Bei
Landtagswahlen ist für mich einer der interessantesten Aspekte, was die harten
Zahlen in den nächsten Wochen für einen „Spin“ entwickeln.
Der
deutsche Michel wählt nämlich gerne die Partei, für die die Stimmung gut zu
sein scheint. Parteiprogramm, Wahltaktik und politische Konstellationen sind
vielen Wählern weniger wichtig, als das psychologische Wohlgefühl zu den
Gewinnern zu gehören.
Wenn
eine Partei es schafft mit Wahlerfolgen und positiven Erwartungen assoziiert zu
werden, stellen sich diese Ergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit auch
tatsächlich ein.
Oma
Kowalski kreuzt gerne deswegen CDU an, weil sie annimmt, daß Merkel auch
Bundeskanzlerin wird, bzw bleibt.
Landtagswahlen
können sehr spezifische Ergebnisse haben, die nicht auf andere Bundesländer zu
übertragen sind.
Extreme
Ergebnisse können eine entsprechend extreme Ablehnung widerspiegeln oder eine
extreme Zustimmung ausdrücken.
Für
Ersteres sind die Wahlen in Kiel 1987/88 ein gutes Beispiel. Barschels CDU saß
auf einer satten absoluten Parlamentsmehrheit und rauschte dann binnen eines
Jahres auf 33% runter, während Engholm 55% holte. Der CDU-Skandal war so
gewaltig, daß die Wähler aus echter Wut von ihr abwandten.
Ähnlich
war es bei der jetzt schon legendären Hamburger Bürgerschaftswahl 2011 als die
regierende CDU sagenhafte 21 Prozentpunkte verlor und auf 21,9% krachte,
während die oppositionelle SPD aus dem Stand eine absolute Mehrheit holte. Hier
war es auch eindeutig das Entsetzen über die CDU-Pleitenregierung von Christoph
Ahlhaus. Olaf Scholz spielte (noch) keine entscheidende Rolle.
Gegenbeispiele
sind die sogenannten „kleinen Präsidentschaftswahlen“ in Sachsen und
Brandenburg von 1994.
CDU-Ministerpräsident
Biedenkopf holte in Dresden 58%, während Kollege Stolpe in Potsdam 54% einfuhr.
Die Landeskinder liebten ihre Landesväter, die sie zuvor das erste mal frei
wählen konnten.
Solche
Extrem-Ergebnisse versuchen die Bundesparteien selbstverständlich
auszuschlachten und als Rückenwind für weitere Wahlen zu nutzen.
Aber
diese Vorhaben sind wenig erfolgreich, weil sie zu offensichtlich nur
bestimmten Personen und Konstellationen zu verdanken sind.
Manche
Landtagswahlen nehmen aber viel stärker bundespolitische Schwingungen auf, so
daß sich in ihnen ein Trend für oder gegen eine Parteienfamilie artikuliert.
Dann können die Ergebnisse eine erstaunliche Dynamik haben und das ganze Land
in Aufruhr versetzen.
Bekannte
Beispiele dafür sind die Niedersächsische Landtagswahl von 1998, als der
ohnehin potente und nach Höherem strebende Gerd Schröder sensationell zulegte
und 48% für die SPD holte.
Am
selben Abend warf sein innerparteilicher Kanzlerkandidatenkonkurrent das
Handtuch und Helmut Kohls Schicksal war besiegelt.
Es hatte
sich ein echter SPD-Spin entwickelt; jeder Journalist verglich den dynamischen
erfolgreichen jungen Schröder mit dem offensichtlich ausgelaugten und
reformunwilligen Kohl, der nach 16 Jahren im Amt immer noch nicht abtreten
wollte. Gegen diesen Megatrend konnte die CDU nichts mehr ausrichten.
Einen
ähnlich gewaltigen bundespolitischen Effekt erreichte die Landtagswahl in
Nordrheinwestfahlen von 2005. Trotz sehr guter rotgrüner Bilanz unter Peer
Steinbrück, gewann zum Entsetzen der SPD Jürgen Rüttgers das Land, welches immer
stolz als „Herzkammer der Sozialdemokratie“ bezeichnet wurde.
Alle
großen Presseorgane (außer ZEIT und SZ) hatten in den drei Jahren zuvor massiv
die Schröder-Fischer-Regierung runtergeschrieben und überboten sich wöchentlich
mit Lobeshymnen auf ihr damaliges Traumpaar Merkel-Westerwelle.
Das
Düsseldorfer Ergebnis von 2005 wurde sofort zur Totenglocke der Bundesregierung
erklärt. Kanzler und Vizekanzler; beide mit Sicherheit keine Mimosen, die bei
medialem Gegenwind schnell umzukippen drohten, konnten nach dem
Landtagswahlergebnis nicht mehr standhalten.
Das
Ergebnis ist bekannt – am Ende des Jahres hieß die Bundeskanzlerin Merkel.
Die Wahlen in Thüringen und Brandenburg vom 14.09.14
ergaben nur für die Zwergparteien Piraten, FDP und AfD eindeutigen Spin.
Für die
ersten beiden hat nicht nur das Totenglöckchen, sondern eine große Glocke
geschlagen. Piraten und FDP erlebten den Toten-Dicker-Pitter. Zu tausenden fliehen die Mitglieder der Piraten
und die FDP ist sogar schon vergessen. Einen „guten Spin“ erlebt zweifellos die
AfD, die inzwischen demoskopisch auch bundesweit deutlich über 5% gesehen wird –
ein weiterer Beleg für die die Wahlunfähigkeit des Urnenpöbels.
Über die
etwas relevanteren Parteien ließen sich zunächst aus den Landtagswahlergebnissen
keine klaren Schlüsse ziehen. Allerdings sehe ich erhebliche Probleme auf die
Phlegma-Grünen zukommen. Antje Hermenaus Anbiederungskurs an die CDU ist
kläglich gescheitert – sie verließ inzwischen die Politik und läßt ihre
demoralisierten Sachsen-Grünen im Stich.
Angesichts
der Vorstellung von Jürgen Trittins brillanten Buch „Stillstand“
schreibt die Süddeutsche Zeitung heute prominent auf ihrer „Seite 3“:
„Ein anderes Land ist möglich“, findet Jürgen Trittin. Derweil zerlegen sich die Grünen. Über einen Anführer ohne Partei – und eine Partei ohne Anführer.“
Wie
wahr. Und wie dumm von den Grünen!
Wer nach
der Bundestagswahl 2013 die fromme Spitzenkandidatin Göring-Kirchentag als Fraktionsvorsitzende
einsetzt, Trittin rausschmeißt und sich gleichzeitig in Hessen den Rudimenten
der Koch-CDU ausliefert, hat es nicht besser verdient.
Und die
beiden Großen?
(Bzw „Größeren“;
denn nach den 12,4% der SPD in Thüringen und Sachsen kann man ja kaum noch von
einer großen Partei reden.)
Obwohl Merkels Macht in Ländern und Kommunen weiter bedenklich
erodiert, sitzt sie in der Bundespolitik extrem fest im
Sattel.
Sie
macht weiterhin ihre Lobbypolitik, hält sich programmatisch zurück und blamiert Deutschland international.
Der
Urnenpöbel ist entzückt. Er liebt Stillstand im Kanzleramt. Die CDU-Chefin hat
keinen Grund zur Sorge.
Unter
großer internationaler Teilnahme findet heute der UN-Klimagipfel in New York
statt. UN-Generalsekretär Ban, Obama und weitere 125 Staats- und
Regierungschefs wollen endlich zur Tat schreiten.
Nur
Merkel fehlt mal wieder. Ähnlich wie bei der Mandela-Beerdigung schwänzt sie
gern hochkarätige Treffen, obwohl sie die einzigartige Gelegenheit bieten,
unverbindlich und unkompliziert mit anderen Regierungschefs Großkrisen zu besprechen.
(Mir war da so, als ob es im Moment durchaus das ein oder andere kleine Problem
in der Welt gäbe….)
Merkel
hat dazu aber keine Lust, weil das für sie Positionierungen bedeuten könnte.
Sie will sich aber partout auf nichts festlegen und ewig schwamming weiter
durch Deutschland mäandern.
Statt
sich für die Klimarettung zu engagieren, umschmeichelt die Kanzlerin heute
lieber beim BDI-Branchentreffen diejenigen, die
das Klima ruinieren.
Der CDU
bekommt dieses erbärmlich-kriecherische Verhalten erfahrungsgemäß sehr gut.
Nun der
Blick auf die SPD; was sagen die ersten bundesweiten Umfragen nach den
Landtagswahlen?
Absturz total – da sind sich die Institute einig.
Absturz total – da sind sich die Institute einig.
Bei GMS
schrumpft die SPD von 26% auf 24%. Noch schlimmer sieht es bei Forsa aus; dort sackt die SPD von 24% auf 22% zusammen.
Wie
kommt’s?
Macht Gabriel nicht das Gleiche wie die Kanzlerin?
So scheint es. Der Vizekanzler ist heute auch beim BDI-Branchentreffen und umschmeichelt die Wirtschaftsbosse, der Vizekanzler hatte auch keine Lust auf UN. Der Wirtschaftsminister setzt sich ebenso wie die Kanzlerin in seiner Partei für das TTIP-Abkommen ein. Der SPD-Vorsitzende betreibt ebenso wie die CDU-Vorsitzende eine Verschärfung des Asylrechts, will Sinti und Roma in die Balkanstaaten abschieben, in denen sie massiv diskriminiert werden.
Macht Gabriel nicht das Gleiche wie die Kanzlerin?
So scheint es. Der Vizekanzler ist heute auch beim BDI-Branchentreffen und umschmeichelt die Wirtschaftsbosse, der Vizekanzler hatte auch keine Lust auf UN. Der Wirtschaftsminister setzt sich ebenso wie die Kanzlerin in seiner Partei für das TTIP-Abkommen ein. Der SPD-Vorsitzende betreibt ebenso wie die CDU-Vorsitzende eine Verschärfung des Asylrechts, will Sinti und Roma in die Balkanstaaten abschieben, in denen sie massiv diskriminiert werden.
Sigmar
Gabriel trägt ebenso wie Angela Merkel die perverse EU-Frontex-Politik mit,
durch die täglich Menschen im Mittelmeer grausam zu Tode kommen.
Nur
einen Fehler begeht der Vizekanzler: Er vergisst, daß seine Parteimitglieder
kein CDU-Parteibuch haben, sondern ein Rotes.
Ob er es
glaubt, oder nicht: Der gemeine Sozi ist eben nicht genau wie der CDU’ler. Er
hätte lieber besseres Klima und weniger Kriechen vor der Industrie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen