Hilfe. Hilfe!
Gestern wagte ich unglücklicherweise mal wieder einen Blick in so eine linke
Basis-Gruppe der Sozialdemokraten.
Anlass
war ein SZ-Artikel über den derzeit amtierenden Kanzler Olaf Scholz, der als
Merkels Urlaubsvertretung die Kabinettssitzung leitet und sich heimlich, still
und leise zum beliebtesten Politiker Deutschlands emporgemausert hat.
[…..]
Seit vier Monaten ist der Sozialdemokrat
Olaf Scholz Bundesfinanzminister und Vize-Kanzler. Dass er seinen Job ganz gut macht, findet
nicht nur der Koalitionspartner CDU/CSU, sondern laut ZDF-Politbarometer auch
die Bevölkerung. In der SPD stößt auf Kritik, dass Scholz die Politik seines
Vorgängers Wolfgang Schäuble fortsetzt. […..]
Es
stimmt zwar nicht, daß Scholz einfach die Schäuble-Linie fortsetzt, weil er
wesentlich mehr investiert, ......
[…..]
Fließen die Steuereinnahmen weiter so,
wie Scholz sich das vorstellt, könnte dieser Haushalt der sechste in Folge
sein, für den die Bundesregierung keine neuen Schulden aufnimmt. In dieser
Hinsicht steht Scholz in der Tradition seines Vorgängers. […..] Gänzlich anders sieht es bei den Ausgaben
für Soziales aus.
Während Schäuble sich
hier knausrig gab, sagte Scholz explizit: „Die Ausgaben für Soziales und für
die Rentenversicherung werden bis 2022 deutlich steigen.“ Damit meint er nicht
nur den Zuschuss an die Rente, der automatisch größer wird, wenn die SPD ihr
Versprechen umsetzt, das Rentenniveau nicht weiter sinken und zugleich die
Beiträge nicht weiter steigen zu lassen.
Auch will Scholz im
Haushalt eine milliardenschwere Reserve anlegen für die zusätzlichen
Rentenkosten in den nächsten Jahren. In fünf Jahren schon solle pro Jahr „ein
zweistelliger Milliardenbetrag“ in diese Reserve fließen. Ein stabiles
Rentenniveau sei „die wichtigste Sicherheitsbotschaft, die wir an junge Leute
aussenden können“, sagte Scholz.
[…..]
....aber wen
interessieren schon Fakten, wenn man auch so ein praktisches Label benutzen
kann?
Scholz =
der ewige Scholzomat, der
uncharismatische Technokrat, fleißig, aber dröge, schlau, aber ohne Visionen.
An der
SPD-Parteibasis haben es solche Typen schwer und so war das Entsetzen groß, als
man über eine Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz im Jahr 2021 orakelte.
Unfreundlicherweise
wurde Scholz auch noch mit Schulz in eine Schublade gesteckt – die beiden
drögen kleinen alten Seeheimer unterschieden sich doch nur in einem Buchstaben.
Das ist
frech, denn Scholz ist ein Regierungspraktiker, der hochgebildet und effektiv
verwalten kann, gezeigt hat wie stringent und erfolgreich er eine zerstrittene
Landespartei führen kann und zudem auch noch zweimal nacheinander die besten
SPD-Ergebnisse ganz Deutschlands bei einer Landtagswahl holte.
Schulz
hat noch nie regiert, noch keine Wahl gewonnen, hat noch nicht mal Abitur und
zeigte im 2017ner Wahlkampf über wie wenig Rückgrat er verfügt, indem er sich
bis zur Unkenntlichkeit verbiegen ließ.
Bei
Scholz wäre das undenkbar. Nicht ohne Grund gehörte er 2017 zu den heftigsten
Schulz-Kritikern und sorgte gemeinsam mit Andrea Nahles richtigerweise dafür,
Martin Schulz aus der ersten Parteireihe zu schubsen.
Aber
obwohl niemand bestreitet, daß Olaf Scholz seinen Job kann, wird er selbst in seiner
Partei nur zähneknirschend anerkannt und niemals geliebt.
Als
Sozialdemokrat, der nur zähneknirschend für die Groko stimmte, weil sie als das
kleinere Übel erschien – im Vergleich mit einer CDU-CSU-Minderheitsregierung,
die dann nur noch aus Seehofers, Scheuers und Spahn bestünde, sich von der AfD,
auf deren Stimmen sie angewiesen wäre, weit nach Rechtsaußen treiben ließe –
wünscht man sich als Wut-Ventil natürlich SPD-Minister, die einen radikal neuen
Weg einschlagen.
Einen
Finanzminister, der linke Pflöcke einschlägt und die EU-Nemesis Schäuble
konterkariert.
Aber
indem man nur die eingefleischte Basis entzückt, schafft man keine
demoskopische Trendwende.
Politik
muss in Zeiten der Internetfilterblasen mehr denn je auf ihre Akzeptanz achten.
Vielleicht
in der Scholze Weg – mit solider Arbeit und handwerklich fehlerloser Politik zu
überzeugen – doch besser als das ständige substanzlose Poltern des Bundesinnenministers.
Für
seine Partei ist es jedenfalls besser sich an die Spitze des
Beliebtheitsrankings zu begeben, als nach der Methode Crazy-Horst den halben politischen
Apparat Berlins lahmzulegen.
[…..]
Nur noch 27 Prozent der Befragten sind
mit der Arbeit von Innenminister Horst Seehofer (CSU) zufrieden.
[…..]
Niemand gibt an, mit der Regierung „sehr
zufrieden“ zu sein. Einen solchen Befund gab es seit Jahren nicht.
Öffentlicher Streit
zahlt sich in der Politik meist nur für diejenigen aus, die nicht daran
beteiligt sind. [….]
Der neue Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher,
Amtsnachfolger von Olaf Scholz kämpft mit ähnlichen Problemen.
Auch er
ist so gar kein Volkstribun, wie der mit 90%-Beliebtheit bejubelte von und zu
Guttenberg, der statt zu arbeiten lieber durch die Bierzelte zog und zu
ACDC-Klängen auf die Tische stieg bis jeder unter 90 Jahren ein feuchtes Höschen
hatte.
Tschentscher
ist still, akkurat, hört zu, ist nicht mit Selbstdarstellung beschäftigt, arbeitet
effektiv und lösungsorientiert. Er ist extrem intelligent, geradezu ein Genie
und dazu hochgebildet.
Spektakulär
ist das nicht. So dominiert man nicht die Medien als Trump/Seehofer/Guttenberg.
Aber bin
ich wirklich extrem altmodisch, wenn ich einen Volksvertreter, der gute Arbeit
leistet und weiß was er tut, einem Hallodri vorziehe, der mit derben Witzen,
Peinlichkeiten und Affären Aufmerksamkeit erregt?
Abgesehen
von meinen persönlichen Typ-Vorlieben, ist Politik nicht nur eine Kunstform, in
der Geschmack entscheidet, sondern es geht tatsächlich um nichts weniger als
die Organisation unseres Lebens und unserer Zukunft.
Egal ist
das nicht.
Ich habe
da ganz gern Politiker als Amtsträger, die den Job auch ernst nehmen und statt
auf Markplätzen von „ANPACKEN“ zu grölen, sich tatsächlich ihren Aufgaben
widmen.
Das ist
vielleicht ein bißchen in Vergessenheit geraten.
Trump
macht sogar gar keine Politik mehr, sondern scheißt nur noch allen anderen
Politikern auf’s Pult und fängt anschließend an wie ein ganzer Hühnerhof zu
gackern und zu krähen.
Mit reiner
Arbeitsverweigerungshaltung wie Seehofer ist dem gemeinen Volk auch nicht geholfen.
Seine
Epigonen Dobrindt und Scheuer sind nicht besser.
[….]
Ein Jahr nach dem Dieselgipfel der
Bundesregierung müsste jedem klar sein: Dieser Gipfel war ein reines Showevent
für den damaligen Wahlkampf. Die neue-alte Bundesregierung und vor allem das
CSU-geführte Verkehrsministerium lassen Verbraucher und Gemeinden mit den
finanziellen, rechtlichen und gesundheitlichen Folgen der Dieselkrise alleine.
Verkehrsminister Scheuer ist artig in Fußstapfen seines Vorgängers Dobrindt
gestiegen. Scheuer hat ein weiteres Jahr lang vor allem die finanziellen
Interessen der Autokonzerne gesichert, statt für die getäuschten Autobesitzer
oder saubere Autos zu kämpfen. Ein ganzes weiteres Jahr wurden die Betrügereien
der Autokonzerne weiter gedeckt, Verantwortliche nicht zur Rechenschaft
gezogen.
Das war ein Jahr
dreister Untätigkeit in der Dieselkrise, die so nicht weitergehen darf.
Es ist unfassbar, dass
die Bundesregierung tatenlos zusieht, wie Volkswagen den nächsten Rekordgewinn
in Milliardenhöhe einstreicht und sich weiter dagegen sperrt, die Autos der
getäuschten Dieselkäufer auf Konzernkosten nachzurüsten. Die Autofirmen, die
betrogen haben, müssen dafür auch die finanzielle Verantwortung übernehmen. Um
Gesundheitsgefahren, weitere Fahrverbote und einen massiven Wertverlust für
Autobesitzer und Autohändler zu verhindern, muss die Bundesregierung endlich
Hardware-Nachrüstungen bei dreckigen Diesel durchsetzen. Sie darf sich auch
einer grundlegenden Wende in der Verkehrspolitik nicht weiter versperren.
Angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise ist es zudem unbegreiflich, dass
die Bundesregierung weiterhin die schützende Hand über den schmutzigen
Verbrennungsmotor hält. [….]
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