Freitag, 26. September 2014

Von Irren umzingelt.


Ein gutes Zitat steht für sich; auch wenn man manchmal vor lauter Zitat-Zitaten gar nicht mehr feststellen kann, wer der eigentliche Schöpfer desselben war.

“Wer mit 20 Jahren kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 30 Jahren noch Kommunist ist, hat keinen Verstand!”
(Winston Churchill)

„Wer vor seinem dreißigsten Lebensjahr niemals Sozialist war, hat kein Herz. Wer nach seinem dreißigsten Lebensjahr noch Sozialist ist, hat keinen Verstand.“
(Benedetto Croce)

Zumindest als Metapher läßt sich dieser Ausspruch wunderbar verwenden. Er passt zum Beispiel auch auf Helmut Schmidt, der als junger Soldat in Kriegsgefangenschaft zum überzeugten Sozialdemokraten wurde, sich mit ganzer Kraft für die SPD einsetzte und später gesagt haben soll „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“. (Ein Zitat, dessen Urheberschaft Schmidt bestreitet. Aber es passt so schön zu ihm, daß es neun von zehn Journalisten pawlowsch verwenden, wenn sie über Schmidt schreiben.

Ich mag die psychologische Abwandlung des Kommunismus-Zitats.

„Wer als Jugendlicher kein Philanthrop ist, hat kein Herz und wer als Erwachsener noch kein Misanthrop ist, hat keinen Verstand“
(Tammox)

Die Menschheit als Rasse ist eine so offensichtliche Fehlkonstruktion, daß man sie nicht ernsthaft mögen kann, wenn man sich ein bißchen bemüht über den Tellerrand hinaus zu blicken.

Es ist nicht nur das Offensichtliche in der Weltpolitik vollkommen gaga, nein der Homo demens zeigt sein Potential als Irrer auch als einzelne Einheit, der man auf der Straße begegnet.
Heute konnte ich beispielsweise einige Interaktionen zwischen laut pöbelnden und wüst gestikulierenden Radfahren mit ihren natürlichen Feinden, den Autofahrern beobachten. Der Zweirädrige saust durch den Gegenverkehr mäandernd dahin, während der Vierräderige in sein Lenkrad beißend eine leicht unnatürliche Gesichtsfarbe annimmt. Den jeweiligen Cortisol-Ausstoß konnte ich aus 50m Entfernung deutlich wahrnehmen.
Von Irren umzingelt.
Außerdem war ich heute im Asia-Supermarkt Vinh Loi und wurde Zeuge einer offensichtlich von Loriot choreographierten Szene an der Kasse. Eine asiatische Frau verlangte vor Wut bebend den Umtausch von einigen Gläschen irgendeiner Currypaste, die sie offenbar vor Wochen in einer anderen Filiale gekauft hatte.
Da die Gläser kaputt waren, habe sie sie gleich wegschmeißen müssen. Die Kassiererin, ebenfalls Asiatin, argumentierte mit fast ähnlicher Verve dagegen; sie könne schließlich nicht wissen, ob die angeblich kaputten Gläser überhaupt bei ihnen gekauft wurden; oder ob sie überhaupt existiert hätten.
Asiatin A fand es aber Beweis genug, daß sie überhaupt da sei, denn schließlich wohne sie am anderen Ende der Stadt und sei wohl kaum mit dem Bus dahin gefahren um einen 79-Cent-Artikel zu tauschen, wenn es gar nicht stimme.
Asiatin B beklagte sich, daß sie als Angestellte das nicht tauschen dürfe, selbst wenn sie Asiatin A glaube.
Das Lustige war, daß A & B zwar beides Asiatinnen waren, aber keine gemeinsame Sprache hatten. A sprach fließend deutsch und ein Asiatisch, das ich nicht erkennen konnte, B sprach offenbar Vietnamesisch und dazu englisch.
Alle paar Minuten wallte es so auf, daß sie gegenseitig die Smartphones reichten, weil A verlangte den Vorgesetzten zu sprechen und B verlangte einen Zeugen für die kaputten Gläser zu sprechen. Das führte zunächst immer zu noch mehr Geschrei, dann aber wählten sie und kombinierten das empörte Gegenüber mit einer weiteren anderes asiatisch sprechenden Person. Das war toll, so kreischten dann insgesamt vier Stimmen unverständliches Zeug an der Kasse. Es endete dann mit einer Art Unentschieden: B saß mit verschränkten Armen auf ihrem Kassenstuhl, drehte ihrer Widersacherin grimassierend den Rücken zu und schüttelte stoisch mit dem Kopf. A wiederum pflanzte sich mit in die Hüften gestemmten Armen vor dem Kassenlaufband auf und erklärte jedem anderen Kunden im Laden auf Deutsch, daß sie nun erst recht nicht nachgeben werde und einfach dabliebe, bis sie ihr Recht bekäme.
Hätte es keine andere Kasse in dem Laden gegeben, säße ich vermutlich immer noch dort fest und könnte beobachten wie sich zwei Furien ob eines 79-Cent-Curryglases mit Blicken zu töten versuchten.

So sind die Menschen: Durch und durch schlecht.
Wir sind von Irren umzingelt.
Um das zu ertragen, gibt es nur wenige Strategien: Indolenz, extremer Zynismus, Doofheit oder Drogen.

Alle arbeiten immer mehr für irgendwie weniger. Es ist zu voll, zu laut, zu mühsam. Die Ungerechtigkeit wächst jeden Tag. Und so fucking weiter. Jedes Thema, das man untersucht, birgt Infarktpotential, aber bevor auch ich wieder regulierend ins Weltgeschehen eingreife, gönne ich uns einen Moment der Ruhe. [….]  Wir haben nichts zu erwarten. Von keinem. Weder eine bezahlbare Wohnung. [….] Alle Sätze, die mit "Das ist mein gutes Recht..." beginnen, kann man meist mit einem beherzten "nein, ist es nicht" beenden. Es gibt weder das Recht, unversehrt sein Leben zu beenden, noch von Gemeinheiten verschont zu bleiben. Es gibt kein Recht darauf, nicht verletzt, beleidigt, bespuckt zu werden.
Und dass die Welt sich nach dem eigenen Willen formt, gelingt vielleicht einem Menschen, der ohne Kontakt zur Außenwelt in einer Höhle sitzt seit 56 Jahren.
Vielleicht ist es das, was einen so sauer macht an. Die Erkenntnis, dass alles nur Zufall ist, und dass man sich nirgends halten kann, in diesem Meer, in dem man ersäuft an manchen Tagen. In dem Bewusstsein, dass einem nichts zusteht für die Mühsal, die man per Geburt vor sich hat.
Ich wundere mich oft, dass nicht viel mehr Menschen Amok laufen, durchdrehen oder einfach zu schreien beginnen. [….]

Wieder so ein Zitat im Zitat; Ich wundere mich oft, dass nicht viel mehr Menschen Amok laufen; habe ich auch schon vor der Berg-Kolumne oft gelesen und wohlwollend/zustimmend zur Kenntnis genommen.

Immerhin hat unser geliebter Staat erkannt welches Potential in seinen Bürgern schlummert. Lauter Vulkane, die auch ausbrechen könnten, wenn das germanisch panem et circenses-System einmal versagen sollte.

Jeder, der auch nur mittelbar in Kontakt mit dem BKA kommt, wird in eine von 18 verschiedene Kategorien eingeteilt. Millionen Menschen werden demnach von den Behörden offiziell als „geisteskrank“ oder „Rocker“ gelistet.
Da es immer mehr Schubladen gibt, ist selbst das BKA verwirrt und steckte eine „Prostituierte“ schon auch mal aus Versehen zu den „Linksextremen“ usw. usf.

Im Bundesinnenministerium ist niemandem an den Zahlen etwas aufgefallen: Zehn Personen seien bundesweit beim Bundeskriminalamt (BKA) als mögliche rechtsmotivierte Straftäter registriert; 3490 dagegen als „Straftäter – linksmotiviert“. Der parlamentarische Staatssekretär Günter Krings (CDU) unterzeichnete die Tabelle und leitete sie an den Linke-Abgeordneten Andrej Hunko, der bei der Bundesregierung angefragt hatte, wie „personengebundene Hinweise“ von der Polizei gespeichert würden.
Hunko fiel etwas auf: Er stellte die Antwort ins Internet und kommentierte: „Das zeigt wie bei deutschen Sicherheitsbehörden immer noch gedacht wird.“ Im Innenministerium hat man sich daraufhin die Tabelle doch noch einmal angesehen – und eine Korrektur hinterhergeschickt. Es habe ein Versehen gegeben, hieß es. In den 18 Kategorien seien Zahlen durcheinandergeraten.
In der korrigierten Tabelle sind es nun nicht mehr zehn, sondern 20 054 gespeicherte rechtsmotivierte Straftäter, nicht mehr 3490 sondern 9763 linksmotivierte. BKA-bekannte Rocker gibt es nicht 92 742, sondern nur 2355. Und nicht mehr 2453, sondern nur noch 102 Personen werden in der Datenbank mit dem Hinweis „Prostitution“ versehen. Bei den beiden größten Gruppen hat sich das Ministerium dagegen nicht verrechnet. 1,1 Millionen Personen sind als Drogenkonsumenten registriert, rund 245 000 als Gewalttäter. Als „geisteskrank“ firmieren 8118 Personen. Auch etwa Suizid- oder Ansteckungsgefahr werden vermerkt.
Die Gesamtzahl der Hinweise ist aber gleich geblieben: Erfasst wurden 1,5 Millionen Personen.

Ich finde es großartig: Der Bürger musstraut seinem Staat und traut seinen eigenen Vertretern in Regierung und Parlament jede Schandtat zu.
Umgekehrt schaffen Regierungsbehörden offizielle Kennzeichen, die für ihre Schäfchen die Bezeichnung „geisteskrank“ vorsehen!
Jeder bekommt offenbar doch das was er verdient!

Ein Kontakt mit der Polizei kann unangenehme Folgen haben, auch solche, von denen man selbst nichts bemerkt. Und zwar selbst dann, wenn sich aus der Angelegenheit nie ein Verfahren ergibt, oder ein Verfahren ohne Urteil. Das Bundeskriminalamt hat mehr als 1,5 Millionen Menschen in einer Datenbank mit Stichworten versehen: „Rocker“, „Prostituierte“, Land/Stadtstreicher“ oder auch „BTM-Konsument“, also Nutzer von Betäubungsmitteln. […]
Wer mit dem BKA in Kontakt kam, kann deshalb bislang auch als „Fixer“ gekennzeichnet werden, als „Sexualtäter“ oder als „geisteskrank“. Die Kategorisierung kann nicht nur von BKA-Beamten eingesehen werden, sondern auch von Polizisten in den Bundesländern und vom Zoll. Dort wird sie nach Angaben des BKA auch in das Informationssystem der Polizei („Inpol“) eingetragen.   Das alles ist erlaubt, einerseits, um Beamte zu schützen und andererseits, um die Menschen zu schützen, mit denen die Polizisten Umgang haben. „Freitodgefahr“ und „Hilflosigkeit vermutet“ sind deshalb ebenfalls unter den Etiketten, die zumindest den Vorschriften nach nicht diskriminierend sein dürfen. […]
(Johannes Boie, SZ vom 26.09.2014)

Kein Wunder, daß sich die Bürger eines solchen deutschen Staates nicht über Snowden-Enthüllungen echauffieren.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen