierenden Staaten
im Süden Europas sind im ureigenen Interesse Deutschlands – und zwar von
Portugal im Westen bis zur Türkei im Osten.
Die europapolitisch
stets abwesende Merkel hat es leider immer noch nicht begriffen und kann sich
nicht aufraffen Macron kräftig bei seinem proeuropäaischen Kurs zu
unterstützen. Möglicherweise ihr schwerster politischer Fehler überhaupt. Dafür
bezahlen wir vielleicht noch Generationen, wenn die EU von Rechtsextremen
zerschossen wird.
[….] Weite
Teile Südeuropas haben sich noch immer nicht von den Euro-Turbulenzen der
Nullerjahre erholt. Eine Generation junger, arbeitsloser Europäer hat Angst,
abgehängt zu bleiben. Weil die EU ihr Wohlstandsversprechen nicht mehr einlösen
kann, suchen viele nach Schuldigen und machen die deutsche Sparpolitik für ihre
Lage verantwortlich. [….] In
Deutschland wiederum hat sich ein gefährliches Narrativ breitgemacht: Die
anderen wollen nur unser Geld. Es gibt das ungute Gefühl, dass es immer wieder
"die fleißigen Deutschen" sind, die "den faulen
Südeuropäern" ihre Schuldenmacherei finanzieren. [….]
Die Bundeskanzlerin
muss auf die Sorgen und Nöte der Südeuropäer eingehen, wenn sie nicht dauerhaft
mit den Le Pens, Salvinis und anderen Antieuropäern zu tun haben will. Um es
klar zu sagen: Deutschland muss bereit sein, mehr zu geben. Diese Einsicht ist
nicht nur ein Gebot politischer Schwerkraft, es ist auch ökonomisch sinnvoll.
Die Bundesrepublik hat vom Euro so sehr profitiert wie kaum ein anderes Land.
Es liegt also im deutschen Interesse, die Währungsunion zu stärken und vor der
nächsten Krise zu bewahren.
[….]
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