Nach
knapp zweieinhalb Jahren Groko liegt die SPD am Boden.
Damit
hat sich immerhin eine der Prophezeiungen der Diskussionen um den SPD-Mitgliederentscheid zur Groko
bewahrheitet:
Merkel
ist die schwarze Witwe der Politik; wer auch immer mit ihr die koalitionäre
Ehe vollzieht, wird von ihr gefressen und schwer geschrumpft.
SPD-Strategen
werden jetzt, da man beginnt die 20% von unten anzusehen, sehr nervös.
Als
jemand, der damals mit einem klaren Nein stimmte, könnte
ich es mir leicht machen und mich trotzig auf den „I told you so“-Standpunkt
zurückziehen.
Ich
halte aber das Schrumpfen der SPD in der GroKo für nachvollziehbar, aber nicht
zwangsläufig.
Der
demoskopische Absturz hat sehr viel mit Sigmar Gabriel zu tun.
Der
Parteichef hatte 2013 aus der Tatsache, daß die Wähler ein klar linkeres Wahlprogramm
mit Vermögens- und höherer Erbschaftssteuer deutlich abgelehnt hatten und
stattdessen die Reichenlobby-freundliche Merkel um ein Haar die absolute Mehrheit
verpassten, geschlossen, daß nur in der Mitte etwas zu gewinnen wäre.
Kein
abwegiger Gedanke eigentlich.
Gabriel
setzte auf Solidität und erwartete offenbar, die Wähler würden die SPD für gute
Sacharbeit und akribisches Abarbeiten des Koalitionsvertrages belohnen.
Das war
ein Irrtum, denn für die tägliche Regierungsarbeit gibt es keine Belohnung; es
sei denn für die Regierungschefin.
Der zweite
strategische Kardinalfehler Gabriels war es aus der sagenhaften Beliebtheit der
Kanzlerin zu schließen, daß er sie nur imitieren bräuchte, um ebenso populär zu
werden.
Auch
hier lag er daneben, denn er bedachte nicht, daß es nur die Konservativen sind,
denen Beharrung und Status-Quo-Wahrung gefällt. Sie schätzen es, wenn zu diesem
Zwecke mäandert und taktiert wird.
SPD-Anhänger
mögen stattdessen Veränderung des Status Quo. Statt amöbenhafter Rumeierei
erwarten sie Haltung in gesellschaftlichen und außenpolitischen Fragen.
Hypothetische
Geschichte ist sinnlos, aber ich nehme durchaus an, daß eine SPD in der
Konstellation von 2013 unter einer Kanzlerin Merkel deutlich besser dastehen
könnte, wenn der Parteichef klare Alternativen verkörpert hätte.
Leider
gab aber Gabriel Waffenexportgenehmigungen wie Schwarzgelb, besuchte privat die
Pegida-Pest, überstimmte Industrie-hörig die Kartellbehörde im Tengelmann-Fall,
mäanderte erbärmlich um TTIP, poltert gegen Flüchtlinge und zwang Maas dazu die
Vorratsdatenspeicherung einzuführen.
So wird die
eigene Partei natürlich nicht beliebt. Aber das liegt an Gabriel und nicht der
politischen Konstellation insgesamt.
Im November
2013 wurde insbesondere auch für die GroKo geworben, weil die Oppositions-erdrückende
80%-Mehrheit der Bundestagsmandate die Regierung auch mächtig und potent mache.
So könne man die großen Probleme „anpacken“.
„Eine große Koalition
ist eine Option für die Lösung großer Aufgaben“
(Angela
Merkel Brennpunkt, ARD, 27.11.13)
Diese
Sicht der Dinge war allerdings so vollkommen absurd, daß ich sie auch schon
damals mit aller Schärfe zurückwies.
Merkel packt gar nichts an, führt
nicht, reformiert nicht.
Sie kuscht, duckt sich weg,
mäandert, weicht aus, taucht ab.
Für Merkel ist die Art ihrer
Mehrheit irrelevant.
Sie
würde auch mit einer Stimme Mehrheit und dem Bundesrat gegen sie ähnlich
rumwurschteln und sich um Entscheidungen drücken.
Wir
wissen inzwischen von genügend Fällen, in denen die Bundeskanzlerin sogar persönlich
die nicht gerade als voranpreschende EU-Kommission bremste.
CO2-Reduzierung
bei PKWs?
Konjunkturmaßnahmen?
Transparenzoffensiven?
Transparenzoffensiven?
Merkel
bremst alles aus.
Merkel
und ihre CDU-Minister charakterlich ungeeignet neue Wege zu begehen.
Selbst
wenn jeder Fachmann der Welt ein Desaster prognostiziert, traut sich die
Kanzlerin nicht irgendetwas zu wagen.
Das
konnte nicht klappen, was der Geront aus dem letzten Jahrtausend im deutschen Finanzministerium
wollte, aber Merkel ist alles egal.
Führende deutsche
Wirtschaftsforscher haben ein verheerendes Bild von der Lage in Griechenland
gezeichnet und eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik gefordert. "Der
Reformprozess ist komplett zum Erliegen gekommen", sagte Alexander
Kritikos, Forschungsdirektor Unternehmertum am Deutschen Institut für
Wirtschaft (DIW). Es fehlten jegliche Anreize für Investoren, sich in dem
verschuldeten Land zu engagieren. Damit sei Athen der Weg in die wirtschaftliche
Selbständigkeit versperrt.
[….]
Schäuble
wagt keine Mehrwertsteuerreform, Schäuble schützt die Steuerflüchtlinge,
Schäuble blockiert die Transparenzinitiative der EU, Schäuble
will gar keine Aufklärung über Steuerflucht.
Merkel
und Schäuble sind faul und feige, wollen gar nichts
anfassen.
Dieses unfassbar erbärmliche Duckmäusertum Merkels gegenüber Erdogan,
das danach aussieht, als ob sie frisch im Amt sein und eher 18% statt 80%
im Parlament hinter sich hätte, kennen wir schon von ihrer gesamten
Regierungszeit.
Sie läßt
Horst Seehofer nach Belieben auf ihrer Nase herumtanzen.
Damit
macht sie sich innerhalb der C-Parteien-Familie klein.
Aber
genauso unverständlich läßt sie sich zum Schaden Deutschlands auch von der USA,
bzw der NSA vorführen.
Snowden
befragen? Julian Assange?
Huuu, Eieiei, nein lieber nicht,
nachher ist Obama böse, das trauen wir uns nicht.
Es
ist mal wieder Zeit für Gysis „Ich
bin dieses Duckmäusertum sowas von leid-Rede“.
Alle sprachlichen
Register gezogen: Die Rhetorik-Fachleute der Universität Tübingen haben die
Bundestagsrede von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zum NSA-Skandal zur
"Rede des Jahres" gekürt.
Als Linken-Fraktionschef
Gregor Gysi am 18. November im Bundestag zum NSA-Skandal sprach, sah
Bundeskanzlerin Angela Merkel fast nie auf. Stattdessen kämpfte sich die
CDU-Politikerin im Plenarsaal durch die vor ihr auf dem Tisch liegenden Akten.
Aus Sicht der Wissenschaftler des Seminars für Allgemeine Rhetorik der
Eberhard-Karls-Universität Tübingen hätte Merkel wohl besser zuhören sollen.
Die nämlich kürten den Wortbeitrag Gysis jetzt zur "Rede des Jahres".
"Mit
anschaulichen Worten und großer argumentativer Kraft durchleuchtet Gysi die
Spähaffäre und das Verhalten der Bundesregierung, fordert eine
deutsch-amerikanische Freundschaft auf Augenhöhe und: den Friedensnobelpreis
für Edward Snowden", heißt es in der Begründung der Jury.
Auch
Snowden ist von der Bundesregierung als Zeuge unerwünscht –
es könnte ja die USA verärgern und das will der devote Uckermärker Hosenanzug
auf keinen Fall. Um Putin zu beschimpfen hat sie immer genug Energie, aber vor Washington kuscht sie und räumt
schon eigenständig alle Kontroversen ab.
Und so
handelt auch Merkels SPD-Außenminister, der Ukrainische Faschisten auf seiner
Nase Tänzchen aufführen läßt und es nicht wagte Herrn Erdogan gegenüber den
Völkermord an den Armeniern Völkermord zu nennen.
Hier
offenbart sich das ganze Elend des durchaus beliebten Außenministers
Steinmeiers. Die Deutschen mögen ihn zwar für seine nette Unverbindlichkeit.
Aber andererseits ist er als Außenpolitiker auch sagenhaft erfolglos. Es klappt
einfach gar nichts, das er anfasst.
Das
ist zwar immerhin noch deutlich besser als Westerwelles Bilanz, der auch keine
Erfolge vorweisen konnte und zudem auch noch Deutschland international laufend
blamierte, so daß man sich immer mitschämen mußte, wenn er im Ausland
auftauchte.
Aber
bella figura allein, ist ebenfalls zu wenig.
Unglücklicherweise
ist der frustrierte Steinmeier nun auf dem Weg in Richtung Westerwelle-Stil und
fügte seiner Völkermord-Farce eine richtig schlechte Aktion hinzu.
Er
schwang die verbale Holocaust-Keule und redete sich um Kopf und Kragen.
[…]
Steinmeier sagt auf die Frage, warum er sich
gegen den Begriff "Völkermord" gewehrt habe, einen Satz, der so
ungehörig ist, dass man ihn in ganzer Länge zitieren muss: "Wir müssen in
Deutschland aufpassen, dass wir am Ende nicht denen recht geben, die ihre
eigene politische Agenda verfolgen und sagen: Der Holocaust hat eigentlich vor
1933 begonnen." Übersetzt heißt das nicht weniger, als dass der Papst,
Joachim Gauck und Norbert Lammert den Verharmlosern des Holocaust in die Hände
spielen.
Dieser Vorwurf ist für
sich genommen schon dreist. […]
Auch ein Blick in die Geschichte zeigt,
wie absurd Steinmeiers Einlassung ist. Als Adolf Hitler 1939 wenige Tage vor
dem Überfall auf Polen erklärte, er habe den Totenkopf-Verbänden den Befehl
erteilt, unbarmherzig gegen "Mann, Weib und Kind" vorzugehen, berief
er sich auch auf das Schicksal der Armenier. "Wer redet denn heute noch
von der Vernichtung der Armenier?", fragte Hitler triumphierend - auch um
seinen Generälen die Sorge vor Konsequenzen eigener Untaten zu nehmen. […]
Und
da wir gerade von ehrlicher Sicht auf die eigene Vergangenheit sprechen – die
Weigerung der Steinmeier-Regierung Reparationen an Griechenland zu zahlen hatte
ich schon angedeutet – da gäbe es noch einiges mehr zu tun für Deutschland.
[…] In
den Jahren 1904 bis 1908 ermordeten kaiserliche Truppen im heutigen Namibia
etwa 90 000 Angehörige der Herero und Nama - aus Vergeltung. Die Stämme hatten
sich gegen die Kolonialherren erhoben. Wer nicht erschossen wurde, den trieben
die Deutschen zum Sterben in die Omaheke-Wüste. Auf der Haifischinsel
errichteten sie ihr erstes Konzentrationslager, die Gefangenen arbeiteten sich
zu Tode oder verhungerten. Nicht einmal ein Drittel der Herero und nur die
Hälfte der Nama überlebten. […]
"Nachdem sich der
Deutsche Bundestag ehrlich gemacht hat und offen vom Völkermord an den
Armeniern spricht, kann das Kapitel Südwest-Afrika in der deutschen
Kolonialgeschichte nicht unbearbeitet bleiben", schreibt Özdemir auf
Anfrage der Süddeutschen Zeitung: "Eine offizielle Entschuldigung und Förderung
der Aufarbeitung fehlt bis heute."
[…] Deutlicher
wird der Linken-Abgeordnete Niema Movassat. Es sei " längst
überfällig", dass auch der Vernichtungsfeldzug gegen die Herero und Nama
als Völkermord anerkannt wird, teilt Movassat auf SZ-Anfrage mit: "Dieser
erste Völkermord des 20. Jahrhunderts darf nicht länger geleugnet werden!"
[…] Überliefert ist der sogenannte Vernichtungsbefehl des deutschen
Generalleutnants Lothar von Trotha, der die Herero für vogelfrei erklärt:
"Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr,
mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr
auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen."
[…] Von
Völkermord spricht die Regierung nicht. Sie greift aber auch nicht auf die
Formulierung ihrer Vorgängerin zurück. Die hatte 2012 auf eine kleine Anfrage
der Linksfraktion geantwortet, dass die UN-Konvention von 1948 nicht
rückwirkend gelte, die Verbrechen an Herero und Nama somit "nicht als
Völkermord eingestuft werden." […]
Und so
agiert die auf eine parlamentarische 80%-Mehrheit gestützte Regierung des
mächtigsten Landes Europas.
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