Sonntag, 12. April 2015

Das Gute an den Schlechten

Wenn man die seit dem Fall der Mauer kontinuierlich stattfindenden Gewaltattacken von Nazis auf Minderheiten und Schwächere aller Art ansieht, wenn man dazu die immer wieder durch Studien dokumentierten rechtsradikalen Einstellungen der Deutschen vergegenwärtigt, muß man sich nicht wundern, daß es auch immer wieder rechtsradikale Parteien in die Parlamente schaffen.

Die deutsche Bevölkerung beinhaltet nun einmal einen breiten Nazi-Bodensatz, der Ausländer, Behinderte, Schwule, Linke, Sinti und Roma, Flüchtlinge, Schwarze, Asiaten und andere Minderheiten hasst.

Das Tu Quoque-Argument mit Blick auf Wilders, le Pen oder Strache ist unzulässig, da Deutsche in besonderer Weise gebrannte Kinder sind. Es ist unverzeihlich, daß sich die frommen Staatsspitzen aus Seehofer, Merkel und Gauck nicht intensiv gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus engagieren.
Nachdem aber die künftige Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz abgefackelt wurde, tauchten Gauck und Merkel gleich ab.
„Gegen Nazis“ zu arbeiten und aufzuklären bleibt eine Domäne der Linken.
Engagierte SPD-Politiker wie Haiko Maas auf Bundesebene bilden leider Ausnahmen.
Ich erinnere mich nicht an eine einzige Äußerung der stramm katholischen, frommen Arbeitsministerin Nahles gegen die xenophoben Attacken ihrer CSU-Kollegen seit 2013.

Eins ist  aber an den deutschen Rechten tatsächlich besser, als an ihren Neo-Nazi-Freunden aus anderen Ländern:
Sie sind noch doofer.
Sie sind sogar so dermaßen unterbelichtet, daß sie kaum jemals in ein Landesparlament gewählt werden und dann eine volle Legislaturperiode durchhalten, ohne sich selbst aufzulösen.
Sie sind von der alltäglichen politischen Arbeit intellektuell hoffnungslos überfordert und beginnen dann aus Frust sich gegenseitig zu hassen.
Sie sind, einmal im Parlament angekommen, eigentlich nur noch Futter für die Satiresendungen.
Sie sind ein ewiger Quell der Belustigung, da man zwar ahnt wie geistig unterbelichtet Rechtsradikale sind, aber die Realität übertrifft die Erwartungen immer wieder.




Was die NPD in den Parlamenten Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsens waren, spielen jetzt die braunen Ost-AfD-Fraktionen nach.
Schon am Abend der Thüringer Landtagswahl hatte der völkisch-rechtsextreme AfD-Chef Björn Höcke mit seinem schrillen Tonfall offensichtlich Hitlers Redestil imitiert.
Inzwischen sind weite Teile der Ost-AfD so weit in den braunen Sumpf abgedriftet, daß die westlichen alten Herren Henkel und Lucke, die schon selbst stramm rechts denken, sich kontinuierlich distanzieren müssen.
Die Partei löst sich auf.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie das Schicksal der Piraten-Polit-Pappnasen teilen werden.

Aber auch auf die niedersächsische AfD ist der Einfluss der Rechtsradikalen groß.

Die „Junge Alternative“ (JA), Jugendorganisation der AfD, hatte Höcke für den gestrigen Freitag als Gast einer Veranstaltung in einem Vereinshaus in Hannover angekündigt. „Es wäre ein starkes Zeichen der Zivilcourage, wenn Sie die AfD und Herrn Höcke wieder ausladen würden“, schrieben die Jusos daraufhin öffentlich an den Deutschen Ruder-Club von 1884 e.V., dem das Vereinshaus offenbar gehört. Höcke sei am „rechtspopulistischen Rand“ der AfD einzuordnen.
Björn Höcke ist tatsächlich eine umstrittene Personalie. [….]
Der Landesvorstand der „Jungen Alternative“ (JA) Niedersachsen hatte am 8. April auf der Webseite der Landes-AfD zu dem Juso-Schreiben Stellung bezogen: Die Aktivitäten der Jusos belegten „das verkommene Demokratieverständnis, das in dem links-grünen Weltbild“ herrsche, so die JA. Dieser Text der JA wurde daraufhin auf dem islamfeindlichen Blog „PI News“ veröffentlicht. Versehen mit einem Bild Arne Zillmers und vor allem dessen E-Mail-Adresse. Unter dem montierten Foto des Juso-Vizes wurden die Worte „Rote SA Niedersachsen“ eingefügt.
Seither bekommt der SPD-Politiker massive Mord- und Gewaltdrohungen. Die Zuschriften haben es in sich und lassen dem Hass freien Lauf: „Die rote Ratte muss hängen“, „Im übrigen kenne ich Deine Adresse, vielleicht sehen wir uns ja schon vorher. Ich würde mich freuen“, „Es dürfte Dir doch völlig klar sein, daß solche wie Du demnächst im KZ landen“ [sic!], „totprügeln, wiederbeleben und wieder totprügeln“ sind nur einige Beispiele. Auch auf den Massenmord des rechtsradikalen Attentäters Anders Breivik, der im Juli 2011 77 norwegische Sozialdemokraten und Jungsozialisten tötete, wird in den E-Mails positiv Bezug genommen und gedroht, dass „der neue Breivik“ sich „nicht an den Moslems vergreifen“ werde und „die Zeitbombe“ ticke.

Auch ohne Hooligan-Liebling Festerling bleibt die AfD-Hamburg Sammelbecken für Rechtsextreme.

[….] Bei einem "Seminartag" der umstrittenen Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG) in Hamburg ist der stellvertretende AfD-Chef Alexander Gauland aufgetreten. Insgesamt kamen rund 170 Gäste zu der Veranstaltung des neu-rechten Vereins, unter ihnen auch die bekannte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel.

Die SWG hatte in das noble "Logenhaus" im Stadtteil Rotherbaum geladen. [….] Mit Gauland trat erstmals ein prominenter Politiker der AfD bei der SWG auf. Der Vorsitzende des Hamburger Vereins, Manfred Backerra, war froh, dass ein führender Kopf der Partei bei seiner Versammlung auftrat. [….] Mit Rechtsextremisten habe seine Gesellschaft nichts zu tun, sagt er, und gibt gleich Auskunft über sein eigenes Geschichtsbild: Die nationalsozialistische Waffen-SS habe maximal "vereinzelt" Verbrechen begangen, so der Oberst a.D. Und der millionenfache Mord an den Juden? "Über den Holocaust sprechen wir nicht", raunt der SWG-Chef. Denn darüber dürfe man in Deutschland nicht frei reden. Backerra meint den Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches, der die Leugnung des Holocausts und die Verharmlosung von NS-Verbrechen unter Strafe stellt.
[….] Der Hamburger Verfassungsschutz hat die SWG im Blick, weil auch Rechtsextremisten bei Veranstaltungen auftreten. So habe der Verein etwa die Szene-Anwältin Gisa Pahl eingeladen, sagt Verfassungsschutz-Sprecher Marco Haase. [….] Aus Vlotho in Westfalen reiste zum "Seminartag" die Holocaust-Leugnerin Haverbeck-Wetzel als Besucherin an. Die 86-Jährige ist mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt, zählt zu den bekanntesten Rechtsextremisten in Deutschland. Auch stramm-rechte Burschenschafter und ein ehemaliger Spitzenkandidat der NPD fanden am Sonnabend den Weg ins "Logenhaus".
Mit seinem Auftritt bei dem Rechtsaußen-Verein in Hamburg dürfte Gauland den Richtungsstreit innerhalb der AfD weiter anfeuern. [….] Gründungsvorsitzender der 1962 ins Leben gerufenen SWG war der ehemalige Pressereferent in Josef Goebbels’ Propagandaministerium, Hugo Wellems. [….]


Die Hamburger AfD-Fraktion, die als erste den Sprung in ein West-Parlament geschafft hatte, schob inzwischen ihre finstersten Pegida- und Hooligan-Lieblinge wie Tatjana Festerling nach Sachsen ab.

[….] Am Ostermontag – mithin kurz nachdem in Tröglitz der Dachstuhl des künftigen Asylbewerberheims ausgebrannt ist – tritt in Dresden eine Rednerin auf die Bühne von Pegida und sagt: Es handle sich bei nicht wenigen Asylbewerbern um "Illegale", die man sich "nicht mehr traut, abzuschieben, und die nun in intakten sächsischen Gemeinden für Unruhe, Kriminalität und Destabilisierung sorgen." Die Rednerin sagt: Es gebe "Asylantenströme, mit denen ihr, die Deutschlandvernichter von Merkel und Gabriel bis Tillich, unser Dresden, unser Sachsen und unser Deutschland flutet." Und viele Asylbewerber, sagt sie, seien "Männer, die ihre Familie und Heimat im Stich lassen, weil es hier Schöner Wohnen und ordentlich Knete vom Staat gibt".
Die Frau, die da in NPD-Manier über Flüchtlinge herzieht, heißt Tatjana Festerling, und sie ist die frisch gekürte Oberbürgermeister-Kandidatin von Pegida für Dresden. Ihre Rede, ihre Rhetorik steht für das, was aus der einst eher verschwiemelt neurechten Populistenbewegung inzwischen geworden ist: ein offen nationalistisches Projekt der Kälte, eine Bürgerfront der Zuwanderungsgegner, die sich politisch irgendwo zwischen Marine le Pens französischem Front National und Geert Wilders' niederländischer PVV (Partij voor de Vrijheid) verorten. [….] Pegidas Anführer Lutz Bachmann und Islamgegner Wilders: Sie sehen sich jetzt als zwei Männer vom gleichen Schlag, die zusammen ein Ding drehen. [….]  Sachsen-Anhalts  [AfD-] Landesverband kündigte in der Magdeburger Volksstimme gerade, von Tröglitz unbeirrt, an: Der Landtagswahlkampf, der jetzt beginne, werde als Kampagne gegen Armutsflüchtlinge geführt. Das Klima wird rauer.
[….] Auf der Pegida-Demo, am Montag nach Tröglitz, empörte sich schon mal ein Gastredner aus Österreich namens Alfons Proebstl: warum es als "Anschlag auf die Menschenrechte" gelte, wenn "im Osten ein Dachstuhl brennt". Für ihn eher ein Fall von "Sachbeschädigung".  [….]

Es wäre naiv zu fragen, ob die Hamburger AfD-Fraktion eigentlich zur praktischen politischen Arbeit irgendetwas beizutragen hat.
Wie ihre Partner-Gomulken in Ostdeutschland sind sie dazu intellektuell gar nicht in der Lage.

Acht Abgeordnete um ihren Chef Jörn Kruse sitzen für die AfD seit Wochen in der Hamburger Bürgerschaft. Seitdem sie im Parlament mitreden dürfen, schweigen sie eisern und machen durch komplette Arbeitsverweigerung auf sich aufmerksam. Zu den Koalitionsverhandlungen, der neuen Regierung, den Plänen für diese Legislatur gibt es nicht nur keine Stellungnahme im Parlament, sondern überhaupt keine Kommentare der acht stummen AfD-Strohpuppen.
Während die CDU allein bei der letzten Bürgerschaftssitzung zehn Anfragen an den Senat stellte, tat die gesamte AfD rein gar nichts. Keine Wortmeldungen, keine Anfragen, keine Kommentare.
Journalisten von der Morgenpost haben sich bemüht die AfD-Parlamentarier zu erreichen, um wenigstens irgendetwas von ihren zu hören, wenn sie schon von allein nichts sagen wollen.
Aber kein Telefon ist besetzt. Es gibt nur Mailbox-Texte: „Zur Zeit ist niemand erreichbar!“

Das ist ein gutes Zeichen. Wenn man sich schon damit abfindet, daß rechtes Pack immer wieder in Landesparlamenten landet, ist es schön zu wissen, daß sie dort wenigstens rein gar nichts bewirken und ihre Ideologie vollständig verpufft.

[….]  Die Hamburger AfD ist – kaum ins Parlament gewählt – wie vom Erdboden verschluckt.
[….]  Kein Lebenszeichen hat die neue Fraktion bislang von sich gegeben, keine Anfragen, keine Initiativen, keine Pressemitteilungen. Bezüge, Gehälter und Zuschüsse werden dagegen gerne kassiert.
Markige Sprüche, aber nichts dahinter: Erstaunlich, wie schnell die Rechtspopulisten sich selbst entlarven – und beweisen, dass sie in unserem Parlament schlicht überflüssig sind.

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