Als im beschaulichen Österreich der braune Schwule Haider zu
einer politischen Größe wurde, reagierte man pikiert und leicht angewidert. Der
FPÖ-Führer zeigte im Waldheim-Staat allzu ungeniert Nähe zu NS-Organisationen.
Die einst liberale FPÖ war in den 1980ern durch Haider zu einer
rechtsradikalen, nicht koalitionsfähigen Partei geworden.
Den unglücklichen Konservativen blieb in einem Parlament mit
drei großen Parteien – der linksliberalen SPÖ, der konservativen ÖVP und der
rechtsradikalen FPÖ – immer nur der undankbare Platz als Juniorpartner an der
Seite eines SPÖ-Kanzlers.
In fünf SPÖ-geführten Kabinetten hintereinander blieb den Konservativen
immer nur der Vizekanzler-Job.
Unter dem großen sozialistischen Bundeskanzler Vranitzky
dienten die ÖVP-Vizes Alois Mock (1987-1990), Josef Riegler (1990-1991), Erhard
Busek (1991-1995) und Wolfgang Schüssel (1995-1997). ÖVP-Mann Schüssel amtierte
weitere drei Jahre als Vizekanzler unter dem sozialistischen Kanzler Viktor
Klima (1997-2000)
Nach der Wahl von 2000 reichte es den Konservativen. Sie waren
weiterhin schwächer als die SPÖ, holten sich aber nun die FPÖ ins
Regierungsboot, um endlich selbst den Bundeskanzler zu stellen. Endlich wurde
der stramm konservative Schüssel selbst Kanzler und nahm dafür in Kauf von
weiten Teilen der EU geächtet und boykottiert zu werden.
Mittelfristig brachte die Schmach zwar die gegnerischen
Sozialisten wieder an die Macht – von 2007 bis 2017 regierten die SPÖ-Bundeskanzler
Gusenbauer, Faymann und Kern – aber langfristig waren die Braunen von der FPÖ
soweit enttabuisiert, daß der xenophobe ÖVP-Außenminister Kurz 2017 mit sehr viel weniger Widerstand als im Jahr
2000 erneut eine Haselnuss-Koalition mit der rechtsextremen FPÖ bilden konnte.
Obwohl beide Parteien, sowohl die ÖVP, als auch die FPÖ noch
weiter nach rechts gerückt sind und ungeniert völkische Begrifflichkeiten – bis
zu „Konzentration von Flüchtlingen in Lager“ verwenden – und zudem nach dem
Vorbild Erdoğans, Orbáns und Putins die Presse gleichschalten, gibt es keinen
Widerstand mehr in der EU.
Es tritt also offensichtlich ein kontinentaler
Braunwöhnungsprozess ein.
„Wehret den Anfängen“ wurde nicht konsequent umgesetzt.
Umso erschreckender, daß auch in der CDU peu à peu die Scheu
vor der völkisch-verblödeten Hetzpartei AfD sinkt.
Seit Jahren stimmen sächsische CDU-Abgeordnete mit der AfD,
wenn sie damit gegen die Linke vorgehen können.
Und es wird auch schon weiter gedacht.
[….] Der neue sächsische CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Hartmann hat
eine Koalition mit der AfD in einem Interview mit dem MDR nicht ausgeschlossen.
Nach eineinhalb Tagen und massiver Kritik aus der SPD hat die
CDU-Generalsekretärin am Donnerstag ein Machtwort gesprochen. „Es wird keine
Zusammenarbeit oder Koalition mit der AfD geben“, sagte Annegret
Kramp-Karrenbauer. Trotzdem: Da bröckelt etwas. Zum ersten Mal wurde die
Ächtung der AfD als Koalitionspartner von einem führenden Parteipolitiker in
Frage gestellt. [….]
Aber was ist schon ein „führender Parteipolitiker“? Die
Braunen und Schwarzen der neuen Bundesländer strecken schon länger sehnsüchtig
ihrer Fühler zueinander aus.
Immer wieder sympathisieren Unions-Abgeordnete mit
rechtsradikalen Anträgen der AfD.
[….] AfD und CDU gemeinsam gegen links
[….] Im
Juni 2017 kritisierte Angela Merkel die CDU Sachsen-Anhalts, weil sie mit
großer Mehrheit dem AfD-Antrag zustimmte, eine Enquetekommission gegen
Linksextremismus einzurichten. Die Koalitionspartner SPD und Grüne waren
dagegen, und die AfD hätte die CDU-Stimmen nicht mal gebraucht. Merkel sagte,
sie halte das politisch für falsch, "wir arbeiten nicht mit der AfD
zusammen, und wir arbeiten nicht mit der Linken zusammen". Nun haben sich
in dem Land erneut einige CDUler einer AfD-Position angeschlossen.
Schon seit Längerem wirbt die AfD in Sachsen-Anhalt dafür, dem
gemeinnützigen Verein Miteinander e. V., der sich gegen Rechtsextremismus
engagiert, die staatlichen Zuschüsse zu entziehen. Die 27 Angestellten des
Vereins, der vor fast 20 Jahren gegründet wurde, recherchieren zu
rechtsextremen Aktionen und Gruppen, helfen Opfern rechter Gewalt oder
informieren in Schulen. In mehreren Berichten thematisierte der Verein die AfD,
zeigte etwa deren personelle Verflechtungen mit der Identitären Bewegung oder
anderen rechten Gruppen. [….]
Für „wehret den Anfängen“ ist es schon zu spät in der
Ost-CDU.
Im Sachsen-Anhaltinischen Dessau verhinderten Braune und
Schwarze zusammen, daß sich der spektakuläre Erfolg des „Konzerts gegen Rechts“
(#wirsindmehr) aus Chemnitz wiederholt. Dort hatten Anfang September nach einer
Nazi-Hetzjagd die Bands Kraftclub, Die
Toten Hosen, Feine Sahne Fischfilet, Casper und Marteria gegen rechtsradikale Tendenzen
ein Benefizkonzert gespielt und 65.000 friedliche Menschen zu einer
beeindruckenden Demonstration für die Menschenwürde zusammenbekommen. Die CDU
steht lieber an der Seite Gaulands, Poggenburgs und Höckes. Shame on you,
Kramp-Karrenbauer, shame on you, Merkel.
[....] CDU und AfD verhindern Konzert von Feine Sahne Fischfilet
[….] Das ZDF sagt ein Konzert mit der Band Feine Sahne Fischfilet in Dessau
ab. Zuvor hatte die Stiftung des Bauhauses, wo die Veranstaltung stattfinden
sollte, von ihrem Hausrecht gebraucht gemacht und das Konzert gegenüber dem ZDF
untersagt.
Der Sender hatte die Punkrocker um Sänger Jan Gorkow für Anfang
November in eine Livemusikreihe eingeladen, bei der nationale und
internationale Musiker anlässlich des 100. Bauhaus-Jubiläums auf der
historischen Bühne auftreten sollten. AfD und CDU übten heftige Kritik an dem
Konzert, weil die Rostocker Band zeitweise vom [….] Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Sebastian
Striegel, kritisiert das Vorgehen gegenüber dem SPIEGEL: "Wenn Rechte eine
Gefahr sind, dann muss man deren Aufmarsch verbieten - und nicht das
Konzert." Und zitiert einen Song der Band: "Ich baue darauf, dass in
Sachen Kunstfreiheit Sachsen-Anhalt 'noch nicht komplett im Arsch' ist."
Erst hatte die AfD am Mittwoch das Konzert kritisiert, dann reagierte
die CDU am Donnerstag mit öffentlicher Kritik. Die beiden Parteien arbeiteten
bereits gemeinsam in Sachen Linksradikalismus: Im Landtag hatten AfD und die
Mehrheit der CDU-Fraktion im vergangenen Jahr gemeinsam eine Kommission zur
Untersuchung von Linksextremismus eingesetzt. [….] (Timo Lehmann
und Carola Padtberg, 18.10.18)
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