Die neuesten Umfragen zur Bundestagswahl – Grüne und SPD rutschen weiter ab, AfD und
FDP legen stark zu – deprimieren mich.
Sie
deprimieren mich insbesondere ob der großen Buch-Zwei-Analyse in der letzten Wochenend-SZ,
die auswertet, daß die so verhassten Umfrageinstitute leider mit ihren letzten
Daten vor Trump oder Bundestagswahlen immer Recht hatten. Die Ergebnisse lagen
immer innerhalb der Fehlertoleranz von +/- zwei Prozentpunkte. Nur im Jahr 2005
irrte man sich mit dem CDU-Ergebnis.
Das
alles deprimiert mich sogar dermaßen, daß ich an andere Ende der Welt gucke, um
mich abzulenken.
Thema Kolumbien.
Dort gab
es einen fünfzig Jahre währenden Bürgerkrieg, der damit der am
längsten währende bewaffnete Konflikt in der westlichen Hemisphäre ist und in
der europäischen Wahrnehmung kaum vorkommt. 200.000 Tote und sieben Millionen Flüchtlinge
– alles Christen, alles Katholiken, die sich gegenseitig abmurxen – die uns
nicht interessieren.
[….]
Nach einem mehrjährigen erbitterten
Machtkampf – der sogenannten Violencia (1948-1953) – schlossen die
Konservativen und Liberalen einen Pakt der Machtteilung (1958-1974). Die
"Violencia", der bis 1963 mehr als 200.000 Zivilisten zum Opfer fielen,
hat das politische Klima des Landes nachhaltig vergiftet. Die "Nationale
Front" zwischen Konservativen und Liberalen schloss andere Parteien
faktisch von der Regierungsbildung aus. Auch danach wurden Oppositionelle
bedroht und ermordet, darunter mehrere Präsidentschaftskandidaten. Den
Tiefpunkt bildete die fast völlige Auslöschung der linken Partei Unión
Patriótica in den 1980er Jahren. Die politische Teilhabe oppositioneller
Parteien, linker Gewerkschaften und zivilgesellschaftlicher Organisationen wird
bis heute behindert. Politische Morde sind heute nicht mehr so häufig wie noch
in den 1980er Jahren, aber immer noch ein Faktum. [….] Die wichtigste Konfliktursache war und ist das große soziale Gefälle
zwischen Arm und Reich und damit verbunden die extrem ungleiche Verteilung von
Landbesitz. Kolumbien ist weltweit eines der Länder mit der größten sozialen
Ungleichheit; es steht auf Platz 12 von 168 Ländern laut UNDP (Gini-Index von
55,9 für 2013). [….] Zivilgesellschaftliche
Initiativen engagieren sich seit Jahren lokal für gewaltfreie Lösungsansätze,
beispielsweise in sogenannten Friedensgemeinden oder humanitären Zonen. Für sie
und andere AktivistInnen bleibt Kolumbien ein gefährliches Land. 2014 wurden
626 MenschenrechtsaktivistInnen bedroht und 55 ermordet. Für 72% der Taten sind
paramilitärische Gruppen verantwortlich (siehe Bericht der NRO "Somos
Defensores"). […]
Papst
Franzens Kirche spielt bei diesem Massenmord eine wesentliche Rolle.
[…..] Die kolumbianische Bischofskonferenz ist
bezüglich der Aussöhnung mit den Farc mindestens so zerstritten wie der Rest
der Gesellschaft. Der Klerus pflegt traditionell eine Nähe zu den
wirtschaftlichen Eliten, den Großgrundbesitzern. Kolumbiens Reichtümer sind bis
heute etwa so gerecht verteilt wie in einem mittelalterlichen Fürstentum, und
diese Eliten haben wenig Interesse daran, dass sich daran etwas ändert. Genau das
ist aber die Grundidee des Friedensschlusses - sie besteht darin, dass der
bewaffnete Konflikt nur dann dauerhaft beendet werden kann, wenn auch die
zentrale Konfliktursache beseitigt ist: die himmelschreiende soziale
Ungerechtigkeit. […..]
Sich für
Arme und Besitzlose einzusetzen kam für die römisch-katholische Kirche
Jahrzehntelang überhaupt nicht in Frage. Woytila und Ratzinger ernannten nur
erzkonservative Bischöfe, die fest an der Seite der Faschisten gegen Liberale
und Menschenrechte kämpften.
Faschistoide
Kleriker haben in Südamerika eine große Tradition.
Einer
der bekanntesten Kolumbianer in dieser Hinsicht war Miguel Ángel Builes Gómez (1888 - 1971),
der als Erzbischof Santa Rosa de Osos von 1924 bis zu seinem Tod wütete.
Bereits
im jugendlichen Alter von 35 Jahren, am 29 November 1923 wurde er von Papst
Pius XI als Bischof bestimmt.
Der Mann
war eine Bestie.
[….] He seemed to some to possess arrogance and
was observed to force a smile on occasion despite being a modest man though
this caused consternation to his flock. He was nevertheless a tireless defender
of orthodox principles and was harsh in those forces that sought to disrupt
good morals and decent standards. He became a maligned and controversial figure
due to his condemnations of liberal principles that were too secular in their
nature and some believed that he lacked a concrete plan in relation to pastoral
activism.[2] On 2 February 1927 he issued a pastoral letter on proper fashion
for women believing women had to dress on a modest and conservative level; he
also did not approve of women riding horses. Builes said that women in trousers
or on horses were sins that he alone could absolve. [….]. In the 1950s he criticized those occasions
where women were alone and not with a male companion - such as a husband -
regardless of whether it was dark outside or not. He prohibited mambo dancing
as a sin and a corruption of morals and condemned this and the dissent to that
ruling in a 24 February 1953 pastoral letter while also criticizing the polka
and the waltz among other dance forms. Pope Pius XII - in 1952 - titled him as
a Domestic Prelate of His Holiness and an Assistant to the Pontifical Throne
(or Monsignor) […]
Für die
verhassten Liberalen, die Frauen erlauben wollten Hosen zu tragen oder gar zu
tanzen, die zudem gegen die erzkonservativen Großgrundbesitzer demonstrierten, fand
der fromme Kirchenmann – GOTT IST LIEBE – stets die richtigen Worte.
[…..] Berühmtestes Beispiel ist das Gebot von
Erzbischof Miguel Ángel Builes: "Liberale zu töten, ist keine Sünde!"
[…..]
So
stellt man sich einen anständigen Christen vor im Vatikan und ehrte den
Killer-Erzbischof noch 30 Jahre nach seinem Tod. Der Mann wird heute als reif
für die Seligsprechung angesehen, in Franzls Amtszeit gibt es dafür ein „nihil
obstat“ – also eine Unbedenklichkeitserklärung für der Mörderkleriker.
[….] The beatification cause opened under Pope
John Paul II on 8 October 1990 after the Congregation for the Causes of Saints
issued the official "nihil obstat" and titled Builes as a Servant of
God. The diocesan process was held in the Santa Rosa de Osos diocese from 29
September 2001 until 29 September 2003 when it was closed and all documentation
sent to the C.C.S. in Rome who validated the process on 19 January 2007. The
postulation later submitted the Positio dossier to the C.C.S. in 2013 for
assessment. Theologians approved the cause on 6
December 2016. [….]
In der
letzten Woche weilte Papst Franz persönlich in Kolumbien. Da hatten sich einige
liberalere Pastoren überlegt, man solle vielleicht doch nicht unbedingt einem
Kirchenfürsten huldigen, der zum Mord aufrief.
Aber
dafür gibt es keine Unterstützung von Franzls Amtskirche.
[….]
Anfang dieser Woche gab es in Bogotá eine
Veranstaltung, bei der sich ein kleines Grüppchen von Priestern traf, um unter
anderem für den Hassprediger Builes öffentlich um Verzeihung zu bitten. Der
Jesuiten-Pater Javier Geraldo erklärte gegenüber der lokalen Presse:
"Unsere Kirche hat eine Verantwortung, der sie sich endlich stellen
muss." Geraldo sagte aber auch, es sei natürlich nicht möglich gewesen,
für dieses öffentliche Bußgebet die Unterstützung der Amtskirche zu bekommen. [….]
Nein,
natürlich nicht!
Bergoglio,
der sich ja auch mit der faschistischen Mörderdiktatur in Argentinien gut
arrangiert hatte, bleibt auf Woytila-
und Ratzinger-Linie, wenn es um faschistische Horrorkleriker in Südamerika
geht.
[….] Die Erwartungen an Franziskus' erste
Kolumbien-Reise waren hoch. [….] Papst
Franziskus gibt sich alle Mühe, seinen Besuch in Kolumbien zu entpolitisieren:
Er schlug den Wunsch von Ex-Guerrilleros der einstigen Rebellentruppe Farc aus,
die um eine Privataudienz gebeten hatten. Nur kurz traf er sich mit einer
Delegation von fünf Bischöfen aus Venezuela, und er verzichtete auf jegliche
Kritik an dem diktatorischen Regime von Präsident Nicolás Maduro.
Der Pontifex zeigte
sich nur allgemein "besorgt" über die humanitäre Krise in dem
Nachbarland - viele Venezolaner hatten gehofft, dass der Papst sich öffentlich
für die Entsendung humanitärer Hilfe, Medikamente und Lebensmittel in die von
Hunger und Mangelwirtschaft gepeinigte Nachbarrepublik einsetzen würde. [….] In der Vergangenheit stand der
Klerus oft auf der Seite der Herrschenden, das südamerikanische Land hat einige
der konservativsten Geistlichen Lateinamerikas hervorgebracht. [….] Ausgerechnet dieser Papst, der in anderen
lateinamerikanischen Ländern gern die herrschenden Klassen wegen ihres
Elitismus und mangelnden Mitgefühls kritisiert, macht sich nun in Kolumbien zum
Verbündeten der Regierenden: Franziskus und Präsident Juan Manuel Santos, ein
Vertreter einer der traditionellsten und einflussreichsten Familien des Landes,
wirken bei ihren gemeinsamen Auftritten wie ein Herz und eine Seele. [….] Franziskus hat die Demoralisierung der
Gesellschaft und ihrer Institutionen, die dem kolumbianischen Konflikt zu
Grunde liegt, bislang nicht angesprochen. Damit läuft er das Risiko, dass seine
Appelle an Vergebung und Versöhnung verhallen. Die Abwanderung der Gläubigen,
die auch in Kolumbien massenweise zu evangelikalen Pfingstkirchen überlaufen,
ist so nicht zu stoppen. [….]
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