Da ich immer noch nur sehr eingeschränkt und langsames
Internet habe, sehe ich verstärkt TV-Nachrichten. Das stürzt mich in Depression.
Offensichtlich ist es große Mode zum Thema Bundestagswahl
Reporter in Fußgängerzonen zu jagen, damit sie dort Jung- und Erstwähler
befragen.
Ich habe schon so viele blonde Teens und Twens
gesehen, die sich grinsend vor der TV-Kamera produzieren, um dort völlig
schambefreit zu erklären, daß sie Politik nicht interessiere.
Falls sie wählen gingen, dann vermutlich „Angie“, weil
sie die anderen gar nicht kennen.
Was gefällt ihnen denn an Merkel, möchten die
TV-Menschen dann wissen und ernten verständnisloses grinsen. Dazu fällt keinem
etwas ein.
Aus Verzweiflung folgte schließlich die Frage an eine
selbsterklärte nichtpolitische „Angie-Wählerin“, ob sie wenigstens eine
typische Handhaltung der Kanzlerin machen könnten?
Typische Handhaltung? Nein, weiß ich nicht, aber ich weiß
wie Angie beim Fußball applaudiert.
Was war nun zuerst da?
Die inhaltlosen Wahlplakate und substanzlosen Wahlprogramme, die solche desinteressierten, oberflächlichen Wähler generieren, oder sind die Wähler geistig so träge und verblödet, daß sich die politischen Werbebotschaften ihnen anpassen?
Die inhaltlosen Wahlplakate und substanzlosen Wahlprogramme, die solche desinteressierten, oberflächlichen Wähler generieren, oder sind die Wähler geistig so träge und verblödet, daß sich die politischen Werbebotschaften ihnen anpassen?
Auch bizarr eine ARD-Reportage „Die Wahl und das Netz“ (lief am Montag, den
04.09.2017).
Es ist schon ganz lustig anzusehen wie albern und hilflos die Parteien versuchen
modern zu sein, um sich „netzaffin“ den Jungwählern zu präsentieren.
In einem Münchner Biergarten befragte Jungwähler sind
nicht beeindruckt und halten den Onlinewahlkampf für wenig authentisch.
Das „erreicht“ sie nicht und daher wählen sie auch
nicht.
[….] Junge
Wähler und Erstwähler stellen nur etwa fünf Prozent der Wähler und nur rund 10
bis 15 Prozent gehen wählen. "Junge Wähler und Erstwähler befinden sich im
politischen Lebenszyklus in einer ganz, ganz wichtigen Phase. Wann wird man
denn Anhänger von einem Fußballverein oder Fan einer bestimmten
Musikrichtung?", fragt Thomas Waldvogel, Fachreferent bei der
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. [….]
"Häufig eben in jungen Jahren, in Phasen des Erstkontakts, und für
viele ist das, politisch gedacht, eben mit der Erlangung des Wahlrechts der
Fall."
[….] "Häufig ist es einfach so, dass die
Parteien die Lebenswelten der Jugendlichen nicht adäquat erfassen und die
Parteien müssen also versuchen, in diese Lebenswelten vorzudringen, aber auch
Schule und Bildung sind da wichtige Themen." [….]
Geht es noch?
Weil sie Politik nicht in lustigen ansprechenden
kleinen Snapchat-Häppchen und spaßigen Tweets auf ihr Smartphone geliefert
bekommen, wählen 85-90% gar nicht?
18-30-Jährige sind demnach außerstande zu erkennen,
daß es in der Welt und in Deutschland einige echte Probleme gibt, weil man
dafür auch mal fünf Minuten selber googeln müsste?
Um sich einen Eindruck über die zur Wahl stehenden
Parteien und Programme zu verschaffen, muss man im Klugtelefon-Zeitalter keine
übermenschlichen intellektuellen Anstrengungen mehr leisten.
Ich rede ja nicht davon, daß sich so ein Jungwähler
eine ganze Stunde am Stück konzentrieren soll, oder mehrfach in der Woche 10
Minuten Tagesschau gucken oder, Darwin bewahre, eine Zeitungs-App installieren
sollen.
Wenn die wüßten wie schwer es meine Generation in
ihrem Alter hatte.
Damals konnte man bewegte Bilder nur zu bestimmten
Zeiten an bestimmten Orten sehen. Und als Information dienten uns dickte Hefte
und großflächig mit Druckerschwärze versehene Blätter mit furchtbar vielen
kleinen Buchstaben. Jede Menge Text und keine Bilder.
Thematisch war das auch Mist. Nur langweilige
Erwachsenen-Themen wie Atomkrieg, Tschernobyl, Wackersdorf, Pershing II und
SS20.
Als Angehöriger einer Generation, die noch ohne
Computer aufgewachsen ist, sollte ich mich wenigstens bei Themen wie
Digitalisierung auf die Jugend verlassen; denn das geht sie doch tatsächlich
etwas an.
Welcher Teen oder Twen klebt nicht rund um die Uhr am
Smartphone?
Aber selbst diesbezüglich sind Jungwähler ein Totalausfall
und sägen sich mit ihrer Wahl-Apathie den Ast ab, auf dem sie surfen.
Jungwähler, egal ob ihr Angie gleich selbst wählt oder
indirekt durch Nichtwählen die gerontophile CDU an die Macht bringt; ihr habt
Schuld an Merkel-Dobrindt, die IT-Deutschland auf dem Abstellgleis parken.
[….] Sehr
geehrte Wählerin, sehr geehrter Wähler!
[….] Für Sie ist
das Internet ein Instrument, für Jüngere ist es eine Heimat. Dass die jüngere
Generation das selten so formuliert, liegt an der Selbstverständlichkeit. Fragt
man Sie, was in Ihrem Leben wichtig ist, sagen Sie kaum
"Elektrizität". Und doch ist ein Leben ohne Strom für Sie
unvorstellbar.
Sie haben versagt!
[….] Jetzt
vergessen Sie, warum Sie diesen Wohlstand erarbeiten konnten - auf Grundlage
einer nahezu perfekten Infrastruktur. Deutschland ist ein Infrastrukturland,
oder besser: Deutschland war ein Infrastrukturland. Inzwischen scheint Ihnen
das Wahl-egal. Es beginnt mit verfallenden Schulen, dreht eine Runde um
Großbauprojekte und findet seinen Höhepunkt in der Tatsache, dass Deutschland
eine beschämende, katastrophale, unwürdige Digital-Infrastruktur hat. Sie
möchten Fakten, Daten, Zahlen?
Bei der Glasfaservernetzung der Haushalte ist Deutschland
mit 1,6 Prozent Durchdringung von 28 erfassten Ländern in Europa auf Platz 27
und 2016 erstmals über die Messbarkeitsgrenze gelangt. Der EU-Durchschnitt
liegt bei 9,4 Prozent. Von den größeren Ländern liegen Schweden und Russland,
nicht gerade Stadtstaaten, mit deutlich über einem Drittel Glasfaserhaushalte
vorn. Rumänien liegt bei 31,7 Prozent, Bulgarien bei 26,5 Prozent. Viele andere
Länder, auf die Sie heimlich herabschauen, haben ein zehnfach, zwanzigfach und
sogar dreißigfach höheren Anteil an Glasfaseranschlüssen als Deutschland. [….] Nicht nur die Glasfasersituation, auch der
Handyempfang ist in diesem Land erbärmlich. Schlecht ist noch geprahlt. [….]
Wolfgang Schäuble, die personifizierte
schwarze Null, dessen fiskalische Härte Sie als Durchschnittswähler so ein
bisschen unsittlich erregt - ist ein Feind der Investition. Genau der
Investition, die schon so lange so dringend notwendig wäre, vor allem im
Digitalen. Mit seiner beharrlichen Weigerung, Geld zu Glasfaser zu machen,
zerstört Finanzminister Schäuble die Zukunftschancen der Jüngeren.
Doch nicht nur Schäubles schändliche Spargier ist ein Problem, sondern
auch, dass Sie ihn dafür schätzen. Er ist Ihr Lieblingspolitiker. [….] Wäre Ihnen die Digitalisierung nur ein
Zehntel so wichtig wie Ihre Rente, Deutschland hätte längst, was die Politik
immer wieder versprochen hat: schnelles Internet. Stattdessen lassen Sie sich
abspeisen mit Versprechungen von 50 MBit/s, die dann nicht einmal erreicht
werden. Keine zufällige Zahl, sondern die Geschwindigkeit, die sich gut mit
Kupferkabeln erreichen lässt. Dafür muss man weniger in Glasfaser investieren,
damit die Telekom mehr Gewinn ausschütten kann. Denn davon profitiert vor allem
der Staat.
[….] Es ist ja kein Zufall, dass die beiden
wichtigsten Themen der Zukunft - Bildung und Digitalisierung - null
Minuten Sendezeit beim Kanzlerduell bekommen haben. Null von 97 Minuten,
das ergibt null Prozent. […..]
Wäre
irgendwie natürlich auch ganz nett auf eine SPD zu verweisen, die statt stolz auf
die neuen Exportüberschuss-Rekorde zu sein,
diese massive handelspolitische Ungleichheit als dramatische Importschwäche erkennt.
Eine
SPD, die sich traut Schäubles Politik massiv zu kritisieren.
Die eine
richtig große Summe, 50 Milliarden beispielsweise in ein IT-Infrastruktur-Konjunkturprogramm
stecken will.
Glasfasernetz
für alle.
Das
brächte nicht nur einen Wirtschaftsboom und Arbeitsplätze, sondern würde die
Umwelt entlasten (durch die Abkehr von der Papierwirtschaft) und würde
nachhaltig Deutschlands Chancen in der Welt verbessern.
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