Montag, 4. Juli 2016

Schwarzer Peter und schwarze Null.

Gabriel ist aber auch ein Unglückswurm.

Wie so oft hat er nicht ganz Unrecht, wenn er seine Waffenexportbilanz verteidigt.
Schon klar, daß man nicht nur auf die blanken Zahlen – Rüstungsexportvolumen 2014 vier Milliarden, 2015 acht Milliarden – gucken kann, wenn darunter auch eher harmlose Tankflugzeuge an Großbritannien im Wert von 1,1 Milliarden fallen.
Es ist auch positiv, daß endlich der Export von Kleinwaffen etwas zurückging.

Aber dennoch kann man sich bei einer Verdoppelung des Rüstungsexportvolumens innerhalb eines Jahres als zuständiger Minister nicht glaubhaft als Vorkämpfer restriktiverer Waffenexporte darstellen.

Man kann auch nicht als mächtiger SPD-Chef im dritten Amtsjahr als Superminister und Vizekanzler den Eindruck hinterlassen ein zupackender Politiker zu sein, den man wählen sollte, wenn man jammervoll auf den kleinen Fipsi zeigt, der bekanntlich 2013 schmachvoll aus dem Bundestag und der Bundesregierung flog.
Nun ist also Rösler verantwortlich, daß der arme kleine Sigi mehr statt weniger Waffen exportieren lässt?
Keine kraftvolle Botschaft.

[….]  Eigentlich wollte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Zahl der Waffenexporte reduzieren.
    Nun ist das Gegenteil passiert: Die Zahl der Lieferungen hat sich 2015 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt.
[….] Gabriel verwies gegenüber der Süddeutschen Zeitung auf unumkehrbare Genehmigungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung und politisch unproblematische Exporte an Verbündete. [….] Gabriel räumte gegenüber der SZ ein "erheblich gestiegenes Gesamtvolumen ein". Dahinter steckten jedoch noch von der schwarz-gelben Regierung erteilte Lieferzusagen wie zum Beispiel für Kampfpanzer an Katar, "die ich leider nicht rückgängig machen kann". Das Volumen der Lieferung in das Emirat, das in den Bürgerkrieg in Jemen involviert sein soll und wegen seiner mutmaßlichen Unterstützung für die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in der Kritik steht, beläuft sich auf rund 1,6 Milliarden Euro.
Gabriel nahm bereits in der Vergangenheit den Versuch für sich in Anspruch, das Geschäft zu stoppen, damit aber am Widerstand anderer Teile der Regierung gescheitert zu sein. [….] Die Rüstungsexpertin der Grünen, Agnieszka Brugger, hielt Gabriel vor, er habe "völlig versagt". Den Verweis auf Genehmigungen der Vorgängerregierung nannte Brugger "eine billige Ausrede".
Die Bundesregierung habe stets die Möglichkeit, ein Rüstungsgeschäft wie das mit Katar zu stoppen, auch wenn damit Schadenersatzansprüche der betroffenen Firmen verbunden seien. "Ich finde es weniger schlimm, Schadenersatz zu leisten, als ein Land zu beliefern, das gerade Krieg führt", sagte die Grünen-Politikerin der SZ. [….]

Sturmgewehre und Maschinenpistolen im Wert von 32 Millionen Euro hat Gabriel aber dennoch exportieren lassen.
Wieso eigentlich?
Es ist auch äußerst fraglich, ob Gabriels Darstellung von ihm selbst als armen Minister mit den gebundenen Händen überhaupt stimmt.

Die deutschen Rüstungsexporte haben sich 2015 im Vergleich zum Vorjahr mit erschreckenden 7,86 Milliarden Euro fast verdoppelt. Die billigen Ausreden und Falschbehauptungen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel können nicht über die nun vorliegenden beschämenden Zahlen hinwegtäuschen. Gabriel wollte die Waffenexporte reduzieren und ist nun für das Gegenteil verantwortlich. Eine desaströse Bilanz.


Ist Gabriel vielleicht einfach nur nicht mutig genug gegen Merkel aufzustehen?
Wenn es denn stimmt, daß er juristisch nichts gegen die alten schwarzgelben Beschlüsse machen kann, wieso prangert er dann nicht täglich in deutlichen Worten die so allseits beliebte Kanzlerin dafür an, die Krisengebiete der Welt mit deutschen Waffen zu beliefern?

Ein bißchen kann ich den Unglückswurm Gabriel aber auch verstehen.
Er ist immerhin der einzige Minister im Bundessicherheitsrat, der überhaupt daran denkt Waffenexporte ein wenig einzuschränken.
Offenbar ist er dabei immerhin so durchsetzungsstark, daß die Unions-Waffenfanatiker ernsthaft in Sorge sind.

Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, wirft Vizekanzler Sigmar Gabriel "eine Gefährdung der nationalen Sicherheit" vor. "Ohne eine politische Debatte in der Koalition werden Exportanfragen widerrufen oder liegengelassen", monierte Pfeiffer. Inzwischen seien selbst Verbündete wie Japan oder Australien misstrauisch. Deutschlands Bündnisfähigkeit und Verlässlichkeit seien infrage gestellt.
Gabriel hat seit dem 8. Juli keine neuen Genehmigungen mehr für Kriegswaffenexporte nach Israel erteilt. Der Wirtschaftsminister von der SPD will den Verkauf von Waffen an autoritäre Regime unterbinden. Bei der letzten Sitzung des geheim tagenden Bundessicherheitsrats hatte Gabriel fast zwei Drittel aller beantragten Ausfuhren von Kriegsgut in sogenannte Drittstaaten gestrichen.

Das muß schon nervig sein für den Vizekanzler.
Er unterbindet immerhin überhaupt mal Waffenexporte, wird dafür von Linken, Grünen und Sozis scharf kritisiert, weil er nicht konsequent genug sei und gleichzeitig von der Union, weil er zu konsequent wäre.
Dabei sind Waffenexporte in der Bevölkerung sehr unpopulär.
Doch Gabriels Ablehnung von Rüstungsexportgenehmigungen hilft ihm demoskopisch offenbar gar nicht.
Stattdessen sind sie ausdrücklichen Befürworter von MEHR WAFFENEXPORTEN, Merkel und Schäuble, beim Urnenpöbel viel beliebter als Gabriel.

Finanzminister Schäuble fordert, Waffenexporte zu vereinfachen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich für mehr europäische Rüstungsprojekte ausgesprochen und dafür eine Lockerung der Exportrichtlinien gefordert. „Mit unserem Rüstungsexportkontrollregime sind wir nicht europatauglich“, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend im „Bericht aus Berlin“ in der ARD. „Wenn wir in bestimmten Punkten europäische Lösungen wollen, muss jeder bereit sein, auch wir, einige nationale Regelungen ein Stück weit danach überprüfen zu lassen, was denken eigentlich die anderen“, fügte Schäuble hinzu.

Der Vizekanzler ist alles andere als unschuldig an seiner öffentlichen Wahrnehmung.
Aber dennoch ist es unfair, wie wohlwollend und lobend der Finanzminister von der gesamten Hauptstadtpresse behandelt wird.
Kein Artikel, in dem nicht die Seriosität, Kompetenz und Verlässlichkeit Schäubles hervorgehoben wird.
Dabei ist das Gegenteil der Fall.
Schäuble ist ein chronischer Lügner, der charakterlich höchst unangenehm ist und zudem vermutlich die Hauptursache für den katastrophalen Zustand der EU ist, weil er seit Jahren die völlig kontraproduktive, falsche, ungerechte und sozial zerstörerische Austeritätspolitik gegen den Rat nahezu aller Experten durchdrückt.
Schäuble ist besessen von der „schwarzen Null“, weil sie ein populistisches Konstrukt für die Simplixe im Deutschen Urnenpöbel ist, die tatsächlich glauben Weltfinanzwirtschaft funktioniere wie die Haushaltskasse der „schwäbischen Hausfrau“.

Wahr ist, daß der Schäublesche Sparwahn Investoren und Banker reicher macht, während ganze Volkswirtschaften in den Ruin getrieben werden, mehre südeuropäische Länder unter einem fürchterlichen Braindrain und Massenarbeitslosigkeit leiden.

Es wäre ganz schön, wenn sich Gabriel nicht wie beim Waffenexport hinter Fipsi versteckt, sondern endlich mal Merkel und Schäuble frontal angreift.

Erste Zeichen dafür gibt es nach dem Brexit.

[….]  Die SPD attackiert Schäubles Sparkurs, die Union verteidigt ihn verbissen.
Es sind Zahlen, auf die der Bundesfinanzminister sehr stolz ist: Zum dritten Mal seit 2015 wird Wolfgang Schäuble am Mittwoch einen Haushaltsentwurf vorstellen, der keine weiteren Schulden vorsieht - und das soll nach den Planungen des CDU-Politikers auch bis 2020 so bleiben. [….] Aus Sicht von CDU und CSU steht Schäuble genau für das, was Deutschland so erfolgreich gemacht hat - und wovon es in Europa zu wenig gibt: Sparsamkeit, Fleiß, Zielstrebigkeit. "Das ist die klare Handschrift der CDU in dieser Großen Koalition", sagte Generalsekretär Peter Tauber am Montag. "Darauf sind wir sehr stolz."
[….] Aber so leicht werden die Sozialdemokraten diesmal nicht aufgeben. Denn es ist ja nicht nur Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel, der mehr Wachstumsimpulse für EU-Krisenländer fordert. Dabei geht es im Kern um die flexiblere Ausgestaltung des Wachstums- und Stabilitätspakts innerhalb der EU. Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Premier Matteo Renzi, beide ebenfalls Sozialdemokraten, hoffen auf entsprechende Schritte - auch im Interesse ihrer eigenen Länder.
[….] Europa sei geteilt in reichere und ärmere Staaten - diese Spaltung müsse überwunden werden, glaubt Gabriel. "Wir haben gerade gesehen, arme Leute stimmen für 'Out'", sagt der Wirtschaftsminister mit Blick auf das Brexit-Votum. Dabei seien neue Schulden nicht unbedingt das Ziel. Man müsse sich aber schon fragen, meint der SPD-Chef, ob es gut sei, Verschuldung für Investitionen abzulehnen, obwohl es gerade negative Zinsen gebe. [….]

Bei diesem Koalitionskrach sind die Frontlinien klar: Die CDU ist im Unrecht, die SPD liegt richtig.
Nur nicht wieder einknicken, Genossen!

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