Rückblende:
Im Hamburger Wahlkampf von
2001, als ein gewisser Ronald Schill als „Richter Gnadenlos“ von den Hamburger
Springer-Blättern (decken 95% des lokalen Zeitungsmarktes ab) hochgejazzt
wurde, gab es noch ein zweites Thema außer Kriminalität. CDU-Mann Ole von Beust
versprach nach einem Wahlsieg „1000 neue Lehrer“ einzustellen.
Was dann kam, ist bekannt.
Der koksende Kriminelle Schill schoss auf fast 20% und bildete mit CDU und FDP
eine Koalition.
Schill stapfte von Skandal
zu Skandal, Beust kümmerte sich um gar nichts und ließ seinen Stellvertreter
zwei Jahre lang die Hansestadt bis auf die Knochen blamieren.
Schills Plan die Polizei gewaltig
aufzurüsten entpuppte sich in Wahrheit als Programm zu Schließung von
Polizeiwachen. Nach fast zehn Jahren CDU-Regierung war es immer noch nicht gelungen
die Polizei mit Computern auszurüsten. Noch im Jahr 2011 (!) hatten nur 5% der
Hamburger Kriminalbeamten einen Internetzugang.
Statt 1000 neue Lehrer
einzustellen, entlieSS
FDP-Bildungssenator Lange 800 Lehrer und schloss im großen Stil Schulen.
Ich werde nie vergessen,
wie eine konservative Nachbarin, die immer CDU wählte mich irgendwann im Jahr
2002 ansprach und sagte „also so, wie von Beust wurden die Wähler wirklich noch
nie verarscht!“
Dennoch – zehn Jahre lang
war Beust der beliebteste Politiker Hamburgs und wurde stoisch immer wieder
gewählt.
Als gelehrigster Schüler
Merkels hatte Beust die präsidiale Nichtregierungs-Methode vorexerziert. Er
kümmerte sich grundsätzlich nie um konkrete Politik, gab nie inhaltliche
Meinungen ab, bestimmte nicht öffentlich den Kurs.
Die Entscheidungen im
Sinne der von der CDU gewünschten Umverteilung von unten nach oben, wurden
freilich doch getroffen. Nur eben eher im Hinterzimmer und ohne, daß sich der
Bürgermeister die Hände schmutzig machte.
Prosperierende städtische
Unternehmen wie die Hamburger Elektrizitätswerke (HEW) und die Landesbetriebe
Krankenhäuser (LBK) wurden gegen den Willen des Volkes an Vattenfall,
respektive Asklepios verscheuert.
Rekordzustimmung gegen
Arbeitsverweigerung – so funktioniert das heute.
Man kommt regelrecht ins
Staunen, wenn man wie in Hamburg erleben kann, daß eine SPD-Regierung in
Rekordzeit all die angeblich unlösbaren Probleme abräumt. Bürgermeister Scholz
ARBEITET eben und kümmert sich. All das was zehn Jahre unter CDU-Schill-FDP-Grün
liegen gelassen wurde, packt die SPD an.
Auf einmal werden wieder
Wohnungen gebaut, es findet sich eine Lösung für die Elbphilharmonie, die zerrockerten
Straßen werden saniert – und, oh Wunder, zehn Jahre nach Beusts leeren Versprechungen
werden Lehrer eingestellt.
Nie gab es so viele Lehrer in Hamburg wie heute
[…] Es ist ein Allzeit-Rekord: Hamburg hat nie mehr Lehrer beschäftigt als heute. Zu Beginn des neuen Schuljahres weist die Statistik der Schulbehörde exakt 15.245 Lehrerstellen (2010: 14.159) für die 384 staatlichen Schulen aus. Die Gesamtzahl der Lehrer liegt aufgrund von Teilzeit-Beschäftigungen bei rund 19.000.
Einen Höchstwert weist auch die Zahl der Erzieher und Sozialpädagogen an Schulen mit 1596 Stellen (2010: 1294) aus. Der Gesamtzuwachs um rund 1400 Pädagogenstellen erfolgte bei einer etwa gleich gebliebenen Schülerzahl von jetzt 221.186 Jungen und Mädchen. "Das ist ein kraftvoller Zuwachs und zeigt, dass Bildung ein klarer Schwerpunkt der Senatspolitik ist", sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). […] In keiner Klasse sollen mehr als 23 Kinder sitzen, in Schulen in sozialen Brennpunkten sogar nur 19 Jungen und Mädchen. Zu Buch schlagen aber auch der Ausbau der Ganztagsschulen, die Einführung der Inklusion an Regelschulen sowie die Förderung des Übergangs Schule–Beruf. Rechnerisch kommen auf einen Pädagogen im Durchschnitt aller Schulformen und Klassenstufen 11,7 Schüler. Hamburg nimmt damit bundesweit eine Spitzenposition ein.
Die Folge der Einstellungswelle: Die Lehrer werden immer jünger. Das Durchschnittsalter beträgt 45,33 Jahre, der geringste Wert seit den 90er-Jahren. Gleichzeitig bleiben die Lehrer länger im Dienst. Das durchschnittliche Pensionierungsalter liegt bei 63,56 Jahren. "Das sind erfreuliche Zahlen, die zeigen, dass Hamburgs Schulen gut aufgestellt sind", sagte Rabe.(Hamburger Abendblatt 03.08.13)
So ist das mit der SPD.
Sie hat gute Konzepte und arbeitet auch, wenn sie denn gewählt wird.
Sogar an die Grundübel der
Gesellschaft, Rechtsradikalismus und xenophobie, wagt sie sich mit ausgefeilten, durchgerechneten Plänen.
Yasemin Karakaşoğlu und Thomas Oppermann, beide Mitglieder des Kompetenzteams von Peer Steinbrück, haben heute folgenden Masterplan gegen Rassismus und Rechtsextremismus vorgestellt, den sie nach der Bundestagswahl auf den Weg bringen wollen.
Wir wollen eine offene und tolerante Gesellschaft, in der Rassismus keinen Platz hat. Wechselseitiger Respekt ist eine wichtige Voraussetzung für unsere Demokratie. Rassismus und Rechtsextremismus stellen diese Werte in Frage. Das dürfen wir nicht akzeptieren.
Rassismus und Rechtsextremismus sind leider Alltag in Deutschland. Rassismus beschränkt sich nicht nur auf Rechtsextreme und äußert sich auch nicht nur durch körperliche Gewalt. Rassistische Diskriminierungen gibt es auf der Suche nach einem Arbeitsplatz oder nach einer Wohnung. Und täglich werden rund 45 Straftaten mit rechtem Hintergrund begangen, davon zwei bis drei unter Einsatz von Gewalt. Jahrelang konnte die rechtsextremistische Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ unerkannt ihre schrecklichen Taten verüben. Wir konnten unsere Mitbürger nicht schützen. Ein solcher Vorfall darf sich nie wiederholen. Aber auch jeder Fall des Alltagsrassismus ist einer zu viel.
Wir wollen unsere Demokratie verteidigen und werden daher nach der Bundestagswahl einen Masterplan gegen Rassismus und Rechtsextremismus auf den Weg bringen.
Ziel ist es, das Rückgrat unserer Gesellschaft durch Bildung und Aufklärung zu stärken. Wir wollen aktives Engagement gegen Rassismus und Rechtsextremismus und für Demokratie ermuntern und unterstützen. Und unsere Sicherheitsbehörden wollen wir so reformieren, dass wir von Rassismus bedrohte Menschen besser schützen können.
Die Erfahrung mit Aktionsplänen der Vergangenheit zeigt, dass die Handlungsfelder eines Masterplans klar definiert sein müssen. Eine Konzentration auf klar umrissene Handlungsfelder ist wirkungsvoller als der Versuch, in allen Bereichen gleichzeitig tätig zu werden.
Im Rahmen des Masterplans wollen wir Polizei und Justiz für Rassismus und Rechtsextremismus weiter sensibilisieren, die Zivilgesellschaft stärken und die Menschen durch Bildung schon von klein auf gegen Rassismus und Rechtsextremismus immunisieren.
Andere Bereiche, in denen auch eine Diskriminierung stattfindet, wie zum Beispiel das Arbeitsrecht wollen wir unabhängig von diesem Masterplan bearbeiten. [Details siehe Link…]
Zur Erinnerung – in 13 Jahren
Merkelschen CDU-Vorsitz und acht Jahren Merkel-Kanzlerschaft wurde so etwas nie
angefasst – die zuständigen Ministerinnen von der Leyen, Schavan und Schröder
(alle CDU) verweigerten aktiv zu werden, kürzten Mittel, warfen Initiativen
gegen Rassismus noch Knüppel zwischen die Beine (Stichwort „Gesinnungsprüfung“)
und ließen die Schulen verrotten.
Das reiche Deutschland hat jetzt die
niedrigste Studierendenquote Europas und die geringsten Bildungsausgaben. Dafür
zahlen wir Milliarden für eine BILDUNGSFERNHALTEPRÄMIE, damit die Kinder aktiv
verdummt werden.
Es fehlen Millionen
Fachkräfte, die nun mühsam im Ausland abgeworben werden müssen.
Hätte der Urnenpöbel mehr
als drei Hirnzellen pro Wähler, würde
die CDU am 22. September 2013 nach dieser historisch beispiellos blamablen
Regierungszeit, in der ein nie für möglich gehaltener Dilettantismus aufgeführt
wurde, unter der 5%-Hürde landen.
Stattdessen ist aber
Steinbrück weit abgeschlagen und Merkel beliebt wie nie.
Wie kann das sein?
Da ist zunächst einmal die genetische Eigenart der Deutschen, daß sie niemals eine Regierung komplett austauschen. In 17 Legislaturperioden hat es erst ein einziges mal den Fall gegeben, daß eine alte Regierung vollständig abgewählt wurde (1998) – sonst wurde immer mindestens eine der Regierungsparteien bestätigt.
Deutsche sind obrigkeitshörig und finden die gut, die dran sind.
Nachgedacht, ob die
Regierung es verdient hat weiter zu Regierung wird nicht.
Ich schätze Georg Diez‘
Kolumnen eigentlich gar nicht, aber gestern hatte er ein ppaar gute Sätze.
Eine Nullpolitikerin regiert Deutschland: Angela Merkel herrscht nach den Gesetzen des technokratischen Zeitalters, ihre Sprache ist steril - wie die der gesamten politischen Klasse. Das ist nicht mehr auszuhalten.
Kann jemand bitte den Bundestagswahlkampf stoppen? Jetzt, heute, bevor noch mehr Plakate gedruckt werden, die niemand sehen will, bevor noch mehr Personen interviewt werden, die nichts zu sagen haben, bevor wir mit noch mehr Phrasen gequält werden, die wir nicht verdient haben.
[…] Ich will allerdings auch keine Kanzlerin, die ins Stottern gerät, wenn man sie fragt, warum sie ihren Job behalten will. Ich will keine Kanzlerin, die ihr Land mag, weil es dort "dichte und schöne Fenster" gibt. Ich will eine Kanzlerin, die auch mal Mittagsschlaf macht. […] "Die gesamte politische Klasse in Deutschland spricht diese sterile Lego-Sprache", schreibt er in der "New York Review of Books", "sie zimmern vorgefertigte Phrasen zusammen aus hohlem Plastik. Die meisten deutschen Politiker fliegen eher allein zum Mond, als dass sie einen bleibenden Satz formulieren."
[…] Bleibt also sie, die Scheinriesin im Reich der Zwerge. In ein paar Jahren, wette ich, werden sich viele wundern, wie wir auf diese Nullpolitikerin hereinfallen konnte. In der Zwischenzeit allerdings regiert sie uns nach dem Gesetz der reinen Evidenz: Es gibt keine Prinzipien, Vorstellungen, Ideale, es gibt nicht mal Gründe - es gibt nur das, was es gibt.
Der von mir mehr
geschätzte Thorsten Denkler relativiert inzwischen die Umfragewerte „der
Koalition“.
Meilenweit liegt die SPD in der Popularität hinter der Union und meilenweit ist sie auch entfernt von der für sie so wichtigen 30-Prozent-Marke in den Umfragen. Sieben Wochen vor der Wahl lässt sich das leicht erklären. Da sind der unglückliche Kandidat, die verkorkste Kampagne, die Personalquerelen im Willy-Brandt-Haus.
Aber dass die schwarz-gelbe Koalition die besten Zustimmungswerte für eine Bundesregierung seit 16 Jahren haben soll? Da kommen dann doch gehörige Zweifel am Zustandekommen des jüngsten Deutschlandtrends der ARD auf. Dieser Umfrage zufolge sind 52 Prozent der Bundesbürger zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Einen ähnlichen Wert hatte zuletzt die rot-grüne Bundesregierung 2001 kurz nach dem Beschluss zum Atomausstieg. Damals waren es 51 Prozent.
Der famose Wert für die Koalition aus Union und FDP aber kommt in einer Phase, in der die politische Zukunft von Verteidigungsminister Thomas de Maizière wegen der Drohne Euro Hawk auf der Kippe steht. In der die Kanzlerin von sich glauben zu machen versucht, von den diversen Datenspähprogrammen der USA nicht gewusst zu haben. In der die Regierung seit einem knappen halben Jahr das Regieren praktisch eingestellt hat. Die wichtigste Neuerung war noch die steuerliche Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften. Aber selbst dazu musste die Regierung vom Bundesverfassungsgericht gezwungen werden.
Offenbar trauen die Demoskopen den hohen Zustimmungswerten auch nicht so recht. Sie haben mit gezielten Fragen versucht, herauszufinden, woran es liegen könnte, dass die Bundesregierung sich objektiv in einem desolaten Zustand befindet, aber vom Volk bejubelt wird.
Das Ergebnis: Denken die Deutschen an Bundesregierung, denken sie nicht an die Minister de Maizière, Ronald Pofalla oder Kristina Schröder, nicht an Hans-Peter Friedrich, Guido Westerwelle oder Dirk Niebel. Sie denken einzig und allein an: Angela Merkel.
Der 52-Prozent-Wert kam mit der Frage zustande, wie zufrieden die Menschen mit Schwarz-Gelb im Allgemeinen seien. Nach der Zufriedenheit mit der Bundesregierung "unter Führung von Angela Merkel" gefragt, waren sogar 56 Prozent zufrieden. Als aber die Frage noch mal modifiziert wurde, brach der Zustimmungswert ein. Zufrieden mit der Arbeit der "Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP" waren plötzlich nur noch 38 Prozent. [….]
Den „Merkel-ist-toll-Wahrnehmungseffekt“
verstärken die fast durch die Bank weg versagenden Medien, die bis heute nicht
mit kritischen Fragen an Merkel heran gehen.
Die Groß-Paten der Medienkonzerne,
Hubert Burda, Lis Mohn und Friede Springer, stehen 100% zu der Kanzlerin, die
den Milliardären das Vermehren ihres Reichtums garantiert.
Interviews mit
der
Kanzlerin geraten zu Peinlichkeiten, die man in Journalismusschulen als
Negativbeispiele vorführen könnte – so macht man es nicht.
Erkenntnisgewinn
Null.
Aber die deutsche
Journaille ist eine Herde. Kaum einer traut sich mit seiner Minung
auszubrechen. Sie schreiben alle das, was alle schreiben.
Es gibt jährliche Moden,
denen zu 95% gefolgt wird –egal ob sie zur Realität passen oder nicht.
Steinbrück hat, wie
SPD-Kandidaten so oft, das Pech nicht in Mode zu sein.
Gnadenlos wird er von
links bis rechts gebasht.
Man erinnert sich an 2002/2003 als angeführt von
Gabor Steingart (SPIEGEL) und Hans-Ulrich Jörges (STERN) alle Journalisten (bis
auf wenige Ausnahmen in ZEIT und taz) daran arbeiteten Rot/Grün fertig zu
machen und stattdessen Jubelarien über die herbeigewünschte
Westerwelle-Merkel-Regierung voneinander abschrieben.
Steinbrück kann jetzt
machen was er will.
Es wird nur noch nach Möglichkeiten gesucht ihn fertig zu
machen.
Fast schon boshaft wird alles, was er macht, ausgeschlachtet und hinterfragt. Seine Tränen nach einer kämpferischen Rede seiner Frau auf einem SPD-Konvent, der Besuch einer Wahlkampfveranstaltung in Mettmann am Tag des Geburtstages seiner Frau - ja sogar das Horten von 100 Glühbirnen im Keller wird Steinbrück als schwerer Konflikt mit dem ehemaligen Umweltminister und jetzigen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel ausgelegt. […]
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