Montag, 29. Oktober 2018

Ablenkungsmanöver

Das Thema, mein Thema ist natürlich Merkels heutiger Macht-Teilrückzug.
An einer Erkenntnis führt aber nichts vorbei. Sie hätte 2017 nicht noch mal antreten sollen, sondern es nach 12 Jahren gut sein lassen sollen. Man hätte es ihr hoch angerechnet selbstbestimmt abgetreten zu sein. Nun muss sie mit der Schmach leben wie so viele andere Regierungschefs der Hybris erlegen zu sein, sich selbst für unverzichtbar zu halten.
Natürlich stimmte ihre Analyse, daß die Welt 2016/2017 ganz besonders aus den Fugen geraten war und schlecht noch mehr Chaos gebrauchen konnte.
Aber es war ganz offensichtlich völlig falsch anzunehmen, eine ewige Kanzlerin Merkel könnte dem Niedergang der Rasse Mensch in den Jahren 2017/18 irgendetwas entgegensetzen.
Sie war früher schon stets die Bremserin und im Herbst ihrer Macht fehlt ihr erst Recht die Energie internationale Megaprobleme zum Besseren zu wenden.

[….] Da draußen spielt sich derweil die Wirklichkeit ab: In Brasilien gewinnt ein Faschist die Wahl.
In Istanbul wird ein Journalist im Konsulat eines Landes, das einen brutalen Krieg in Jemen führt und dem Deutschland dennoch Waffen liefert, getötet und offenbar zerstückelt. Aber der so genannte Westen streitet über die angemessene Antwort.
Der Westen? Der amerikanische Präsident kündigt das Abkommen zum Verbot nuklearer Mittelstreckenwaffen, jener Waffen, die im alten Ost-West-Konflikt vor allem Deutschland gefährdet hätten. Gegner dieses Präsidenten finden Rohrbomben in ihrer Post. In einer Synagoge werden Juden erschossen.
Der Westen ist zerbrochen. Barack Obama war sein letzter Präsident. […..]

Merkel war nie eine Gestalterin und auch jetzt sieht sie nur hilflos zu, spielt international keine Rolle. Aber auch in der Bundespolitik ist ihre präsidiale polit-abstinente Regierungsmethode am Ende. Es nervt nur noch, wenn Probleme wie Diesel, Kohleverstromung, Pflegekräfte, Einwanderungsgesetz, Wohnungsnot einfach ignoriert werden.
Vor sechs Wochen gab es eine handfeste Regierungskrise, weil man um die Affäre Maaßen kreißte. Das halbe Kabinett war am Ende schwer beschädigt, als man endlich einen Weg fand diesen einen untauglichen B9-Beamten des Innenministeriums loszuwerden.
Maaßen ist aber immer noch als Verfassungsschutzpräsident im Amt. Seehofer setzt den Koalitionsbeschluss einfach nicht um und selbst dafür fehlen Merkel der Elan und die Autorität.

That said, ist es unter den gegenwärtigen Umständen schlau von Merkel diesen Paukenschlag zu tun, da sie damit Handlungsfreiheit gewinnt. Was sollen AfD, Pegida und David Berger eigentlich jetzt grölen? „Merkel muss weg“ war doch ihre gesamte Daseinsberechtigung. Einen heftigen Tritt versetzte Merkel auch dem Mann, den sie nicht als Nachfolger will. Für Jens Spahn kommt dieser Wechsel zu früh. Er war bisher nur sehr auffällig, aber konnte politisch noch nichts umsetzen, ist hoffnungslos unbeliebt.
Horst Seehofer ist heute auch für den letzten bayerischen Provinzler zum politischen „walking dead“ geworden.
Der hat den Schuss nicht gehört, wenn er sich weiter an seinen CSU-Vorsitz krallt.
Ganz nebenbei schaufelte Merkel ebenfalls einen Kübel Politpech über die SPD, indem sie selbst relativ souverän das Heft des Handelns in die Hand nimmt und Andrea Nahles damit noch schwächer und hilfloser wirken lässt.

[…..] Darum waren die Wahlen in Bayern und Hessen viel mehr als Regionalwahlen - es waren Signale nach Berlin. Merkel hat sie endlich so verstanden. Andrea Nahles nicht.
Aber was versteht Andrea Nahles überhaupt? Was sie am Sonntagabend zeigte, war das Delirium der Macht. Alles was sie da sagte, vom "verbindlichen Fahrplan", von der "Halbzeitbilanz", nach der zu entscheiden sei, ob die SPD in der Koalition noch "richtig aufgehoben" sei, das war das elende Politikergerede, das die Leute nicht mehr hören wollen. Aufwachen Andrea! Es ist vorbei. […..]

 Das muss man der SPD-Chefin schon lassen; in Punkto politischer Dummheit ist sie ein einsam strahlender Solitär. So unfähig und schwer von Begriff war noch kein Parteichef. Die fromme Provinztrulla aus der tiefen Eifel blamiert die Genossen nicht nur mit jedem öffentlichen Statement, sondern scheint den Rest der Zeit einfach nur enthirnt zu chillen. Als sie die parteiinterne historische Kommission abschaffte, scheint sie gleich auch alle zukunftsorientierten Arbeiten gestoppt zu haben. Es gibt keine Planung, keine Strategie, überhaupt keine Gedanken an morgen.
Eine funktionierende Partei wird nicht immer bloß von der Gegenwart überrascht, sondern bereitet sich auf verschiedene Szenarien vor, um nicht überrumpelt zu werden. Dafür gibt es eigentlich Grundsatzabteilungen und Planspiele aller Art
Nur Nahles träumt tumb in den Tag hinein.
Merkel könnte den Parteivorsitz abgeben?
Jeder Journalist durchdenkt solche garantiert eintretenden Zäsuren, bereitet sich vor, analysiert was das bedeuten könnte, bastelt Strategien für alle Fälle.
Nur das Nahles-WBH taumelte blind und arglos vor sich hin, ist dementsprechend vollkommen überrascht und hat keine Ahnung wie es reagieren soll.

[…..]  Nahles und Schäfer-Gümbel stehen in der Berliner SPD-Zentrale, der Hesse bekommt immerhin ein paar nette Worte. Am Abend vorher hat er die Hauptverantwortung für die Niederlage bereits der Bundespartei zugeschoben. Sieht Nahles am Tag danach auch so: Schäfer-Gümbel habe nichts falsch gemacht. Das wirkt nicht nur bitter, auch trist.
Dann kommen die Eilmeldungen. Angela Merkel wird sich vom CDU-Vorsitz zurückziehen, auf dem Parteitag im Dezember nicht erneut kandidieren.
Nahles soll das jetzt kommentieren. Aber was soll sie sagen?
Es ist ja offensichtlich: Merkel versucht einen Befreiungsschlag, damit ihre Partei der Abwärtsspirale entkommen möge. Die CDU hat, das ist der Eindruck der vergangenen Monate gewesen, ein Personalproblem. Das geht Merkel jetzt an. Die SPD dagegen hat ein Koalitionsproblem. Das packt Andrea Nahles weiterhin nicht an.
[…..]   Auch mit ihrem "Fahrplan" gelingt Nahles kein Befreiungsschlag. "Zu dröge", "Koalitionsvertrag light", so lauten die Urteile. […..]  Die SPD befindet sich in einer durchweg unbequemen Situation. […..]  Derzeit ist es völlig unklar, wie lange die Koalition noch hält. Zurück bleibt eine ratlos wirkende SPD, die sich weder Neuwahlen wünscht, noch wirkliche Personaldebatten leisten kann. [….]

Das muss man sich mal vorstellen; die Mikadokanzlerin, die sich seit 1990 hartnäckig weigert zu sagen was sie eigentlich will in der Politik, die nie inhaltlich wird und möglicherweise schon vor Jahren in ein Wachkoma fiel, wirkt noch handlungsstark verglichen mit der pyknischen SPD-Führerin aus der Pfalz.
Andrea Nahles wurde heute von Frau Merkel wie ein trotteliges Schoßhündchen, das auf den Flokati gekackt hat mit der Nase noch mehr in die Scheiße gedrückt, während die Kommentarspalten vor Merkel-Respektkundgebungen überquellen.
Schon jetzt wird Merkel vermisst.
Auch da ist sie Nahles weit voraus. Schwer vorstellbar, daß ihr jemand eine Träne nachweint, falls sie sich eines Tages final zum Beten und Stricken auf ihren Bauernhof in Weiler zurückbeamt.
Überflüssiger in der Bundespolitik ist höchstens noch Crazy Horst.

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