Alle vier Jahre, wenn der oppositionelle
US-Präsidentschaftskandidat ausgeknobelt wurde, beginnt ein wüstes Spekulieren
über dessen „running mate“.
Wer könnte Vizepräsident werden?
In der Hoffnung mit einer komplementären Person möglichst
alle Quoten abzudecken.
[……] Es gibt, wenn es um die Auswahl eines geeigneten Vizekandidaten geht,
eine traditionelle Denkschule. Danach ist der oder die Vize dazu da, einen
politischen Makel des Hauptkandidaten auszubalancieren. Das kann die
geografische Herkunft sein, weswegen sich zum Beispiel Neuengland-Aristokraten
wie John F. Kennedy und John Kerry in ihren Wahlkämpfen Südstaatler aus Texas
respektive North Carolina als Vizes ausgesucht haben.
Aber es gibt noch etliche andere Merkmale, die mittels des
Vizekandidaten austariert werden sollen - Alter, Geschlecht, ideologische
Ausrichtung, politische Erfahrung. Der texanische Provinzler George W. Bush
machte den Washingtoner Insider Dick Cheney zum Vize. Der alte Washingtoner
Insider John McCain wiederum suchte sich die junge Gouverneurin von Alaska aus,
Sarah Palin, deren hinterwäldlerische Unerfahrenheit "erfrischend"
sein sollte. Die umstrittene Frau Hillary Clinton zog mit dem betonsoliden Mann
Tim Kaine ins Rennen. Donald Trump, im Politischen wie im Privaten ein
Hallodri, suchte sich den biederen, frömmelnden Mike Pence aus. Und der junge
schwarze Senator Barack Obama machte den altgedienten weißen Senator Joe Biden
zu seinem Vize. [……]
Es macht politisch Interessierten (wie mir) natürlich Spaß
über solchen Personalien zu orakeln, so wie auch fast alle Vaticanisti Theorien
über den nächsten Papst parat haben und Kardinäle in die „papabili“-Schublade
stecken.
Sinnvoll sind diese Spekulationen nicht.
„Wer als zukünftiger Papst ins Konklave geht, verlässt es
als Kardinal“ lautet die goldene Regel und die Hoffnung des
US-Präsidentschaftskandidaten auf die Zugkraft des Vizekandidaten stellt sich
meistens als substanzlos heraus.
Palin half 2008 genauso wenig Obama zu besiegen wie Edwards 2004
den Umschwung gegen GWB einleiten konnte. Man muss schon scharf nachdenken, um
sich überhaupt zu erinnern, daß Rechtsaußen Paul Ryan 2012 an der Seite Romneys
antrat.
Der Vize ist in Wahrheit nämlich eine traurige Gestalt, der
lediglich in der Sondersituation eines 50:50-Patts im Senat eine entscheidende
Stimme abgeben darf.
Sein einziger Sinn ist es vier Jahre brav abzuwarten.
Er ist gegenüber dem Präsidenten völlig machtlos.
Spektakuläre Ausnahmen sind Johnson und Gerald Ford, der bei
gar keiner Wahl angetreten war, sondern nach dem Rücktritt Spiro Agnews von
Nixon ernannt wurde und ihm sogar am 9. August 1974 ins Präsidentenamt
folgte.
Ein US-Präsident, der sich nie einer Wahl gestellt hatte.
Kennedys VP Lyndon B. Johnson wurde
am 22. November 1963, dem Tag der Ermordung JFKs US-Präsident.
Langzeit-Präsident Franklin D. Roosevelt starb am 12.04.1945
nach über 12 Jahren im Amt; VP Harry S. Truman rückte auf.
Für den vierten Fall, in dem ein Vizepräsident der
mächtigste Mann der Erde wurde, muss schon ein Jahrhundert zurück gehen zu
Warren G. Harding, der am 02.August 1923 nach zweieinhalb Jahren im Amt starb;
für ihn rückte VP Calvin Coolidge nach.
Allerdings ist Joe Biden Baujahr 1942 und wäre zu Beginn
seiner Amtszeit schon 78, also gerontische 86 Jahre zum Ende einer
theoretischen zweiten Amtszeit.
In dem Fall sind die Chancen seiner Vizepräsidentin – es wird
auf jeden Fall eine Frau – außergewöhnlich hoch durch Krankheit oder Tod der Nr.
1 aufzurücken.
Ich bin ein großer Fan der Vorstellung Kamala Harris als
US-Präsidentin zu haben; sie ist schlau, erfahren und durchsetzungsfähig.
Gut möglich auch, daß Joe Biden vier Jahre bei recht guter
Gesundheit durchhält, aber 2024 nicht erneut antritt; dann wäre Harris quasi
als Präsidentschaftskandidatin gesetzt.
Gegen Harris spricht allerdings das kumpelhafte Gemüt
Bidens, dem Freundschaften extrem wichtig sind. Die Ehepaare Jill und Joe
Biden, sowie Michelle und Barack Obama sind tatsächlich persönlich sehr eng
befreundet.
Trotz der de facto-Machtlosigkeit Bidens bezog ihn Obama
immer ein und konnte sich umgekehrt felsenfest auf ihn verlassen.
Man darf annehmen, daß sich Joe Biden ein ebenso inniges
Verhältnis mit seinem Vize-Ehepaar wünscht, falls er #46 werden sollte. Anders kann
der Harmoniesüchtige gar nicht arbeiten.
Harris hatte ihn allerdings im Vorwahlkampf derartig hart
angegriffen, daß Biden sichtlich verstört war.
Es ging dabei um Bidens Jahrzehnte zurückliegende Positionen
gegenüber der Förderung schwarzer Amerikaner.
Ist Biden nicht einfach zu weiß und Mann und Hetero für die
heutige diversifizierte Demokraten-Anhängerschaft?
In dem Fall wäre die Indisch-jamaikanische Herkunft Harris‘
ein Vorteil gegenüber anderen möglichen VPs wie Elisabeth Warren oder Gretchen
Whitmer oder Amy Klobuchar.
Andererseits verfügt Biden gerade in der black community über
besonders hohe Zustimmungswerte, die sicherlich darauf beruhen, daß er acht
Jahre geradezu ein Amalgam mit dem ersten schwarzen Präsidenten Obama bildete
und bedingungslos loyal zu ihm stand, als er von Rassisten im ganzen Land – an vorderster
Front der widerliche Birther Donald Trump – mit Hetze und Hass überzogen wurde.
Biden ist aber Biden; er hat das Herz am rechten Fleck, ein
guter Mensch und zu jeder Verschlagenheit völlig unfähig. Aber er ist bei
weitem nicht so intelligent wie Obama, kein Visionär, kein genialer Denker,
nicht so gebildet wie #44 und erst recht kein so brillanter Redner. Im
Gegenteil, bei ihm ist stets damit zu rechnen, daß er sich verhaspelt,
unkonzentriert ist oder ihm versehentlich irgendein Unsinn entfleucht.
So wie heute Morgen.
[…..] Joe
Biden steht als Präsidentschaftskandidat der Demokraten so gut wie fest - und
damit als Herausforderer von Amtsinhaber Donald Trump. Seine guten Aussichten
hat Biden unter anderem schwarzen Wählern zu verdanken, die ihm bei den
Vorwahlen zu mehreren Erfolgen verhalfen. Doch eine Aussage in einem
Radiointerview lässt nun vermuten, dass er sich ihrer Unterstützung etwas zu
sicher ist.
Gegen Ende eines Gesprächs mit dem prominenten Moderator Charlamagne
Tha God sagte Biden: "Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie für mich
oder für Trump sind, dann sind Sie nicht schwarz." Im Video ist die Szene
ab Minute 17 zu sehen, Biden lächelt nach dem Satz verschmitzt in die Kamera.
[…..]
Es ist außerordentlich ärgerlich nun weltweit kritische
Biden-Artikel aufgrund dieses Vorfalls zu lesen.
Ich sehe es genau wie Bill Maher; die selbstgewählte
politische Korrektheit des linksliberalen Amerikas ist der größte Trumpf der
rassistischen Republikaner.
Die Demokraten fallen mit viel Lust über jede unglückliche
Formulierung in den eigenen Reihen her, ergehen sich in friendly fire; da muss
die GOP sich nur genüsslich zurücklehnen und abwarten.
Außerdem möchte ich ein ganz dickes „what about“ anfügen: Es
geht um eine Alternative zu dem extrem bösartigen durch und durch rassistischen
Nazi Donald Trump.
In Relation dazu ist Biden der sozialistischste schwärzeste
Bürgerrechtler überhaupt – völlig abgesehen von der Hautfarbe seiner
VP-Kandidatin.
Presse und political pundits übertreiben maßlos mit ihren
Befindlichkeiten.
Das Tausendfache auf die Goldwaage-legen jeder Äußerung
zurück bis in die Steinzeit nervt die Bürger dermaßen, daß ein rassistisches
Arschloch wie Trump, der Behinderte nachäfft, Einwanderer genauso wie Schwarze
hasst, Länder mit dunkelhäutiger Bevölkerung „shithole-countrys“ nennt und sich
damit brüstet Frauen zu misshandeln und sexuell zu bedrängen US-Präsident
werden konnte.
Ins Bild passt eine kleine Geschichte aus der Make-Up-Welt.
Jeffree Star, californisches genderfluides Multitalent mit
eigener Kosmetik-Firma verdient viel Geld mit dem Verkauf seiner
Lidschattenpaletten.
Jedes Jahr gibt es von ihm/ihr ein halbes Dutzend neuer
Makeup-Produkte, die allerdings anders als bei den anderen Make-Up-Millionären (wie
Kylie Jenner, die nur ihren Namen auf billige chinesische Massenware druckt)
selbst entwickelt und in Californien produziert werden. Die Planung einer
Lidschattenpalette dauert 12-18 Monate.
Die Aktuelle nennt sich „Cremated“ (Eingeäschert) und spielt
mit morbiden Farben.
Als er diese, ein Jahr vor Corona konzipierte Kampagne
vorstellte, brach die Hölle los.
Dutzende TV-Stationen fielen über ihn her, weil der Name
ihnen zu geschmacklos inmitten einer Pandemie erschien. Das wäre unsensibel und
müsse boykottiert werden.
Die Tatsache, daß ich von dem Fall weiß, sagt schon alles:
Es geht verdammt noch mal nur um den Namen von Schminke, die ein Künstler in
L.A. selbst herstellen lässt.
Wen interessiert das? Was sagt das über die Erregbarkeit der
Medienwelt aus?
Sollten sie die kostbare Sendezeit nicht nutzen, um über
echte Probleme zu berichten? Ist da
nicht vielleicht zufällig irgendeine Wahl in den USA dieses Jahr?
Ein weiterer Beleg für den völlig der Realität entkoppelten
political-correctness-Wahn ist die Reaktion der durchschnittlichen Konsumenten.
Man munkelte, Jeffree Star geriete in finanzielle Schwierigkeiten,
da er möglicherweise eine Million Cremated-Paletten auf seine Kosten herstellen
ließ, diese nun aber durch Corona nicht im stationären Handel vertreiben könne,
sondern ausschließlich auf seinen Online-Shop setzen musste, der mit
Schmähartikeln überzogen wurden.
Heute war der erste Cremated-Verkaufstag; in 20 Minuten war
die gesamte Kollektion restlos ausverkauft, weil „die normalen Menschen“
ohnehin nicht auf den political-correctness-Zug aufspringen.
The #Cremated Palette has SOLD OUT in under 20 minutes!!!!
😭😭😭🖤🕊
What the fuck!!!!!!! We had a massive
amount of stock and I’m truly shook right now!!!! THANK
YOU!!!!
Also bitte Schluss damit Joe Biden irgendwelche Nebensätze
von 1970 vorzuhalten, die nach heutigen Moralansprüchen möglicherweise
fragwürdig sind.
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