Dienstag, 13. August 2013

Unser Guido - Teil IV

Bald bin ich nicht mehr Abonnent einer Springer-Zeitung, weil das „Hamburger Abendblatt“ an den Funke-Konzern verscheuert wird. 20 % Rendite, die Springer noch beim PRINT erwirtschaftet sind Merkels Busenfreundin Friede zu wenig.
Nun ja, mir soll es recht sein. Am „HH Abla“ hängt mein Herz nicht.
Liebend gerne würde ich eine andere Hamburger Zeitung abonnieren, denn mindestens EINE seriöse Zeitung mit Hamburger Regionalinformationen brauche ich.
Aber hier gibt es nur Springer. Traurig aber wahr – der bedeutende Medienstandort Hamburg (STERN, SPIEGEL, ZEIT,..) hat keine einzige vernünftige Tageszeitung zu bieten. Schon gar nichts Überregionales wie Frankfurt oder München.

Anyway. Da das HH Abla NOCH zum Springerkonzern gehört und die politischen Artikel aus einem zentralen Pool kommen und schon lange nicht mehr individuell von Journalisten für eine Zeitung geschrieben werden, hatte ich heute das zweifelhafte Vergnügen an den Profi-Beleidiger Hendryk M. Broder und seinen AchGut-Blog erinnert zu werden.
Spätestens nach Anders Breivik Bezugnahme auf Broder, die dieser mit kokett und mit einen gewissen Stolz kommentierte, nimmt man eigentlich automatisch eine leicht grüne Gesichtsfarbe an, wenn Broder gegen Linke, Muslime oder sozialschwache agitiert.
Es kommt allerdings, in seltenen Fällen, auch vor, daß Broder gegen jemanden schießt, den ich zufällig genauso übel finde wie er.
In dem Moment finde ich mich plötzlich in dieser bizarren „der Feind meines Feindes ist mein Freund“-Situation wieder und sitze temporär mit Broder in einem Boot. 
Das kann durchaus amüsant sein, weil Broder nicht so blöd wie andere rechte Pöbler ist und in seiner extrem polemischen und sarkastischen Art durchaus humorvoll bleibt.
Das kann mal einen Bischof treffen; das trifft aber auch immer wieder Westerwelle, den ich für einen der unangenehmsten Politiker halte, die Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg hervorgebracht habe.
Vor genau drei Jahren konnte ich mir schon einmal nicht verkneifen Broder deswegen lobend zu erwähnen.
Henryk M. Broder ist ein Sonderfall.
Ich habe bisher leider erst zwei seiner Bücher durchgelesen.
Die Irren von Zion. Hoffmann und Campe, Hamburg 1998 ist brillant. Kann ich nur empfehlen.
Kein Krieg, nirgends. Berlin Verlag, 2002 ist auch brillant formuliert. Kann ich aber nicht empfehlen. Inhaltlich ist das eine echte Pest. Dabei habe ich mich fast schwarzgeärgert.

So scheint es mir immer bei Broder zu sein - er ist so extrem polemisch und provokant, daß man es kaum aushält, wenn er zufällig anderer Meinung als man selbst ist.
Einfach gruselig was er beispielsweise über die Erderwärmung denkt.

Hat man ihn allerdings zufällig auf seiner Seite, sind seine Formulierungen ein absoluter Genuß.
Wenn er in seiner ruhigen Art in einer Talkshow sitzt und anwesenden Bischöfe zur Weißglut bringt, gefällt mir das natürlich.

Unvergessen, als er im Februar 2009 in Illners Schwatzrunde die „affirmative Schleimerei“ des Papst-Bewunderers Nathanael Liminski (23) von der "Generation Benedikt" beklagte.

Der anwesende Bischof (ich glaube es war Jaschke) warf ihm vor den „interreligiösen Dialog“ zu sabotieren, worauf Broder entgegnete er müsse sich diesbezüglich keine Vorhaltungen machen lassen, er führe den „interreligiösen Dialog“ jeden Tag, da er mit einer Katholikin verheiratet sei - das solle der Bischof ihm erst einmal nachmachen.

Gestern pupte Herr Broder in seiner Eigenschaft als SPIEGEL-Kolumnist Guido Westerwelle an.
Natürlich ist das auch kein Artikel ohne zweifelhafte Sätze, die ganz offensichtlich nur untergebracht sind, um ein paar seiner Kritiker auf die Palme zu bringen.
Im Großen und Ganzen hat er aber völlig Recht.
Es gibt einiges, worauf man als Deutscher stolz sein kann. Zum Beispiel die Tatsache, dass der Regierende Bürgermeister von Berlin ein bekennender Schwuler ist. Ebenso der derzeitige Außenminister. Wer sich noch an den Muff der fünfziger und sechziger Jahre erinnern kann, an das Geraune um den damaligen CDU-Außenminister Heinrich von Brentano, der als "unverheirateter Katholik bei seiner Mutter" lebte (Wikipedia), oder an den Satz von Franz Josef Strauß "Ich will lieber ein kalter Krieger sein als ein warmer Bruder" aus dem Jahre 1970, der weiß, dass die Einstellung gegenüber Homosexuellen ein Maßstab für den Zivilisationsgrad einer Gesellschaft ist.
Dabei geht es nicht um Toleranz, denn Toleranz ist ein Gnadenakt, der ebenso schnell widerrufen werden kann, wie er gewährt wurde. Den meisten Deutschen ist es egal, ob ein Politiker Homo, Hetero, Vegetarier oder Radfahrer ist; Guido Westerwelle wurde nicht zum Außenminister gewählt, weil er schwul ist, auch nicht, obwohl er schwul ist. Seine sexuelle Disposition war den Wählern einfach wurscht. Und daran wird sich - hoffentlich - nichts ändern, bis er eines Tages aus seinem Amt wieder rausgewählt wird.
(H.M. Broder am Freitag, den 13. August)
Geradezu ätzend polemisch wird Broder bei der Bewertung von Guidos Entschluß künftig seinen Herrn Mronz nicht mehr in Länder mitzunehmen, die homophobe Gesetze haben.
Denn:
"Wir wollen den Gedanken der Toleranz in der Welt befördern. Aber wir wollen auch nicht das Gegenteil erreichen, indem wir uns unüberlegt verhalten." Man muss diesen Satz nicht zweimal lesen, um zu begreifen, was in ihm steckt: Toleranz ist eine feine Sache, aber wir sollten es mit ihr nicht zu weit treiben. Das ist mehr als eine der üblichen Politiker-Sprechblasen, es ist moralisches Harakiri in Zeitlupe, eine Schande.
(H.M. Broder am Freitag, den 13. August)
Recht hat er, der Broder.

Hat man jemals seit Ribbentropp so eine Fehlbesetzung auf dem Stuhl des Außenamtschefs gesehen?
Broder kann der dümmlichen und unerwünschten Anwesenheit Westerwelles in Israel und Palästina genauso wenig abgewinnen wie ich.
Der Friedensprozess wird auch mit Guidos Hilfe nicht einfacher werden.
Zwanzig Jahre nach den Verträgen von Oslo, mit denen ein Schlussstrich unter die Geschichte gezogen und der Grundstein für einen "neuen Nahen Osten" (Schimon Peres) gelegt werden sollte, heißt es wieder: Alles auf Anfang! Yitzhak Rabin wurde ermordet, Jassir Arafat starb eines wie auch immer gearteten Todes, deren Nachfolger machen sich gegenseitig für das Scheitern des "Friedensprozesses" verantwortlich.
Man fühlt sich wie in dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier", wacht jeden Morgen zu derselben Melodie auf und weiß schon im Voraus, wie der Tag zu Ende gehen wird. Das gilt auch für die Diskussion auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung, zu der kein Palästinenser gebeten war, denn erst einmal sollen sich die Israelis darüber klar werden, was sie eigentlich wollen. Und dabei möchte die KAS, ebenso wie alle anderen deutschen Parteistiftungen, die in Israel aktiv sind, behilflich sein.
(Broder 10.08.13)

Der Zorn des exklusiven SPRINGER-Schreiberlings Broder trifft aber nicht nur die unmittelbaren Akteure im „Heiligen Land“, sondern zu Recht auch die Wichtigtuer des Schlages Westerwelle, die NICHTS ausrichten, außer sich selbst für das heimische Publikum in Szene zu setzen.
Gut, daß die gemäß Satzung zur klaren proisraelischen Stellung verpflichteten SPRINGER-Zeitungen auch das abdrucken.
 Außenminister Westerwelle ist wieder in Nahost. Dabei hat er weder neue Erkenntnisse noch bahnbrechende Lösungsansätze für den Konflikt im Gepäck. Sind wir Zeugen eines Rituals vergangener Zeiten?  Zum zweiten Mal in diesem Jahr besucht der deutsche Außenminister, Guido Westerwelle, Israel. Warum? Um alte Freunde zu treffen? Um neue Kontakte zu knüpfen? Um Premier Netanjahu, der soeben operiert wurde, eine rasche Genesung zu wünschen?
Dafür müsste er sich nicht persönlich auf den Weg machen. Die deutsche Post bietet noch immer Telegramme als "unvergessliche Nachricht für den besonderen Anlass" an, das "Mini" für 15,20 Euro, das "Maxi" für 18,35 Euro. Es gibt vier Schmuckblätter zur Auswahl. Der besondere Service dabei ist: Man kann das Telegramm online aufgeben, muss also nicht zum Postamt laufen und vor dem Schalter Schlange stehen. [….]
[….] Der Auswärtige Dienst funktioniert noch immer so wie zur Zeit des Wiener Kongresses vor 200 Jahren. Diplomaten und Politiker reisen durch die Welt und treffen sich zu Gesprächen mit anderen Politikern und Diplomaten.
Und egal, wen sie getroffen und worüber sie geredet haben, sie kommen immer mit guten Nachrichten zurück. Die Gespräche hätten in einer "freundschaftlichen und offenen Atmosphäre" stattgefunden, man habe vereinbart, "den Gedankenaustausch sehr bald fortzusetzen".
[….] Warum also kommt der deutsche Außenminister Guido Westerwelle zum zweiten Mal in diesem Jahr nach Israel? Warten nicht auch in Damaskus alte Bekannte und neue Herausforderungen auf ihn? Nun, es geht wie immer um die besonderen deutsch-israelischen Beziehungen, um den Friedensprozess und die deutsche Angst, tatenlos zuschauen zu müssen, wie Geschichte geschrieben wird.
Ein unvergleichlicher Platitüden-Reigen.
Und das hört sich am Ende dann so an: Man wolle unsere guten und konstruktiven Möglichkeiten nutzen, um die Verhandlungen zu gestalten; es läge im Interesse der Palästinenser und der Israelis, den Nahostkonflikt, diese Mutter vieler Schwierigkeiten, in einen Prozess zu führen, dessen Ende zwar nicht absehbar sei, der aber geführt werden müsse.
Dabei habe, trotz der jüngsten EU-Beschlüsse, kein Politikwechsel gegenüber Israel stattgefunden; man müsse darüber nachdenken, wie man eine Brücke der Vernunft zwischen Europa und Israel bauen könne; das sei keine große Zauberkunst, wenn man alle Fragen praktisch und pragmatischen angehe.
[….] Es sei zu früh, den neuen iranischen Präsidenten Rohani einzuschätzen, man solle ihm aber eine Chance geben; die atomare Bewaffnung des Iran müsse verhindert werden, nicht nur im Interesse der Israelis, sondern der Region und der ganzen Welt; vor allem dürfe es rund um den Golf nicht zu einem atomaren Wettrüsten kommen.
[….] Nun sind das alles nicht unbedingt brandneue Erkenntnisse, und der Bundesaußenminister ist nicht zum ersten Mal im Nahen Osten unterwegs. Ein wenig kommt er einem vor wie ein Partygast, der erst zum Nachtisch dazukommt und gleich damit loslegt, eigene Rezepte zu verteilen.
Westerwelle weiß, wie wenig es darauf ankommt, was die Bundesrepublik tut oder unterlässt. Aber seit Bernhard von Bülow, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, im Jahre 1897 für das Kaiserreich "unseren Platz an der Sonne" einforderte, zieht es deutsche Politiker in den Nahen, Mittleren und Fernen Osten. Wenn man schon nicht mitmachen darf, will man wenigstens dabei sein.
 (Henryk M. Broder, 12.08.13)

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