Freitag, 22. April 2016

Präsident Ryan?


Nach dem überraschend starken Abschneiden Trumps und Clintons in New York sind die beiden ihrer offiziellen Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten ein großes Stück näher gekommen.
Bei den Demokraten ist die Sache so gut wie gelaufen, da sich die Delegiertenstimmen nur auf zwei Personen verteilen; wenn einer vorn liegt, kommt er, bzw in diesem Fall sie auf über 50% der Stimmen. Mathematik.
Bernie Sanders kann ab jetzt nur noch der Partei schaden, destruktiv agieren, Geld kosten.
Er beschädigt massiv Hillary Clinton; durch seine fortgesetzten persönlichen Attacken auf sie stieg ihre allgemeine Unbeliebtheit auf den Rekordwert von 56%; sie wird immer unpopulärer.
Wie Ralph Nader, der im Jahr 2000 immerhin 3 Mio. Stimmen (2,74 %) holte und damit George W. Bush ins Amt brachte, könnte es diesmal Sanders sein, der die grottige GOP rettet.
Die unbeliebte Kandidatin hätte nur in einem Fall gute Chancen auf das Präsidentenamt; wenn der einzige noch deutlich unbeliebtere Kandidat gegen sie anträte – Trump, das mutmaßliche Urnengift.

Warum Clinton dennoch optimistisch in die Zukunft blicken kann? Die Republikaner Donald Trump und Ted Cruz sind ebenso unbeliebt oder noch unpopulärer als Clinton, erklärt das "Wall Street Journal" :

"Nicht zu fassen, aber die Herren Trump und Cruz sind vermutlich die einzigen zwei Republikaner, die gegen Hillary Clinton verlieren könnten."

Das ist ein Ausblick auf die kommenden Monate - die Abstimmung in New York aber war für Donald Trump ein Erfolg. Er holte mehr als 60 Prozent der Stimmen, sein bislang größter Sieg in einem Staat.
Eine "glorreiche Nacht" für Trump, meint die konservative "New York Post". Ernüchternd sei der Abend für jene gewesen, die glaubten, Trumps Kandidatur wäre desaströs für Partei und Land.

Was sagt das über das Funktionieren der so stolzen größten Demokratie der Welt, “The Land of the Free” aus, wenn bei Präsidentschaftswahlen ausgerechnet die drei unbeliebtesten Politiker des Landes das Rennen unter sich ausmachen?

Bei den Republikanern ist es gut möglich, daß sich Donald Trump die magischen 50% der Delegiertenstimmen holt. Sicher ist es noch nicht. Der Nächstplatzierte, der ultrakonservative, fanatisch-religiöse Cruz käme dann aber auch nicht zum Zug, weil noch Kasich (mit derzeit 148 Stimmen) im Rennen ist und außerdem im ersten Wahlgang die 171 Rubio-Stimmen im Kuchen fehlen.

Die „contested convention“, vor der alle wegen ihrer Unvorhersagbarkeit zittern, wäre die Folge.
Diesen Fall gab es im Computerzeitalter noch nicht, aber das RNC fürchtet natürlich die neroeske Energie des Twitterers Trump.
Eine gewaltig zerstrittene GOP wäre ein weiteres Geschenk für die bedrängte Clinton. Je schmutziger es bei den Teebeuteln zugeht, desto mehr könnte sie sich als seriöse Alternative inszenieren.

Seit sich die republikanischen Parteiführer devot der Teaparty ergeben haben, ist ihnen jede Dummheit zuzutrauen.
Daß ihnen die Macht entglitten ist, zeigte spätestens das desaströse Ausscheiden Jeb Bushs aus dem Rennen. Nahezu unendliche Geldmittel und der massive Druck der mächtigsten rechten Dynastie, der Bushs, die mit zwei lebenden Ex-Präsidenten für Jeb trommelten, konnten nichts bewirken.

Parteichef Reince Priebus dürfte aber nicht so doof sein, daß er keine Umfragen lesen kann.
Auch er wird wissen, daß man mit Trump und Cruz die Präsidentschaft bis 2020/2021 an die Demokraten verschenkt und damit wahrscheinlich auch den Supreme Court für Dekaden auf liberal dreht.
Daher wollen Priebus, Romney und andere immer noch mit allen Mitteln Trumps Nominierung verhindern.

Ihr Kernargument ist auf Umfragen gestützt, die ein Pro­blem von zehn Prozentpunkten Unterschied für den Hotelier diagnostizieren: Gegen Hillary Clinton, wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten, hätte Trump bei der Wahl um den Einzug ins Weiße Haus im November keine Chance.
Fast jede Alternative wäre dem konservativen Partei-Establishment darum lieber als der Mann, der sich mit Gott und der Welt anlegt, um das amerikanische Wutbürgertum an die Vorwahlurnen zu locken. Hinter den Kulissen läuft die Suche nach dem "weißen Ritter" auf vollen Touren. [….] Hier ruhen die Hoffnungen auf Paul Ryan. Der asketische Familienvater aus Wisconsin ist Sprecher des Repräsentantenhauses; nominell damit die Nummer drei im Staatsgefüge. Er gilt in Finanzfragen als Schwergewicht, genießt hohes Ansehen und wäre nach Ansicht von US-Kommentatoren eine "echte Bedrohung" für Hillary Clinton.
(Dirk Hautkamp, HH Abla, 21.04.16)

Ryan ist schon seit Monaten im Gespräch, auf ihn wird großer Druck ausgeübt. Er kommt wie Parteichef Reince Priebus aus Wisconsin, beide sind fast gleich alt und sollen einander eng verbunden sein. Das zeigte sich auch daran, daß er in einer völlig verfahrenen Situation aus Parteiraison den Job als House-Speaker übernahm.

Außerdem zeigte die Kandidatur des ebenfalls ultrakonservativen Paul Ryans als VP auf Romneys Ticket 2012 wie machthungrig der Ayn-Rand-Fan ist.

Der GOP durchaus wohlgesonnene Kommentatoren hoffen auf eine gewaltige Wahlniederlage; nur dann könne es zu einem reinigen Gewitter und der Trennung von den fanatisierten Teebeutlern kommen. Vor der Wahl im November sei nichts mehr zu reparieren.

Für Rettungsmaßnahmen ist es nun zu spät. Auch der Versuch, Trump doch noch als Kandidaten zu verhindern, etwa mit Tricks beim Nominierungsparteitag im Juli, wird nicht helfen. Dafür hat Trump bereits zu viele Stim­men, seine Millionen Wähler würden sich zu Recht betrogen fühlen. Trump warnte schon vor „Unruhen“. So werden sich die Republikaner mit Trump wohl im Hauptwahlkampf blamieren müssen.
Erst danach, im Angesicht der Selbstzerstörung, nach einer – hoffentlich – deftigen Niederlage, wird die Partei eine ehrliche Bilanz ziehen können. Sie wird dann alles hinterfragen müssen, was zu dieser Verwahrlosung geführt hat. Die Änderungen müssten so gewaltig sein, dass es fast einer Neugründung gleichkäme: der Gründung einer zivilisierten, aufrichtigen, bürgernahen Partei. Wer die Vereinigten Staaten mag, kann ihnen nichts anderes wünschen.

Gut möglich, daß es so kommen wird.
Möglich auch, daß nach einer gewaltigen Urnenschmach die wenigen verbliebenen Nicht-Irren in der GOP wieder Auftrieb erhalten.

Allein, mir fehlt der Glaube.

Meiner Ansicht nach sind auch die in Relation zu Cruz halbwegs zurechnungsfähigen GOPer so fanatisch und so voller Hass auf Hillary Clinton, daß sie alles versuchen werden, um ihre Präsidentschaft zu verhindern.
Dafür würden sie es auch auf tabula rasa beim Nominierungsparteitag in Cleveland ankommen lassen.

Ich erinnere mich an den Wahlabend von 2008, als noch vor dem Entstehen der Teaparty der damals als vernünftig geltende John McCain vor seine Wähler trat und sich genötigt sah, die Obama-hassende Menge zu beruhigen, weil die schon unmittelbar am Wahlabend in Lynchstimmung geriet.
In den folgenden acht Jahren wurde die Partei aber noch kontinuierlich radikalisiert.

Auch Priebus, Romney, Ryan und die Bushs werden alles dafür tun, um Clinton zu verhindern.

Trump also könnte zwar die Vorwahlen gewinnen, am Ende aber die Nominierung verlieren. Es ist ein Ergebnis, das viele Anhänger Trumps als ungeheuerlich empfinden würden, während es sich etliche Wortführer der Partei sehnlich wünschen. Sicher ist im Moment nur dies: Ein solcher Ausgang ist theoretisch möglich.
[….][….] Mit Hilfe dieser Regeln nun versucht Cruz, die Nominierung doch noch zu gewinnen. Es ist der Teil des Wettbewerbs, der dieser Tage im Schatten stattfindet, wenig glamourös, regelschwer, provinziell. In den einzelnen Staaten werden nämlich dieser Tage die Delegierten ausgewählt: Die Republikaner entscheiden also, wen sie zum Parteitag schicken. Oft sind dies lokale Amts- und Mandatsträger, die Parteichefs einzelner Landkreise zum Beispiel. Sie stehen den etablierten Kräften der Partei womöglich näher als dem Außenseiter Trump. Sollten nun überdurchschnittlich viele Cruz-Sympathisanten nach Cleveland reisen, so müssten sie zwar im ersten Wahlgang für Trump stimmen, könnten aber bereits ab der zweiten Abstimmung Cruz wählen. So könnte Cruz am Ende derjenige sein, der den Sieg davonträgt.
[….] Ted Cruz hat sich in den vergangenen Wochen als Meister dieses Spiels im Schatten erwiesen. So hat er jüngst beim Auswahlprozess in Wyoming fast alle Delegierten erobert. [….] Für die Republikanische Partei bleiben auf jeden Fall keine attraktiven Optionen. Die gemäßigte Parteispitze verachtet Trump, der sich mit seinen Tiraden gegen Politiker und Minderheiten zahllose Feinde geschaffen hat, aber sie verachtet auch Cruz, der als rücksichtsloser Ideologe gilt. [….][….]

Der Gedanke, Paul Ryan wie Kai aus der Kiste ins Oval Office zu bringen dürfte viele Republikaner elektrisieren.
Europa sollte sich aber nicht davon täuschen lassen.
Ryan würde fast genauso schlimm wie Cruz und Trump agieren.
Auch er ist de facto ein radikaler Menschenhasser, der wie gedruckt lügt.


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