Dienstag, 9. September 2014

In den Kinderschuhen.



Heute gab es in der „atheistischen Szene“ breites Lob für die SWR-Reportage „Die Story im Ersten: Vergelt's Gott - Der verborgene Reichtum der katholischen Kirche.


 
Ausgestrahlt wurde die Sendung gestern Abend um 22.45 Uhr; zur Sicherheit also klar nach der Primetime, wenn die frommen Bürger schon in den Federn liegen. Immerhin 1,75 Millionen Zuschauer schalteten ein und bekamen zwar nicht unbedingt Klarheit darüber wie viele hundert Milliarden Euro Vermögen die RKK-Deutschland hortet, aber man konnte sich doch einen guten Eindruck darüber verschaffen wie sorgfältig die Kirchenfürsten ihre Reichtümer verschleiern.
Zudem präsentierte der Autor Stefan Tiyavorabun eindrückliche Beispiele für die Heuchelei der Top-Kleriker; insbesondere Papst Franzens Berater Kardinal Marx.
Marx, der in einem besonders prächtigen Palais residiert und sich für schlappe zehn Millionen Euro dazu noch eine Villa in Rom – „Palazzo Marx“ – leistet, während er offiziell die neue Bescheidenheitslinie des Papstes vertritt.
Dazu prasst der Luxuskardinal noch einmal 30 Millionen des Kirchenvermögens für sein Diözesanmuseums raus, während er das Obdachlosenheim nebenan schließen läßt. Dort fehlen wenige Euro, um die Einrichtung offen zu halten.

In Freising etwa halten die Verantwortlichen das Diözesanmuseum für so bedürftig, dass sein Erhalt mit 30 Millionen Euro gesichert ist - während für das katholische Obdachlosenheim der Stadt laut ARD-Recherchen schlappe 64.000 Euro fehlen. Das Heim wird geschlossen.

Um es klar zu sagen:
Ja, die Reportage war gut und richtig. Hoffentlich sehen sich das noch möglichst viele Menschen an.

Nachdem ich nun auch den Beitrag gesehen habe, kann ich mich wieder einmal nur über den unterschiedlichen Wissensstand der Menschen wundern.
Bzw - es wundert mich natürlich nicht mehr wirklich.
Genau die TOPs der Reportage, die Tiyavorabun als Gerüst benutzt- also Diözesanadministrator Stefan Heßes eigenartige Angaben, die dubiosen Methoden des Münchner Generalvikars Peter Beer, die seit 1803 fließenden Sonderzahlungen in Höhe von rund 560 Millionen Euro jährlich an die Kirchen, das Rokoko-Palais Holnstein und Dutzendfach mein Lieblingsbischof TVE - habe ich alle schon lange in meinem Blog beschrieben.

Und dabei bin ich ja nur jemand, der Zeitungen liest. Ich betrieb keine eigenen investigativen Recherchen, indem ich selbst nach Limburg gefahren wäre und Fragen gestellt hätte. Das heißt also; es wurden in der Reportage skandalöse finanzielle Machenschaften aufgedeckt, die längst öffentlich bekannt waren!
Das hätte/könnte/sollte jeder seit vielen Jahren wissen.
Offensichtlich sind aber die Kirchenmitglieder zu phlegmatisch, um sich dafür zu interessieren. Sie zahlen brav und stellen keine Fragen.

Genauso war es auch mit den Missbrauchsfällen, von denen Bischöfe wie Andreas Laun behaupten, das sei erstmals 2010 an die Öffentlichkeit geraten. Also habe man vorher gar nichts dagegen unternehmen können, weil man es gar nicht gewußt habe.
Völliger Blödsinn.
Darüber gab es schon seit 20 Jahren Berichte und zwar nicht nur in winzigen Provinzzeitungen, sondern auch in der Süddeutschen Zeitung oder der ARD-Sendung „Panorama“.
Die meisten Leute haben sich aber Mühe gegeben das zu ignorieren.
Das ist das Elend an der Kirche: Es gab IMMER einige Menschen, die aufklärten. Hier in Deutschland konnte man beim IBKA, der HU und so weiter seit Jahrzehnten alles erfahren, was jetzt als großer Skandal erscheint.
In der gestrigen Reportage kommt Hans-Peter Schwintowski, Professor für Handelsrecht in Berlin, zu der schockierenden Aussage, daß die staatlichen Sonderzahlungen an die Kirchen, um beispielsweise die Bischofsgehälter aufzubringen, seiner Ansicht nach sogar verfassungswidrig wären.

Guten Morgen.

Die bahnbrechende Untersuchung „Trennung von Staat und Kirche“ des Juristen Erwin Fischer (* 7. August 1904; † 15. Juli 1996) erschien 1964 im Szczesny Verlag München. Vor einem halben Jahrhundert konnte man das also schon alles schwarz auf weiß nachlesen.
Die Humanistische Union, HU, wurde 1961 von Gerhard Szczesny zusammen mit Fritz Bauer und Erwin Fischer gegründet.
 (Von Anfang an dabei war übrigens eine Tante von mir, die eng mit Szczesny zusammenarbeitete und das Hamburger Büro der HU leitete. Daher kenne ich viele Geschichten aus der Zeit.)

Es ist also weniger eine Frage des Erkenntnisgewinns, wenn man über die Kirchenmachenschaften aufklären will, sondern eine der Erkenntnisverbreitung.
Wie stellt man es an, daß auch die 50 Millionen Mitglieder der Kirche erfahren, daß ihre obersten Kleriker Milliarden über Milliarden in dubiosen Kassen verstecken?
Wie schafft man es die Desinteressierten, die einem triumphal entgegenhalten, sie wären ohnehin schon ausgetreten, dafür zu interessieren, daß sie dennoch Bischofsgehälter, Theologiestudium und katholische Kita bezahlen?
Und wie erreicht man es die Millionen Indifferenten dazu zu bringen ihren Landtags- und Bundestagsabgeordneten entsprechend Druck zu machen?

Da steckt die atheistische Bewegung bedauerlicherweise immer noch in den Kinderschuhen.
Der skandalöse Zustand, daß kirchlich betriebene Gesundheitseinrichtungen sich rasant weiter ausbreiten und in vielen Gegenden NRWs und Bayerns gar keine Auswahl mehr besteht, wird achselzuckend hingenommen.
Es wird über Personalmangel in Pflegeheimen geklagt und (außer Ingrid Matthäus-Maier) erklärt niemand, daß muslimischen und konfessionsfreien Jugendlichen in vielen Jobzentren dringend davon abgeraten wird sich zum Altenpfleger ausbilden zu lassen, da ohnehin alle Heime in kirchlicher Hand sind und dort gilt bekanntlich nicht nur „Juden unerwünscht“, sondern Muslime werden genauso wenig wie Lesben, Hindus oder Atheisten eingestellt – auch wenn die Stelle zu 100% von Staat finanziert wird.

Da kann so eine Sendung helfen; auch wenn sie zu kurz war und viele extrem skandalöse Kirchengeschichten fehlten.

Unterdessen hoffe ich, daß der Urnenpöbel eine größere Sensibilität dafür entwickelt, wie immer wieder Politiker aller Ebenen versuchen den Kirchen noch mehr Geld zuzuschieben.

Die auf einem riesigen Milliardenschatz hockende EKD bekommt mal eben vom Staat zusätzliche 70 Millionen Euro für das Lutherjahr, also der Privatfeier von Deutschlands dümmster Bischöfin und Lutherbotschafterin Käßmann.

Lutherjahr: Staat zahlt 70 Millionen – Kirche 17 Millionen
[…] Der Bund stellt aus dem Kulturetat 35 Millionen Euro für das 500-jährige Reformationsjubiläum zur Verfügung und das Land Sachsen-Anhalt, wo sich die meisten Lutherstätten befinden, 35 Millionen. Die evangelischen Landeskirchen haben 17 Millionen Euro bewilligt.

Wieso gibt es da nicht den geringsten öffentlichen Aufschrei, während Bürgerkriegsflüchtlinge wegen Geldmangels unter erbärmlichen Zuständen hausen müssen?
Es fehlt immer noch gewaltig an Aufmerksamkeit für die Spendierhosen des Staates gegenüber der Superreichen der Kirchen.
Die folgende Nachricht wurde heute von 20 Menschen gelesen.
Es sollten 20 Millionen sein!

"Nach den aktuellen Unwetterschäden an der kommunalen Infrastruktur und angesichts der allgemeinen Finanzlage der Stadt steht Münster vor ganz anderen Herausforderungen als der Finanzierung eines Katholikentags", sagt Daniela Wakonigg, Sprecherin des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) im Münsterland. "Es kann doch nicht sein, dass durch den immer härteren Sparkurs der Stadt überall Sozialwohnungen fehlen und ständig über Kürzungen im Kulturbereich nachgedacht wird, während gleichzeitig 1,5 Millionen Euro für die Finanzierung eines Katholikentags verpulvert werden."
Wakonigg plädiert für eine sinnvolle Verwendung der kommunalen Gelder: "Die Instandsetzung des durch das Unwetter zerstörten Bürgerzentrums Kinderhaus kommt allen Bürgerinnen und Bürgern zugute. Ein katholisches Vereinsfest wie ein Katholikentag spricht in erster Linie die Mitglieder der katholischen Kirche an und unterstützt sie in ihrem selbstgesetzten Missionierungsauftrag."
Nach Ansicht des IBKA sei deshalb ein Kirchentag auch von der Kirche selbst zu bezahlen, so Wakonigg, insbesondere, da die katholische Kirche über ausreichende Eigenmittel verfüge und ein Sponsoring von Kommune, Land oder Bund unnötig sei.

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