Die
erste große Koalition auf Bundesebene bedeutete für die SPD etwas eigentlich
Unmögliches.
Die
Sozis, geführt von einem Widerstandkämpfer und einem ehemaligen KPD-Funktionär,
der vier Jahre im berühmten Moskauer Hotel Lux lebte, mußten ein
stockkonservatives ehemaliges Mitglied der NSDAP zum Kanzler wählen.
CDU und
CSU vertraten ein zutiefst reaktionäres, homophobes, frauenfeindliches und
klerikales Weltbild.
Um Willy
Brandt maximal zu verunglimpfen, nannte ihn der hochgeehrte Konrad Adenauer
gern „dieser Frahm“ um den fürchterlichen Makel von Brandts unehelicher Geburt
zu betonen.
Ein
unehelich geborener Bastard könne nicht die Regierung Deutschlands führen, so
die einhellige Meinung bei den C-Unionisten.
Warum
sollte die SPD eigentlich solche Typen, die 17 Jahre am Stück regiert hatten
erneut zum Kanzler machen?
Es gab
politische, inhaltliche und auch taktische Gründe dafür.
Seit 36 Jahren
hatte es kein SPD-Mitglied mehr in einer nationalen deutschen Regierung
gegeben. Erfolgreich hatten die Rechten uns Sozis so sehr als Moskaus
verlängerten Arm und vaterlandslose Gesellen diffamiert, daß man den Einmarsch
der Roten Armee befürchtete, wenn Brand oder Wehner etwas zu sagen hätten.
Und
genau deswegen mußte die SPD damals auch in die Groko eintreten.
Sie
mußte die Partei als regierungstauglich vorstellbar machen und außerdem mit
ihren Ministern so überzeugen, daß sie die gewohnten CDU-Ressortchefs
übertrafen.
Bei der Bundestagswahl
am 3. Oktober 1965 gewann Ludwig Ehrhard 47,6% und die FDP 9,5% der Stimmen; es
reichte locker für schwarzgelb, aber im Streit um Steuererhöhungen ließ die FDP
die Regierung Erhard platzen.
Bevor es
zu Neuwahlen kam, schloss die SPD ein Bündnis mit der CDU, trat in die erste GroKo
ein und wählte Kurt-Georg Kiesinger, den Baden-württembergischen „Häuptling
Silberzunge“ zum Kanzler. Mit Finanzminister Strauß saß ein weiteres
ultrakonservatives ehemaliges NSDAP-Mitglied in der Bundesregierung.
Statt
sich aber von diesen schwarzen Riesen dominieren zu lassen, diktierten die
außerordentlich fähigen Greenhorns der SPD das Geschehen:
Außenminister und Vizekanzler Willy Brandt, Justizminister Gustav Heinemann, Wirtschaftsminister Karl Schiller, Verkehrsminister Schorsch Leber, Herbert Wehner für gesamtdeutsche Fragen, Carlo Schmid als Bundesratsminister und dem legendären „Ben Wisch“ als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Außenminister und Vizekanzler Willy Brandt, Justizminister Gustav Heinemann, Wirtschaftsminister Karl Schiller, Verkehrsminister Schorsch Leber, Herbert Wehner für gesamtdeutsche Fragen, Carlo Schmid als Bundesratsminister und dem legendären „Ben Wisch“ als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Hinzu
kamen später Horst Ehmke und Erhard Eppler.
Der
intellektuell überragende Helmut Schmidt führte als rhetorisches
Jahrhunderttalent die SPD-Bundestagsfraktion von 1967 bis 1969.
Die
sozialdemokratische Crème de la Crème des 20. Jahrhunderts fand zusammen,
generierte enorme Zustimmung in der Bevölkerung und schaffte 1969 das bis dahin
für völlig unmöglich Gehaltene:
Sie führte selbst eine Bundesregierung an, nachdem sie bei der Bundestagswahl am 28.09.1969, heute genau vor 48 Jahren, stolze 42,7% geholt hatte.
Sie führte selbst eine Bundesregierung an, nachdem sie bei der Bundestagswahl am 28.09.1969, heute genau vor 48 Jahren, stolze 42,7% geholt hatte.
Während
Kiesinger noch feierte, in der sicheren Annahme weiter zu regieren, hatten
Willy Brandt und Helmut Schmidt als Meistertaktiker die FDP an Bord geholt; es
begann die „sozialliberale Ära“ unter Bundeskanzler Brandt, der auch
international so brillierte, daß er 1971 mit dem Friedensnobelpreis
ausgezeichnet wurde.
Mit sehr
guten Ministern, genialer Taktik und ausgeklügelter Programmatik, kann man also
durchaus als Juniorpartner in eine CDU-geführte Bundesregierung gehen, die
Union so an die Wand regieren, daß man am Ende selbst das Kanzleramt an sich
reißt.
2005
versuchte die SPD dieses Kunststück zu wiederholen.
Auf dem
Papier sah die Angelegenheit viel einfacher aus als 1966.
Es hatte
inzwischen drei sozialdemokratische Bundeskanzler gegeben, so daß niemand mehr
grundsätzlich bestritt, daß Sozis regieren können. Außerdem lag die stärkere
Partei CDU nicht bei 47,6%, sondern bei mauen 35,2%; gerade mal einem
Prozentpunkt vor der SPD. Es würde also statt Junior- und Seniorpartner eher
zwei Parteien auf Augenhöhe geben.
Tatsächlich
stellte die SPD im Kabinett Merkel I sogar mehr Minister als die CDU/CSU:
Müntefering (später Scholz), Steinmeier, Steinbrück, Gabriel, Tiefensee, Zypries, Ulla Schmidt und Wieczorek-Zeul leisteten fachlich solide Arbeit, waren aber noch sichtlich angeschlagen vom rotgrünen Machtverlust, überließen Frau Merkel ermattet das Feld.
Müntefering (später Scholz), Steinmeier, Steinbrück, Gabriel, Tiefensee, Zypries, Ulla Schmidt und Wieczorek-Zeul leisteten fachlich solide Arbeit, waren aber noch sichtlich angeschlagen vom rotgrünen Machtverlust, überließen Frau Merkel ermattet das Feld.
Spitzenkandidat
der nächsten Wahl wurde der sehr sehr fromme protestantische Christ Frank-Walter
Steinmeier, der die sehr sehr fromme protestantische Christin Angela Merkel
nicht angreifen wollte, lau und lustlos durch den Wahlkampf stolperte, bis er
unsanft beim schlechtesten SPD-Ergebnis seit Hitlers Zeiten, nämlich 23% aufschlug.
Zeit für
tabula rasa. Nun müssten eigentlich Köpfe rollen.
Es rollte auch der Kopf des Parteivorsitzenden
Franz Müntefering, aber Steinmeier klammerte sich an den Gremien vorbei als
erstes den ganz wichtigen Posten des Bundestagsfraktionsvorsitzenden und
Oppositionsführers, bevor die neue Bundestagsfraktion überhaupt zusammentreten
konnte, um zu diskutieren, wen sie gern
als Chef hätten. Die Überrumpelten konnten nur noch abnicken.
Mit dem
alten Personal, dem Schröderianer noch aus Hannoveraner Zeiten und der so frommen
wie lauten Andrea Nahles sollte nun der Merkelkrake entschieden entgegen
getreten werden.
Nahles
sollte die Partei inhaltlich neu positionieren, möglichst detaillierte Pläne
ausarbeiten.
Die CDU
jagen, die Agenda 2010 modifizieren, neue Bande zu R und G knüpfen.
Unglücklicherweise
ist Nahles aber Nahles, eignet sich also nicht zu intellektueller Grundsatzarbeit.
Sie konnte sich nicht gegen Gabriel durchsetzen, ließ die programmatischen
Baustellen liegen, konnte nie klar formulieren.
Sie
scheiterte daran Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen, legte sich unnützerweise
mit den Säkularen an, indem sie einen laizistischen Arbeitskreis in der SPD
verbieten ließ, griff die CDU nicht an, förderte keinen innerparteilichen
Diskurs, schaffte keine neuen Strukturen in der Partei, erkannte nicht die
Möglichkeiten des Internets, umschiffte in der Bevölkerung populäre Themen wie
Patientenverfügung und Sterbehilfe, weil sie nicht über ihren eigenen stramm
religiotischen Tellerrand gucken konnte, verpennte den 2013ner Wahlkampf total,
war nicht mal über den Kandidaten eingeweiht und bescherte uns den
dummerhaftesten Slogan aller Zeiten – das WIR entscheidet – einem von einer
ausbeuterischen Zeitarbeitsfirma geklauten Spruch.
Bei der
Bundestagswahl von 2013 vergrößerte sich dann der Abstand von der CDU zur SPD.
Man
holte wieder die alten Säcke in die Groko Merkel II, Nahles selbst ging in die
Regierung, ließ aber den lieben Gott einen guten Mann sein.
Zu den
ganz drängenden Fragen der vergangenen Legislatur – Flüchtlinge, Grenzen, Abschiebungen,
Pegida, AfD, Rassismus, brennende Asylunterkünfte – tauchte Nahles ab, äußerte
sich nie, während Kollege Heiko Maas ständig für humanistische Werte in die
Bresche sprang.
2017,
das bisher miserabelste SPD-Wahlergebnis von 2009 noch unterschreitend,
wiederholt die SPD ihren Fehler.
Muksch
aus einer Groko kommend schmollt der Spitzenkandidat öffentlich. Man wolle sich
in der Opposition programmatisch erneuern.
Um der
personellen Tabula Rasa zu entgehen, überlistet er wie 2009 Herr Steinmeier die Basis und
verkündet im Hinterzimmer ausgeklüngelte Personalien. Nahles, die so schön
2009-2013 versagt hat, solle die Bundestagsfraktion führen und die Bundestagsabgeordneten,
die das aus der Zeitung erfuhren, sollten einfach zustimmen, statt selbst zu
entscheiden.
Herr
Schulz hat ein Herz für Versager. Nachdem Hubertus Heil als Generalsekretär den
Bundestagswahlkampf von 2009 mit dem schlechtesten Ergebnis aller Zeiten
abschloss, holte ihn Schulz 2017 erneut für denselben Posten, den Heil dann
auch mitdemselben Ergebnis ausfüllte: Schlechtestes Wahlergebnis aller Zeiten.
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