Man muss sich von den hartnäckig falschen Konnotationen für den Begriff „christlich“ verabschieden. Christen sind in Wahrheit die schlechtesten Menschen. Die vorurteilsbehaftet und besserwisserisch auf andere herabsehen. Die völlig borniert ihr Buch mit den homophoben, misogynen und antisemitischen Hassbotschaften voller Menschenverachtung und Gewaltverherrlichung benutzen, um sich gegen Aufklärung, wissenschaftliche Erkenntnis und Humanismus zu wehren. Orbán, Putin und Trump heißen die Leute, die heute von den christlichen Kirchen am meisten unterstützt werden.
[…..] Ende Januar verschickte Donald Trump ein Video an seine Anhänger, das ihn zum Gesandten des Allmächtigen erklärte. Es war unterlegt mit gravitätischer Musik, und eine Stimme aus dem Off verkündete: »Und am 14. Juni 1946 schaute Gott auf sein geplantes Paradies und sagte: Ich brauche einen Kümmerer. Also gab uns der Allmächtige Trump.« […..]
Trump hatte noch nie ein Problem damit, sich selbst zu erhöhen. In seinen Augen ist er einer der größten Unternehmer und Entertainer in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Als Präsident mag er sich, wenn überhaupt, nur mit George Washington und Abraham Lincoln vergleichen lassen. […..] Zu den Unannehmlichkeiten seines aktuellen Wahlkampfs gehört, dass er sich in New York vor Gericht verantworten muss, weil er vor ein paar Jahren einer Frau Schweigegeld gezahlt hatte, die mit Filmen wie »Sex Therapy« oder »Happy Endings« zum Star der Erwachsenenunterhaltung aufstieg.
In den vergangenen Jahren haben sich strenggläubige Protestanten, die die Bibel wörtlich verstehen, zur treuesten Fangemeinde des Ex-Präsidenten entwickelt. Je nach Schätzung leben in den USA bis zu 70 Millionen evangelikale Wähler, und dass sie Trump inzwischen als eine Art Erlöser sehen, erklärt nicht nur den Erfolg des Ex-Präsidenten, der sich am Dienstag als republikanischer Präsidentschaftskandidat durchgesetzt hat. Es zeigt auch die enorme moralische Biegsamkeit der evangelikalen Bewegung in den USA.
[…..] Lahmeyer ist Chef einer Vereinigung, die sich »Pastors for Trump« nennt […..] Er habe in der Kampagne mit Stone viel gelernt, sagt Lahmeyer in seiner Kirche, die aussieht wie ein Nachtklub, was sie bis vor Kurzem auch war. Er würde nicht sagen, dass Trump der Messias sei, sagt Lahmeyer. »Aber wir unterstützen Donald Trump als Präsidenten der Vereinigten Staaten. Und als solcher wird er von Gott dazu benutzt, eine komplette Übernahme der USA durch schlechte und böse Menschen zu verhindern.«
Er bestreite nicht, dass Trump auch Fehler habe: die Affären, die Scheidungen. Aber Gott habe auch König David auserwählt, obwohl der ein Mörder und Ehebrecher gewesen sei. »Gott nutzt fehlerhafte Menschen für seine Zwecke«, glaubt Lahmeyer. Man mag die Nachsicht für sympathisch halten, sie wird aber im Lager der Evangelikalen nur sehr selektiv gewährt. Als in den Neunzigerjahren Bill Clintons Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky aufflog, verabschiedete die Southern Baptist Convention, die größte evangelikale Vereinigung in den USA, eine Erklärung, die Moral und Amt für untrennbar erklärt. Christen sollten nur solche Politiker wählen, die »moralische Reinheit, Ehrlichkeit und höchste Charaktereigenschaften« zeigten, hieß es in dem Papier. […..]
(René Pfister, SPIEGEL, 09.03.2024)
Rechtsradikalismus, Bigotterie und Rassismus ließen sich schon immer vortrefflich mit Bibel und Kirche verbinden.
[…..] Christliche Nationalisten sind überzeugt, die USA seien als christliche Nation gegründet worden und müssten entsprechend regiert werden. Christ-Sein und US-Amerikaner-Sein sind demnach untrennbar verbunden.
[…..] Weiße Evangelikale und die republikanische Wählerschaft fühlen sich laut Umfragen von diesem Denken besonders angezogen. Dazu gehört, von den Regierenden eine klare Ablehnung von Abtreibung und LGBTQ-Rechten sowie Abschottung an den Grenzen zu fordern. Die Bibel wird höher geschätzt als die staatliche Ordnung. Trump spielt sich zum Verteidiger der angeblich von „radikalen Linken“ und der „korrupten politischen Klasse“ verfolgten Christenheit auf. […..] Jerry Newcombe, dem Exekutivdirektor der Organisation „Providence Forum“, […..] e sagt, geschichtlich gesehen sei die Idee, dass sich die USA auf den Glauben an einen Schöpfer stützen, „keineswegs radikal“. […..] Wenn über Religion und Politik diskutiert wird, kommt die Rede unweigerlich auf Trump. Seiner Rhetorik nach setzt der frühere US-Präsident in seinem Wahlkampf für eine weitere Amtszeit auf konservative christliche Wählerschaft. Bei einem viel beachteten Auftritt vor konservativen christlichen Medienunternehmern im Februar sagte Trump, er wolle „Glauben und Familie“ ins Zentrum der Nation stellen und in einer zweiten Amtsperiode eine Regierungsstelle gegen die Diskriminierung von Christen einrichten. […..]
Eine echte menschliche Schande ist auch das „New Low aus South Carolina“; Nancy Ruth Mace (*1977), seit Januar 2021 GOP-Abgeordnete im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten. Sie war eine der acht Hardlinerinnen, die im Oktober 2023 mit den Demokraten dafür stimmte, Kevin McCarthy zu vernichten, weil er ihr noch nicht Trumpisch genug war.
Mace wurde kurz nach der ultra-blamablen Katie-Britt-Rede an die Nation bekannt, als sie im nationalen Fernsehen von der Interviewer-Ikone George Stephanopoulos, nach der Schilderung ihrer eigenen traumatischen Vergewaltigung, gefragt wurde, wieso sie dann ausgerechnet den verurteilten Vergewaltiger Donald Trump so vehement unterstütze.
Es wurde eine der peinlichsten Momente der jüngeren US-Politgeschichte, als Mace sich verzweifelt lügend, versuchte aus der Situation zu winden, indem sie immer und immer wieder ausgerechnet Stephanopoulos bezichtigte, sie zu belästigen und zu beschämen, statt auf Trumps Opfer einzugehen.
An Erbärmlichkeit nicht mehr zu überbieten.
Sich über die Christin und das Vergewaltigungsopfer Mace zu wundern, weil sie sich für den Vergewaltiger und Frauenhasser Trump einsetzt und den anständigen Biden verachtet, beruht wiederum auf mehreren falschen Prämissen.
1. Erstens sind Christen eben keinesfalls automatisch gute Menschen.
2. Zweitens halten gerade Republikaner Vergewaltigungen und Kinderficken für lässliche und verzeihbare Sünden
3. Drittens qualifiziert der Umstand, Opfer eines Verbrechens geworden zu sein, keineswegs zu politischer oder moralischer Expertise. Das stellte auch der geniale Jan Philipp Reemtsma kürzlich im SPIEGEL klar.
[…..] SPIEGEL: War die Entführung kein Trauma?
Reemtsma: Ein traumatisches Erlebnis – ich bin kein traumatisierter Mensch. Den Begriff »Trauma« sollte man im eng medizinischen Sinn gebrauchen. Das Wort wird zu inflationär genutzt. Leute verwenden es, als wäre es etwas Erstrebenswertes, so genannt zu werden. »Opfer« von irgendwas zu sein, befördert das Ansehen. Das ist eine ganz besonders abstoßende Mode. Jemand hat mal zu mir gesagt: »Ich beneide Sie. Sie haben ein Schicksal.« Verrückt. Ich habe ein Leben, das viele Facetten hat, unter anderem auch diese. Unter anderem.
SPIEGEL: Eine zynische Bemerkung?
Reemtsma: Es gibt die Literaturgattung der Opfermemoiren. Man liest diese Bücher mit ehrfürchtiger Scheu und unterstellt, so jemand habe jetzt etwas über die Welt zu sagen, das tiefgründig ist. Das ist aber vollkommener Blödsinn. Jemand hat eine bestimmte Erfahrung gemacht, die andere nicht gemacht haben. Aber das macht ihn nicht zu einem weisen Menschen, nicht einmal unbedingt zu einem interessanten. Leid ist zu gar nichts gut. […..]
(JP Reemtsma, SPIEGEL 23.03.2024, s. 104ff)
Nancy Mace ist Christin, Verbrechensopfer, eine pathologische Lügnerin und ein moralisch verkommener Mensch. Das sind aber keine Widersprüche, sondern eine leider häufig vorkommende Kombination.
Die perfide Lüge ist ein Charakteristikum ihrer Politik.
Das ist republikanisch; das ist trumpistisch.
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