Ach
ja, das ist ja jetzt oft so enttäuschend, wenn der SPIEGEL mit Geschichten über
die katholische Kirche titelt.
Da
freut man sich über ein lustiges Leseerlebnis und dann werden nur olle Kamellen
aufbereitet, die man schon aus Tageszeitungen kennt.
Oder
noch schlimmer: Es wimmelt von sachlichen Fehlern und abstrusen
Fehleinschätzungen - dafür steht die Titelstory aus dem Februar 2013 über das
Konklave.
Die
aktuelle Titelgeschichte vom 27.01.2014 über den Papst und den Sex gab auch das
Erwartbare wider: Nein, nicht alle Katholiken halten sich vollständig an die
sexualmoralischen Lehren der RKK.
Jakob
Augstein fasste das gesamte Ergebnis der weltweiten Studie in einem Wort
zusammen – „nichts“.
Diese
Erfahrung macht die katholische Kirche gerade, die von ihren Gläubigen wissen
wollte, was sie von der kirchlichen Sexualmoral halten. Das Ergebnis - nichts - ist weniger überraschend als
die Tatsache der Umfrage selbst, über die der neue SPIEGEL berichtet.
Man
fragt sich wirklich, wieso die Kurie um Franzl überhaupt gefragt hat. Hätten
nicht 30 Minuten Zappen, Internet oder das Lesen einer beliebigen Zeitung dazu
gereicht, um zu wissen, daß niemand die moralischen Vorgaben aus dem KKK ernst
nimmt – und auch nie ernst genommen hat?
„Unzucht ist
die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht
miteinander verheiratet sind. Sie ist ein schwerer Verstoß gegen die Würde
dieser Menschen“, heißt es zum Beispiel im katholischen Katechismus. „Zudem ist
sie ein schweres Ärgernis, wenn dadurch junge Menschen sittlich verdorben
werden.“ Masturbation („eine schwere ordnungswidrige Handlung“) wird ebenso
verdammt wie Homosexualität („in keinem Fall zu
billigen“). Ganz schlimm, sogar „unsittlich“, verhält es sich überdies
mit der Ehescheidung – „weil sie in die Familie Unordnung bringt … und für die
Gesellschaft aufgrund ihrer ansteckenden Wirkung zu einer tiefen Wunde wird“.
(DER SPIEGEL 5/14 s.38)
Wenig
überraschend, daß sich kaum einer der jungen Katholiken daran hält.
Lange
geklärt ist auch der Zusammenhang zwischen Wissen und Religiosität. Am besten
wissen die Atheisten über die Kirche Bescheid. Deswegen sind sie ja Atheisten.
Kirchenkritiker
aus „meiner Szene“ haben Uta Ranke-Heinemann und andere gelesen und kennen
daher ganz selbstverständlich die Entzyklika „Humanae vitae“ sowie ihre Entstehungsgeschichte und die heutige
Bedeutung. Unter den praktizierenden Katholiken sind solche Lehrschreiben
hingegen gänzlich unbekannt.
Nur
durch Unwissen können sie ihr schizophrenes Leben, beispielsweise als Frau in
der RKK (Andrea Nahles!) aushalten.
Große
Verwirrung löste auch die Frage aus, wie gut die Gläubigen die Lehre von
„Humanae vitae“ kennen. „10 von 10 spontan Befragten dachten an eine vitalisierende
Körperlotion“, heißt es in einem in Mainz eingegangenen Fragebogen. Tat-
sächlich gemeint war aber das päpstliche Lehrschreiben „Über die Weitergabe des
Lebens“: Die Pillen-Enzyklika von Paul VI. hatte 1968 den Gebrauch von
Verhütungsmitteln verboten und verursachte damals einen tiefen Spalt zwischen
Amtskirche und Gläubigen.
(DER SPIEGEL 5/14 s.36f.)
Dennoch
erfuhr ich in der SPIEGEL-Story diesmal doch etwas Neues.
Zunächst
einmal ist die erfreuliche Tatsache zu registrieren, daß auch DER SPIEGEL
gemerkt hat, daß Franziskus in einem Jahr Pontifikat keine einzige der
widerlichen und menschendiskriminierenden Regelungen der RKK zurück genommen
hat. Die Macht dazu hätte er.
Er
plappert aber nur und denkt offenbar nicht daran seinen Schäfchen wirklich zu
helfen.
Recht
geglückt erscheint mir der Vergleich der pontifikalen Amtsübergabe mit dem
Wechsel von GWB auf Obama.
Der
jeweilige Vorgänger war so extrem unsympathisch, daß der Neue mit Vorschusslorbeeren
überschüttet wurde und man ganz entzückt auf seine moderaten Töne reagierte.
Bis man irgendwann merkten, daß der Neue auch
nur das tut, was der Alte tat.
Auch
die Informationen aus meinem Blog, daß nämlich der Papst ein Heuchler ist und beispielsweise mit der Erhebung des Abschaum-Bischofs Müller in den
Kardinalsstand eine ultrakonservative Stahlhelmlinie
vorgibt, finden nun Eingang in den SPIEGEL. Die Titelgeschichte thematisiert
die Gräben zwischen den Traditionalisten um Papst Benedikt, der immer noch im Vatikanstaat
hockt und dem unkonventionellen Franziskus-Fans.
Schließlich
bekommt auch der deutsche Chefbischof Zollitsch eine Breitseite ab.
Zollitsch,
der zynisch und heuchlerisch auf den Kindesmissbrauch, den er
zum Teil selbst vertuschte reagierte, ist kein netter
Mensch.
Er
steht für einen deutsche RKK, die mit Macht die Aufklärung des Kinderfickertums
verhindern will – Stichwort „Pfeiffer-Studie“.
Zollitsch forderte die missliebigen Pfaffen ultimativ zum
Gehorsam auf, die es wagten darüber nachzudenken, ob sie auch Geschiedenen die
Kommunion erteilen könnten
Dazu
erdreistete sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz auch noch,
denjenigen Bundestagsabgeordneten, die der Papstrede im Bundestag nicht zuhören
wollten, vorzuwerfen keine Demokraten zu sein. Er
forderte Anwesenheitspflicht.
Sagenhaft,
der oberste deutsche Vertreter einer absolutistischen Monarchie, die sich
weigert die Menschenrechte anzuerkennen und Myraidenfachen Kindesmissbrauch
gestattet hatte, wirft demokratisch gewählten Volksvertretern vor nicht
demokratscih zu sein.
Der
Mann, der Katholo-Romantikern wie dem Buchautoren schwulen Kirchenkritiker Daniel
Bühling („Das 11. Gebot: Du sollst nicht darüber sprechen“) als „scharfsinniger
Theologe und guter Hirte“ gilt, ist in Wahrheit natürlich auch nur ein
verlogener Karrierist.
Als ein im
positiven Sinne Geistlicher der alten Schule ist [Erzbischof Zollitsch] eben KEIN Erzkonservativer, wie es heute
gerade die jüngeren Priester gerne sind, sondern steht für den Geist des
Zweiten Vatikanischen Konzils: für Aufbruch, Erneuerung, Zukunft. Er nimmt die
Gläubigen und die gemeinsame Gestaltung der Kirche ernst und tritt für einen
bewussten Fortschritt ein, um die Kirche lebendig zu halten. Der Welt
zugewandt, reformfreudig und doch diplomatisch und tolerant genug, um auch die
konservativsten Bischöfe für sich zu gewinnen…
(D. Bühling „Das 11. Gebot: Du sollst nicht darüber sprechen“, s. 173 f.)
(D. Bühling „Das 11. Gebot: Du sollst nicht darüber sprechen“, s. 173 f.)
Der
Mann, der angeblich für Aufbruch und Erneuerung steht, ist den
ultrakonservativen Traditionen so sehr verpflichtet, daß er dafür sorgen wollte
den Gläubigen den heiklen Fragen gar nicht erst zu stellen. Dreist wollte er
die Ergebnisse der vatikanischen Umfrage fälschen, indem er die Fragen zur
Homosexualität selbst beantwortete und sie gar nicht erst den Schäfchen
vorlegte.
Das
ist verlogen, zutiefst antidemokratisch und zudem auch noch über alle Maßen
dumm, wen ner tatsächlich glaubte damit durchzukommen.
Entscheidungsfreudiger
zeigte sich Zollitsch in einem anderen, allerdings sehr bedeutsamen Punkt: „Die
Fragen 1, 2, 5, 7 und 8“, ließ er seinen Sekretär in einem Schreiben an die
deutschen Bischöfe verkünden, „werden zentral vom Sekretariat beantwortet.“ Um
Zeit zu sparen, sollten bereits vorliegende Positionen verwendet werden.
Tatsächlich wurden besonders
strittige Themen dem Kirchenvolk damit vorenthalten. Der Fragenkomplex 5
zum Beispiel befasst sich mit homosexuellen Paaren, die Fragen zu Punkt 7 mit
Verhütung und Abtreibung. In einer Welt ohne Internet hätte der etwas tollpatschige
Zensurversuch vielleicht funktioniert.
(DER SPIEGEL 5/14 s.34f.)
Das
konservative deutsche Episkopat versucht natürlich die sie schockierenden
Ergebnisse der Befragungen möglichst geheim zu halten und nur in sehr
entschärfter und aufgefrommter Form nach Rom zu übermitteln.
Top-Kleriker
hassen Transparenz.
Zollitsch
zittert.
Unter
deutschen Katholiken wird über den Fragebogen des Vatikans kontrovers
diskutiert: Ihre Sexualmoral hat mit der kirchlichen Lehre wenig gemein. Wie
sieht es in anderen Teilen der Welt aus? Eindrücke aus sechs Ländern.
"Die
Kirche ist aufgerufen, aus sich selbst herauszugehen", das sagte Jorge
Mario Bergoglio zu den Kardinälen, bevor die ihn zum Papst wählten. Krank sei
die Kirche, verpestet durch die Selbstbezogenheit von Personal und
Institutionen. Papst Franziskus hat die Heilung zur Mission erhoben: Er predigt
die Abkehr von weltlichem Prunk, er fordert zur offenen Diskussion auf, auch
Reizthemen sollen auf den Tisch.
[….] Doch der Dialog mit der Basis bleibt den
meisten Kirchenoberen fremd: In kaum einem Land wird der Fragebogen derart
kontrovers diskutiert, wie in Deutschland. In anderen Teilen der Welt werden
die Fragen oft in den Diensträumen der Bistümer beantwortet, die
Lebenswirklichkeit der Gläubigen bleibt außen vor.
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