Dienstag, 12. September 2017

Wie der Fisch auch von der Schwanzflosse stinkt – Teil II

Ein bißchen tut sogar mir Frau Merkel Leid, wenn sie sich in ihrer ostdeutschen Heimat anpöbeln lassen muss.

Das politische Engagement, mit dem der Osten Deutschlands dieser Tage größer auffällt, ist ein betrübliches. Am lautesten und hässlichsten erfährt dies die Bundeskanzlerin. Die Berichte von den Wahlkampfauftritten Angela Merkels im Osten gleichen sich zuweilen fast bis aufs Wort, nur die Ortsmarken und Bundesländer ändern sich: Pfiffe und Tomatenwürfe in Wolgast, Mecklenburg-Vorpommern. Pfiffe und Geschrei in Bitterfeld, Sachsen-Anhalt. Pfiffe und tätliche Übergriffe in Vacha, Thüringen. Pfiffe und Hitlergrüße in Finsterwalde, Brandenburg. Pfiffe und Hasstiraden in Torgau, Sachsen.  [….]

Ich bin bekanntlich ohnehin schon Misanthrop, aber das organisiert tobende Volk sollte auch die größten Optimisten zum Weinen bringen.

Neu ist das nicht; insbesondere nicht in der Pegida-Stadt Dresden.
Vor einem Jahr, zum zentralen Festakt des Tages der Deutschen Einheit grölte das Peginesen-Pack auch schon routiniert Goebbels-Parolen wie „Volksverräter“, „Lügenpresse“ und „Haut ab!“


Die westdeutsche Presses staunt immer noch über die Primitivität und Verblödung der ostzonalen AfNPD-Fans.
Sind die wirklich so?
Oder handelt es sich dabei doch um ein Satire-Projekt?


Für Merkel mögen die pyknischen braunen Brummer während ihrer Reden leicht unangenehm sein, aber erstens ist sie gut beschützt und zweitens kann die Kanzlerin bei der Gelegenheit etwas zeigen, das ihr sonst vollkommen fehlt: Rückgrat.
Indem sie trotz der Nazi-Orks ihre Auftritte absolviert, gewinnt sie im Rest des Landes an Statur. Gut für ihre demoskopischen Werte.
Außerdem muss Merkel selbst glücklicherweise nicht da leben, wo die wilden Kerle wohnen.

Echte Fanatiker wie die Pegida-Führer Bachmann und Festerling, die AfD-Völkischen Poggenburg, Höcke und Co, aber auch Erika Steinbach oder David Berger erreicht man nicht mit Ratio und Argumenten.
Diese Menschen sind vermutlich auch weniger verblödet, sondern schlicht und ergreifend zutiefst böse.
Kein Bundeskanzler könnte es schaffen die braune Brut aus ihrem rechten Gedankenghetto zu lösen.

Es läge aber durchaus in der Macht einer Bundesregierung den Zulauf der rechtsradikalen Hetzer zu minimieren.

Dazu muß viel Geld in Sozial- und Bildungspolitik investiert werden. Und zwar nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern es erfordert viel Manpower, um die moralisch Verwahrlosten zu erreichen. Es sind Erzieher, Pädagogen, Betreuer, Lehrer, Psychologen und Konfliktmanager gefordert, die sich früh den Kindern dieser Leute annehmen. Kitas, Ganztagsschulen, Freizeitangebote, berufliche Perspektiven.
Hier versagt die Merkelregierung.

Insbesondere darf aber eine Bundeskanzlerin nicht dulden, daß ihre eigenen Minister die rechtsradikalen Stimmungen regelrecht anheizen, um sich wahltaktische Vorteile zu versprechen.
Das negativste Beispiel ist dabei der Vielfach-Lügner Thomas de Maizière, der Merkel schon als Kanzleramtsminister, Verteidigungs- und Innenminister diente und immer wieder bösartige Vorurteile gegen Flüchtlinge triggert.

Daß sich aber ausgerechnet der Minusmann de Maizière empört über die zunehmende Radikalisierung zeigt, ist schwer erträglich.
Immerhin ist es der Bundesinnenminister selbst, der seit Monaten bereitwillig Öl ins Feuer gießt.
De Maizière ist genau der Brandstifter, der mit seinen Halb- und Unwahrheiten die Nazis erst ermutigt.
Der Innenminister schlug die Internierungslager für Heimatvertriebene vor, um damit dem rechten Pöbel den Eindruck zu vermitteln, die Syrer wären alle kriminell.
Der Bundesinnenminister steht einem Wahlkreis vor, in dem seine CDU offen undemokratisch und PEGIDA-freundlich auftritt.

De Maizières Landesverband Sachsen ist eben nicht der zu bedauernder CDU-Verein, der sich unschuldig mit den Peginesen rumärgern muss, sondern 28 Jahre CDU-Regierung in Dresden haben systematisch die Rechten groß gemacht.
Es sind de Maizières Sachsen-Minister, wie Tillich und Ulbig, die gegen Ausländer agitieren und damit den braunen Mob auf der Straße groß machen. Der Bundesinnenminister muß das wissen, da er selbst einst der sächsischen Landesregierung angehörte.

(….) Die Rechtsblindheit des Bundesinnenministers mag mit seiner politischen Basis im Wahlkries zusammenhängen.
Hier ist die CDU traditionell eng verquickt mit Rechtsextremen und drückt bei ausländerfeindlichen Attacken alle Augen, inklusive Hühneraugen zu.
Der Rechtsextremismus-Experte Andreas Vorrath (52) lebt seit 20 Jahren in der Gegend und beschreibt im Interview mit Matthias Meisner wie es an der Basis de Maizières zugeht. Als bekannter Gegner der NDP hat man dort nichts zu lachen und auch keine politische Hilfe von Landratsamt, sächsischer Landesregierung oder dem Bundestagsabgeordneten zu erwarten.

[….] MM:  Wie ist das gesellschaftliche Klima im Landkreis Meißen, der ja auch der Wahlkreis von Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist?

Vorrath: Der Hass trifft alle, die sich hier engagieren. [….] Egal was die machen, es wird sofort gedroht und beleidigt.
[….] Wenn ich persönlich erkannt werde – und mein Gesicht ist über eine ZDF-Dokumentation zum Thema Reichsbürger bekannt, mein Foto kursiert im Internet -, kann es durchaus passieren, dass in Meißen ein „Sieg heil“ kommt. [….]  Das häuft sich in jüngster Zeit. Diese Leute sind völlig enthemmt. Sie haben kein Unrechtsbewusstsein mehr.
[….] Bei der Polizei speziell in den Landkreisen Sächsische Schweiz/Osterzgebirge [….] und Meißen habe ich den ziemlich eindeutigen Verdacht, dass sie sehr AfD-lastig ist. Bei „Willkommensbündnis“-Veranstaltungen begrüßen die absichernden Polizisten den Pegida-Fotografen und andere rechte Akteure, die einen filmen, sowie auch die Vertreter der „Initiative Heimatschutz“  mit Handschlag. Wenn ich so etwas sehe, wie soll ich da noch Vertrauen zur Polizei haben? [….]

MM: Stärkste Partei im Landkreis Meißen ist die CDU. Wie verhält sie sich zu dieser rechten Szene?

Vorrath: Es fehlt bei der CDU die Abgrenzung nach Rechts. Im Landkreis Meißen hat die CDU mit denen überhaupt keine Berührungsängste. CDU-Landtagsabgeordnete hier sind der äußerst rechtslastige Sebastian Fischer und die aus meiner Sicht völlig naive Daniela Kuge aus Meißen, die Ende Juni zum Beispiel den Brandanschlag relativiert hat. Da gibt es Freundschaften von CDU-Politikern etwa mit dem Pegida-Organisator Siegfried Däbritz oder Vertretern der „Initiative Heimatschutz“. Der Bundestagswahlkreis von Minister de Maizière ist Pegida-Kernland, seine CDU ist hier, man muss das leider so sagen, völlig verwoben mit diesen Strukturen, mit Pegida, AfD und Co. Die CDU im Landkreis Meißen ist schlicht und einfach explizit antidemokratisch eingestellt. [….]

Bei Thomas de Maizière herrschen klar vordemokratische Zustände, die Rechtsextreme aller Art ermutigen.

[….] Da ist ein Resonanzboden, den jene nationalistischen Pöbler zum Schwingen bringen. Und dieser Resonanzboden gehört zu Sachsen. Ihn bilden jene, die bei Krawall dabei stehen, die Gewalt vor den Flüchtlingsquartieren billigen und sogar applaudieren. Zu Sachsen gehört auch die Unfähigkeit vieler Menschen, sich von Ausländerhassern zu distanzieren, eine politische Ignoranz, die Rassisten erstarken lässt.
[….] Im Freistaat ist der Boden für die Feinde der Demokratie, für Ausländerhass und Toleranz von Vorurteilen so gut wie kaum anderswo in Deutschland. Dresden ist die Hauptstadt der Pegida-Bewegung, unter Pegida wurde den Ruf der Montagsdemonstranten "Wir sind das Volk" von der basisdemokratischen zur völkischen Parole. [….] Auch Tillich ist ein Grund für diese Entwicklungen. Nachdem Bundespräsident Christian Wulff und Kanzlerin Angela Merkel schon vor Jahren betontet hatten, der Islam gehöre zu Deutschland, widersprach Tillich 2015 seinen Parteikollegen und sagte, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. Das stärkte das Selbstbewusstsein der Freistaatsbewohner gegen "die da in Berlin" und lockte zugleich Pegida aus den Löchern. Tillichs Innenminister Markus Ulbig sprach sich für eine Sonderbehörde von Polizei und Justiz für kriminelle Ausländer aus. Und Sachsens CDU-Generalskretär Michael Kretschmer übernahm auf Twitter jüngst den Duktus der Ausländerfeinde: "800.000 Flüchtlinge – das sind zu viele". Der Resonanzboden begann stärker zu schwingen.
[….] Wer dagegen zwischen Leipzig, Plauen und Görlitz öffentlich Ausländerhass und Demokratiedefizite beklagt, gilt vor allem in den Rathäusern schnell als Nestbeschmutzer. Sächsische Anti-Rechts-Initiativen klagen über fehlende Unterstützung. So zog sich zum Beispiel die Sächsische Staatskanzlei aus der Jury des Förderpreises für Demokratie und Toleranz zurück. [….]

Wenn man einen Mann aus so einem Sumpf zum Bundesinnenminister und Verfassungsminister macht, muß man sich nicht wundern, wenn nichts klappt, Frau Merkel!

Eine Kanzlerin, die de Maizière und ihre Sachsen-Union so gewähren lässt, verdient schon weniger Mitleid, wenn sie sich im Wahlkampf zwei Wochen in der Ost-Provinz ankreischen lassen muss.

Es wird auch nicht besser mit der Sachsen-CDU, die Merkel an ihrer Brust nährt.
Immer noch kooperieren sie lieber mit AfD und NPD, statt in einem demokratischen Konsens für Menschenrechte einzustehen.

[….]  Dirk Hilbert wollte erst zum Schluss das Wort ergreifen. Doch dann konnte der Dresdner Oberbürgermeister und FDP-Politiker sich während der Sitzung des Stadtrats nicht zurückhalten: "Das, was ich hier jetzt erlebt habe, war keine Sternstunde unserer Stadt-Demokratie." Wenn nicht mal das höchste Gremium in Dresden eine gemeinsame Auffassung darüber habe, wo die Gefahren lägen, dann sei das bedenklich. "Es gab historische Analogien, die manchmal ähnlich angefangen haben, wie das, was wir heute erleben. Das möchte ich ungern erleben."
Hilbert ist kein guter Redner, seine Sätze sind häufig verschwurbelt und manchmal falsch. Was eben so passiert, wenn man ehrliche Wut und Enttäuschung in seine Worte legt (Video der Sitzung, Hilbert spricht ab 3:55).
Hilberts Kommentar war eine lange und teilweise unterirdische Debatte vorausgegangen. Die sächsische CDU schlug sich bei der Frage der Demokratieförderung in der Stadt auf die Seite von AfD und NPD. "Das Ermächtigungsgesetz wurde 1933 auch ganz demokratisch beschlossen", sagte außerdem ein CDU-Stadtrat. [….]
"Verschwendung von Steuergeldern", "Zurüstung zum Bürgerkrieg" und "Umerziehung", urteilten dagegen Vertreter der AfD bei der Stadtratssitzung am Donnerstagabend. Die Kommentare waren erwartbar, genauso wie die Ablehnung seitens der rechtsextremen NPD. Was weniger erwartbar war: Die CDU stellte sich mit teils heftigen Äußerungen auf die Seite der Gegner. Am weitesten ging dabei Georg Böhme-Korn: "Unsäglich" nannte der Stadtrat das Papier. An den Oberbürgermeister gewandt sagte er, dieser solle sich abgrundtief schämen. Das Wesentliche sei nicht Demokratie, sondern Werte. Demokratie sei zu weilen hohl und auch gefährlich. Dann folgte die Analogie zum Ermächtigungsgesetz.
Vergleiche zum Dritten Reich sind immer schwierig. Fatal werden sie, wenn man die Geschichte verdreht wie Böhme-Korn. Die Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz, das die Machtergreifung der Nazis ermöglichte, war alles andere als demokratisch.
Falsch ist auch Böhme-Korns nachgeschobene Behauptung, es gäbe mit Abstand mehr linksextreme als rechtsextreme Gewalt in Deutschland. Im Jahr 2016 ist die Zahl rechtsextremer Übergriffe um 14,3 Prozent auf 1 698 angestiegen. Die Zahl der linksextremen Gewalttaten ging jedoch um 24,2 Prozent auf 1 702 zurück. In Dresden spielt die linksextreme Szene keine nennenswerte Rolle. Außerdem schließt das Förderprogramm die Thematik nicht aus. Es spricht nichts dagegen, dass die CDU einen Projektantrag zur Bekämpfung von Linksextremismus einbringt.[….]

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