Montag, 6. Januar 2014

Verdrehte Welt – das sehe ich...nicht…gern.



Das blöde Internet bringt alles durcheinander.
Alles passiert jetzt gleichzeitig und kontinuierlich, so daß man gar keine Wochenstruktur mehr hat.

Sonntags war der Politiktag; eingeläutet mit dem Internationalen Frühschoppen um 12.00 Uhr. Dann kam Montag, SPIEGEL-Tag und in dem dicken Heft las man begierig alles, bis am Donnerstag ZEIT und STERN im Briefkasten lagen.

Jetzt gibt es irgendwie immer alles und nichts.
Jeden Tag ein Dutzend Talkshows und die Tageszeitungen und ARD-Magazine machen investigative Recherche inzwischen besser als der SPIEGEL.
Trotzdem, aus alter Gewohnheit, freue ich mich immer noch auf den SPIEGEL am Montag – auch wenn ich seit vielen Jahren das ePaper habe und schon einen Tag vorher lesen kann, was die neue Ausgabe bieten wird.

Heute ist Montag und daher ist auch wieder SPIEGEL,… äh, nein, offensichtlich BUNTE-Tag.

Die Titelgeschichte handelt von Michael Schumachers Ski-Unfall.
TITELGESCHICHTE!
Ein Sporthansel, der 700 oder 800 Millionen Euro damit gemacht hat sinnlos im Kreis fahrend die Ozonschicht zu ruinieren und seit 1996 als Steuerflüchtling in der Schweiz lebt, nimmt eine nicht freigegebene Piste, fällt auf den Kopf und die deutsche Presse lungert kollektiv vor dem Krankenhaus rum.
Als ob es sonst nichts zu berichten gäbe in der Welt.
Bin gespannt, ob die Kanzlerin, die heute ebenfalls beim Skifahren eine kolossale Bruchlandung hinlegte, nächste Woche ebenfalls eine Genesungs-Homestory im SPIEGEL bekommt.
Es gibt in der SPIEGEL-Ausgabe vom 06.01.14 weitere ähnlich bedeutende Artikel.
So berichtet Markus Feldenkirchen volle vier Seiten über „die Traurigkeit des Trivialen“, nämlich die Affärchen der Sylvie „van der Vaart“ Meis.
Endlich erfahre ich die Penisgröße von Sylvie van der Vaarts letztem Lover.
„14-16 cm“ (SPIEGEL 2/2014 s.109).
Bestürzt lese ich von Sylvies „Schock“ am vorweihnachtlichen Düsseldorfer Flughafen. Sie war dort aus Hamburg zur Aufzeichnung einer RTL-Show eingetroffen und „Gogo“ war nicht da.
Ohne „GoGo“ geht aber gar nichts. Er ist so wichtig für sie. „Mit ihm an der Seite habe sie das Gefühl Kontrolle zu haben. Über ihr Äußeres, ihre Erscheinung“ (SPIEGEL 2/2014 s.110) Aha Gogo macht ihr offenbar die Haare. Daß er nicht rechtzeitig da ist, ist wahrlich ein Skandal, dem sich Europas größtes Nachrichtenmagazin annehmen mußte!
Aber zum Glück findet Silvie wieder die Muße über ein Thema für ihre neue Unterwäsche-Kollektion nachzudenken: „Das muss aus meinem Herzen kommen!“ (SPIEGEL 2/2014 s.111)

Bizarrerweise ist es ausgerechnet der neue stellvertretende Chefredakteur Nikolaus Blome, der von der BILD-Zeitung eingekauft wurde, der erneut den sinnvollsten Artikel des Heftes beiträgt.
Schon Gabriels Handhabung der SPD-Mitgliederbefragung hatte Blome treffend analysiert.
Diesmal ist es wieder nur ein Zweispalter über unsere famose große Koalition, aber immerhin mit einem Inhalt, der das Lesen lohnt.

..eine frivole Selbstgefälligkeit des „Weiter so“: Als übellaunig und notorisch naseweis wird immer öfter abgekanzelt, wer bereits jetzt zweifelt, ob der schwarz-rote Koalitionsvertrag dem Land die richtige Richtung weist….Und was macht eine Kanzlerin, die Krise kann – wenn die Krise vorbei ist?.....Erst wenn die Zahlen wieder schlechter würden, so heißt es, käme der Moment, die im Koalitionsvertrag beschlossenen Geschenke wieder einzusammeln. Das ist zynisch. Ging weitblickende Politik nicht irgendwie anders?..
(Der Spiegel, 2/2014 s.28)

Das katastrophale und extrem peinliche Versagen der SPD angesichts des Merkel-Pofalla-Desasters traut sich allerdings nur die Online-Schwester SPON anzuticken.

Das dröhnende Schweigen der Genossen
[….] Noch vor kurzem nutzten SPD-Politiker jede Gelegenheit, um die Union zu kritisieren. Im Fall Pofalla verhalten sich die Genossen auffallend ruhig, manche unterstützen den möglichen Wechsel des Ex-Kanzleramtschefs zur Bahn sogar. Warum eigentlich?
Opposition ist nicht schön, das ist wohl wahr. Hin und wieder hatten die Sozialdemokraten in den vergangenen vier Jahren aber doch ihre helle Freude - dann nämlich, wenn es galt, der Bundesregierung einen einzuschenken. Der Wechsel von Eckart von Klaeden zu Daimler? Ein Skandal! Die Drohnenaffäre des Verteidigungsministers? Ein Desaster! Nicht selten ließen es die Genossen verbal mächtig krachen.
Wie sich die Zeiten doch ändern. Kaum ist man selbst in Amt und Würden, ist es vorbei mit der Angriffslust. Zu besichtigen ist das dieser Tage im Fall von Ronald Pofalla. Der Vertraute der Kanzlerin steht angeblich vor einem Wechsel in den Vorstand der Deutschen Bahn. Und die mitregierende SPD? Schweigt. Parteichef Sigmar Gabriel - immerhin seit Dezember über Pofallas Vorhaben informiert - ist ebenso wenig ein kritisches Wort zu entlocken wie Fraktionschef Thomas Oppermann oder Arbeitsministerin Andrea Nahles. Und wenn sich ein Roter äußert, dann klingt das sehr wohlwollend.
"Ich kann darin keinen Skandal erkennen", sagt zum Beispiel der künftige Parteivize Ralf Stegner. [….] Je länger die Sozialdemokraten sich aus der Debatte heraushalten, desto stärker gewinnt man den Eindruck, die SPD schaue bei sensiblen Sachverhalten nicht mehr so genau hin, um es sich mit der Union nur nicht zu verscherzen. Das ist einer Partei, die sich moralisch - durchaus zu Recht - in einer Vorreiterrolle wähnt, unwürdig.
[….] Die SPD sollte die Debatte darüber nicht der Opposition überlassen. Mit Anstand regieren, heißt auch, hin und wieder mal den Finger zu heben. Auch in Richtung des eigenen Koalitionspartners.

Ob Herr Medick meinen Wutanfall zum Thema vom 04.01.14 gelesen hat?



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