Sonntag, 3. Juli 2016

Fest verpasst

In der aktuellen Wochenend-Ausgabe des Hamburger Abendblattes wird über drei volle Seiten beschrieben wie der Eppendorfer Pfaff Ulrich Thomas von der St. Martinus-Gemeinde gegen die Bedeutungslosigkeit ankämpft.

Wie immer, wenn solche Artikel in großen Zeitungen erscheinen, ergreift der Autor ganz klar Partei, schmeißt jeden journalistischen Ethos über Bord und geht wie selbstverständlich davon aus, daß das Schrumpfen der Kirchen negativ wäre, daß man „Pastor Uli“ Erfolg wünsche müsse.
Der arme Pastor arbeite so viel, auch am Wochenende. Müsse immer für Sorgen und Nöte ansprechbar sein.
Habe nie freie Zeit, wäre immer unterwegs. Er sei sogar schon einmal knapp am Burn-Out und einer Erschöpfungsdepression vorbei gerauscht.
Ungerechterweise wären aber dennoch seit seinem Amtsantritt 600 von insgesamt 3.600 Gemeindemitgliedern ausgetreten.
Die Welt ist so ungerecht.

Glückwunsch, Kirche!
Das muß erst mal jemand nachmachen: Eine Organisation, die dermaßen vom Staat mit Geld zugeschissen und privilegiert wird, dennoch kontinuierlich zu schrumpfen, ist eine echte Leistung!
37.000 Menschen traten 2014 aus der Nordkirche aus.
Bitte weiter so.
2% der Hamburger Protestanten, entsprechend 0,5% aller Hamburger gehen sonntags in die Kirche. Und das in einem Bundesland, in dem ohnehin nur 27,9% Mitglied der evangelischen Kirchen sind.
Für meinen Geschmack sind einer von 200 immer noch viel zu viele Gottesdienstbesucher, aber auch wenn man es religionspolitisch neutral betrachtet, muß man sich schon fragen, woher die hanseatischen Kirchen die Chuzpe nehmen sonntagsmorgens mit ihrem grausam lauten Gebimmel die Stadt aufzuwecken, wenn 99,5% offensichtlich nicht geweckt werden wollen.

Wie immer bei diesen kirchenfreundlichen Artikeln über evangelische Geistliche, staune ich über die enorme geistige Schlichtheit ihrer Predigten.
Ich lese auch christliche Editorials in den Beilagen „Himmel und Elbe“ oder „Chrismon“, verschlinge sogar die wöchentliche Christenkolumne im „GONG“.
Genau weiß ich natürlich nicht, was man im Theologiestudium lernt, aber die Kolumnen, Grußworte, Fernsehpredigten, die ich kenne, laufen immer nach dem gleichen primitiven Strickmuster: Der selbstverliebte Pfaff, bzw die Pfäffin beschreibt eine extrem banale Tätigkeit ihres Alltags, will offenbar dafür bewundert werden, daß sie als „Hochwürden“ und „Gottesmann/frau“ auch so normale Dinge tun und findet dann wenig überraschend ein Bibelzitat, welches eben diesen Banalzusammenhang ebenfalls behandelt.
Als Conclusio folgt eine ordentliche Portion Selbstbeweihräucherung. Ist es nicht toll von Gott/Bibel/Kirche, wie alles bedacht wurde?

Der Fairness halber sei erwähnt, daß die katholischen Zeitschriften-Pfaffen zwar nicht ganz so grenzdebil wie die evangelischen Kollegen, so aber doch auch bemerkenswert sinnlos und an allen wichtigen Themen vorbei schreiben.

Pastor Schießler, der nach eigener Aussage „bekannteste katholische Pfarrer Münchens“ erwähnt in seiner aktuellen Kolumne nicht etwa den gigantischen Milliardenschatz seiner bayerischen Kirche, nicht die religiotisch motivierten Mega-Attentate, nicht die Flüchtlingsströme, nicht die über 100 Terrortoten von Bagdad, nicht Orlando, nicht die 20.000 täglich wegen der westlichen Agrarpolitik verhungernden Kinder, nicht die in sechs Monaten 2.500 elend im Mittelmehr gestorbenen Menschen, die von den Christen Europas nicht ins Land gelassen werden, nicht die hunderten von rassistischen Übergriffe  in Deutschland, nicht die von 2014 auf 2015 um 100% angewachsenen Deutschen Waffenexporte in Krisengebiete, nicht die rechtsradikalen Wahlerfolge.

Stattdessen klärt uns Rainer Maria Schießler über das bedeutende orthodoxe Fest der Gewandniederlegung Mariens am 02.Juli auf!

Ja, denn das wird nie genug gewürdigt: Als Jesu Mutter Marie eines Tages starb, sauste sie leibhaftig sofort in den Himmel hinauf. Das ist ein Dogma.
Was aber dabei immer vergessen wird: Sie ging als Nudistin zu Gott, rauschte barbusig in den Himmel.
Ihre Kleider ließ sie zurück auf der Erde!
Es ist doch ungeheuer wichtig diese Tatsache auch gebührend zu würdigen!
Schließlich gibt es auch eigentlich nichts anderes in der Welt, das uns kümmern sollte.


Verdammt und heute ist der 03.07.16!!
Alles verpasst.
Nun muß ich wieder ein Jahr warten, bis Maria blankzieht.

Das Fest der Niederlegung der Muttergottesgewänder (deutsch auch Mariä Gewandniederlegung u. ä. genannt) wird in der orthodoxen Kirche am 2. Juli begangen.
Nach orthodoxem und katholischem Glauben wurde Maria im Moment ihres Todes mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Im Grab blieben der Legende nach nur ihre Gewänder. Als diese Mariengewänder und damit als unschätzbare Zeugnisse der Menschwerdung Gottes wurden in Konstantinopel einige Tuchreliquien verehrt, für die Kaiserin Aelia Pulcheria ab 452 in den Blachernae eine Kapelle erbauen ließ. Hier wurden nach der Fertigstellung am 2. Juli die Mariengewänder feierlich niedergelegt.
(Wikipedia)

Das Gute am christlichen Glauben ist eben, daß er so gar nicht albern ist; daß alles wirklich Hand und Fuß hat!

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