Oskar Werner (* 13. November 1922 in Wien; † 23. Oktober 1984) ist einer der Österreicher, die ich wirklich liebe. Der viel zu früh gestorbene begnadete Schauspieler hatte als Teenager in Österreich die antijüdischen Pogrome erlebt und wurde daraufhin nicht nur für den Rest seines Lebens überzeugter Pazifist, sondern verschrieb sich völlig dem Kampf gegen Nationalismus und Antisemitismus; zweifelsohne an seiner Rollenwahl erkennbar.
Seine bekanntesten Filme sind Stanley Kramers „Narrenschiff“, Stuart Rosenbergs „Reise der Verdammten“ und die beiden François Truffaut-Klassiker „Jules und Jim“, sowie „Fahrenheit 451“.
Meine Teenagerzeit in den frühen 1980ern, war geprägt von Endzeit-Themen, wie der 1987 drohenden Volkszählung, die zum totalen Überwachungsstaat führen würde. Ich las George Orwells „1984“ (erschienen 1949) und gruselte mich bei „Wargames“ und „The Day After“ ob der Atomapokalypse.
Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ erschien 1953, Aldous Huxleys „Brave New World“ sogar schon 1932, aber umso weiser wirkten diese Romanautoren auf mein jugendliches Ich. Auch Anthony Burgess‘ „Clockwork Orange“ lag schon 1962 vor. Alles lange, bevor ich selbst anfing zu lesen. „Fahrenheit 451“ lernte ich durch die Verfilmung mit Oskar Werner (1966) kennen.
In der hochpolitisierten Nachrüstungszeit der frühen 1980er, die gleich nach den ebenfalls schon dystopisch wirkenden RAF-1970ern mit Rasterfahndung und Radikalenerlass folgte, trieben die Schrecken vor der Zukunft immer wieder Hunderttausende, manchmal Millionen Demonstranten auf die Straße.
Aber erstens, kommt es anders, und zweitens, als man denkt.
Der Atomkrieg fand (bisher) nicht statt. Die Totalüberwachung hingegen, geht durch das Internet und die sozialen Medien weit über das hinaus, was ich mir beim Volkszählungsboykott 1987 vorstellen konnte. Videoüberwachung ist extrem populär; der Urnenpöbel wünscht sich in Umfragen die totale Beobachtung in der Öffentlichkeit. Das hätte ich als Teenager niemals geglaubt.
Die modische Nivellierung der Teens und Twens, die allgemeine Gleichgültigkeit und das achselzuckende Fortfahren bei der Umweltzerstörung deprimieren mich.
Wenn heute in Dresden 5.000 Covidioten und Pegidisten demonstrieren, ist das eine große Sache.
Warum eigentlich? Gegen die Pershing-II-Naschrüstung habe ich mit 500.000 Hamburgern demonstriert. Gekommen ist sie dennoch.
Heute interessiert sich keiner mehr und wir schwanken sehenden Auges in die Apokalypse.
Zu behaupten „früher war alles besser“ ist natürlich eine dümmliche Vereinfachung, die nur mit gewaltigen Scheuklappen behauptet werden kann.
Über solche Memes kann ich nur den Kopf schütteln. 1965 ist aus Sicht von 2023 keineswegs erstrebenswert.
Damals kamen Schwule ins Gefängnis, Priester vergewaltigten Kinder, ohne daß es jemand störte, Dünnsäure wurde in der Nordsee verklappt, uneheliche Kinder wurden zu 100.000en ihren Müttern weggenommen und ins Heim gesteckt, wo man sie schwer misshandelte. Es gab keinen Tier- und Umweltschutz, in der Schwangerschaft wurde geraucht, Lehrer schlugen Schüler, es gab keine adäquate Schmerztherapie, keine Abgaskatalysatoren, Frauen wurden begrabbelt und mussten ihren Ehemann um Erlaubnis fragen, wenn sie ein Bankkonto eröffnen wollten. Es gab nur Eisberg- und Kopfsalat, Telefonate nach Übersee waren unerschwinglich, 1000e Menschen mehr starben im Straßenverkehr, weil sich keiner anschnallte oder auf dem Rad Helme trug; es gab keine Airbags. Der RAF-Terrorismus stand bevor, grausige Schlagermusik im Radio, keine hochwertigen HBO-Dramaserien, keine minimalinvasiven OPs, akute Angst vor dem Atomkrieg, der gesamte Ostblock gehörte zum Warschauer Pakt, es gab keine Reisefreiheit; dafür aber eiserne Vorhänge. Dieses plumpe US-Republikanische "zurück in die 50er oder 60er" kann nur von besonders bornierten, konservativen, christlichen heterosexuellen, weißen Männern kommen.
Umso erschreckender, wie zielsicher wir trotz all unserer Erkenntnisfortschritte und der globalen Verfügbarkeit aller Informationen, dennoch in den Klimakollaps sprinten. Wie wir das Internet, statt zur Aufklärung, für rechtspopulistische Hetze nutzen, die nicht nur verschwörungstheoretische Proleten nach oben schwimmen lässt, sondern große westliche Staaten, die als Hort der Demokratie galten, ins Wanken bringt.
Trump, Brexit, Meloni und AfD gäbe es ohne Internet vermutlich nicht.
Fahrenheit 451, das schon mal als großer Namenspate für Michael Moores 2004er Dokumentarfilm Fahrenheit 9/11 stand, wird durch die völlig fanatischen US-Republikaner wieder aktuell.
Wir erinnern uns: Werner spielt den zukünftigen Feuerwehrmann Guy Montag, der die Aufgabe erfüllen muss, alle Bücher aufzuspüren und diese zu verbrennen. Sie gelten in der hedonistischen Gesellschaft als Problem-Ursachen, die das Volk ins Unglück ziehen und daher streng verboten sind. Bei 233°C (451 F) gehen sie in Flammen auf. Dies ist die einzige Aufgabe der Feuerwehren. Sollte einmal ein Gebäude in Brand geraten, wird es einfach abgerissen.
«Dies war ein Vorspiel nur, dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen», schrieb der Dichter Heinrich Heine (1797-1856).
Ron de Santis, just mit riesiger Mehrheit widergewählter Gouverneur von Florida, ist nicht nur GOP-Hoffnungsträger und größer innerparteilicher Konkurrent Donald Trumps, sondern verfolgt eine ganz ähnliche Strategie bei der Bildung.
In seinem Staat darf alles, das nicht in sein borniertes, konservatives, christliches heterosexuelles, weißes, männliches Weltbild passt, nicht unterrichtet, nein, noch nicht mal an Schulen ausgesprochen werden („Don’t say gay“-Gesetz).
Schulen müssen ihre Bibliotheken leerräumen, weil die regierenden Republikaner keine aufgeklärten Kinder dulden.
Immer längere Listen verbotener Bücher werden in Florida geschrieben. Welcome to America – Land Of The Unfree.
[….] Efforts are underway in Florida counties to comply with a law championed by Republican Gov. Ron DeSantis that requires the approval of books in classroom libraries.
Manatee County School District teachers are experiencing “fear” and “confusion” as the district works to implement HB 1467, which requires that books be pre-approved materials or vetted by a media specialist trained by Florida’s Department of Education, according to Pat Barber, president of the Manatee Education Association, the county’s teachers’ union.
A document provided by the district that lays out new statutory changes to HB 1467 indicates violations could be considered a third-degree felony.
“It’s unconscionable to me that teachers would be put in a position that their good deed of providing classroom libraries for their students in order to instill the love of reading could possibly result in a felony,” Barber told CNN.
The books provision, which took effect in July after being signed by DeSantis last year, requires library media resources be approved by a “school district employee who holds a valid educational media specialist certificate,” according to a June memo. According to Florida’s Department of Education, which was putting out guidance memos as recently as December, selection of library materials – including classroom libraries – must be “free of Pornography” and prohibited material under the law, “suited to student needs and their ability to comprehend the material presented,” and “appropriate for the grade level and age group.” [….]
Der Schritt bis zur Bücherverbrennung in Trumpmerica ist nicht mehr weit.
[….] Amerikas Patrioten rüsten sich für einen Kampf um Leben oder Tod. »Ihr müsst es meinen KALTEN TOTEN HÄNDEN entreißen«, warnt der Abgeordnete Matt Gaetz . Es ist der alte Schlachtruf der Waffenlobby, aber der rechte Populist verteidigt diesmal nicht den Besitz von Sturmgewehren oder Maschinenpistolen – sondern den seines Gasherds. 1,4 Millionen Mal wurde das Filmchen, das der Ultrapopulist auf Twitter stellte, geklickt. Dabei ist darauf nichts zu sehen als ein Flämmchen, das an einer Kochstelle blau flackert. Seit ein amerikanischer Regierungsbeamter ein Verbot von Gasherden ins Spiel gebracht hat, ist in den politischen Garküchen des Landes der Teufel los. Konservative wollen einen weiteren sinistren Plan der Linken erkannt haben, ihnen das letzte bisschen staatsbürgerliche Freiheit zu rauben. Bei einem Auftritt in Florida versprach der Anti-Woke-Vorkämpfer der Nation, Ron DeSantis, in vorauseilendem Widerstand, in seinem Bundesstaat eine Steuerbefreiung für Gasherde zu prüfen. Auf seiner Website verkauft der Gouverneur, der selbst allzu gern Präsident der USA wäre, nun gelbe Kochschürzen. Auf Brusthöhe prangt das Bild eines Kochherds und der Schlachtruf »Trampel nicht auf Florida rum«. Mit 25 Dollar ist der identitätsstiftende Spritzschutz teuer bepreist , die Programmatik billig: »God. Guns. Gas stoves« twitterte der radikalrechte Abgeordnete Jim Jordan schlicht. [….]
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