Montag, 8. Oktober 2018

Endspurterinnen

Vielleicht konnten manche hypersensible Zeitgenossen schon aus meinen vergangenen Postings herauslesen, daß ich nicht unbedingt in Tränen ausbrechen würden, wenn die Söder/Seehofer-CSU in sechs Tagen einen heftigen Tritt in den Hintern bekäme.
Dem Land Bayern, der demokratischen Kultur und auch der gesamten Bundesrepublik täte es gut, wenn die CSU in die Opposition müsste.
Das könnte die Obstruktion im Berliner Kabinett beenden, würde die vielen unsinnigen und oft verfassungswidrigen CSU-Pläne im Bund stoppen.

Vieles bekommt man kaum noch mit ob des Seehofer-Schlachtenlärms.
So verlängert die Bundesregierung auf massiven Druck der Bayern derzeit die extrem tierquälerische Ferkelkastration ohne Betäubung.
Das Grauen sollte ab 2019 verboten werden. Aber Seehofer und Söder stehen auf Viecherquälen.

[….] Das deutsche Tierschutzgesetz schreibt in Paragraph 5 vor, dass ein schmerzhafter Eingriff bei einem Wirbeltier nicht ohne Betäubung durchgeführt werden darf. Es lässt allerdings die Ausnahme zu, dass Ferkel bis zu ihrem siebten Lebenstag ohne Betäubung kastriert werden dürfen (Tierschutzgesetz, Paragraph 5, vierter Abschnitt "Eingriff an Tieren"). Nachdem das Tierschutzgesetz 2013 geändert wurde, ist die betäubungslose Kastration nur noch bis 31.12.2018 erlaubt. Doch am 1. Oktober 2018 hat die Koalition beschlossen, mittels einer Fraktionsinitiative im Bundestag die Betäubungspflicht für Ferkel um zwei Jahre hinauszögern zu wollen. Diese Pläne sind Verrat an den Ferkeln und am Staatsziel Tierschutz – die Branche bewegt sich nicht und die Regierungskoalition verlängert daher einfach das Leid der Ferkel, weil nun die Zeit für Anpassungen im Ferkelsystem angeblich nicht mehr reicht. [….]

33% CSU bei der Landtagswahl und am besten Opposition wären ein Segen.
Alle nichtbayerischen Regierungsparteien (außer der Hamburger SPD) würden sich über 33% freuen. In den meisten Ländern liegen CDU, SPD und Grüne demoskopisch meilenweit von einem 3-Ergebnis entfernt.

Aber man muss sich ansehen woher die CSU kommt.
Noch bis vor zehn Jahren regierten die Christsozialen mit einer Zweidrittel-Landtagsmehrheit, nachdem MP Stoiber fast 61% der Stimmen bekommen hatte.

Sich innerhalb einer Dekade zu halbieren ist schon eine starke Leistung, die bisher nur die Hamburger CDU unter Christoph Ahlhaus schaffte.

Was für ein Fest für die Opposition. 30 Prozentpunkte, die vorher bei der CSU feststecken waren neu auf die anderen Parteien zu verteilen.
Endlich Hoffnung für die Sozis, die zwar immer schwach in Bayern waren, aber immerhin zu Gerd Schröders Zeiten auch noch Landtagswahlergebnisse von rund 30% bekamen.
Knapp 30% von vor 20 Jahren und dazu noch mal 30 Prozentpunkte, die bei der CSU freiwerden müssten doch nach Adam Ries locker für eine absolute SPD-Mehrheit reichen.
Endlich könnten mal die Sozis den bayerischen Ministerpräsidenten stellen, nachdem sie ein halbes Jahrhundert so tapfer gegen die Chancenlosigkeit ankämpften, für soziale Gerechtigkeit eintraten und die Finger in die Wunde legten, als zum Beispiel der damalige bayerische Finanzminister Söder 33.000 Wohnungen der staatlichen Wohnungsgesellschaft GBW an ein Heuschrecken-Konsortium um die private Gesellschaft Patrizia vertickte.
Angesichts der katastrophalen bayerischen Wohnungsnot und den bundesweit einmaligen Rekordmieten in München haben die bayerischen Wähler sicher eingesehen, was die CSU ihnen einbrockte und beauftragen nun die SPD, die schließlich Recht behalten hätte und so ein Desaster gar nicht erst erlaubt hätte.
Und dann guckt man sich die Umfragen an und stellt verblüfft fest: Die SPD liegt gar nicht bei 45% oder 50% in Bayern, sondern hat Mühe mit der Zweistelligkeit und muss ernsthaft befürchten auf Platz Vier oder gar Fünf abzustürzen.
Die sozialdemokratische Spitzenkandidatin Natascha Kohnen, immerhin auch stellvertretende Bundesparteivorsitzende, ist derart schwach auf der Brust, daß sie noch nicht mal zum TV-Duell mit Söder geladen wurde.
Wie konnte das denn passieren?


Das klingt doch alles ganz gut und sympathisch. Nicht so derbe-arrogant wie die CSUler, die sich als gottgleich empfinden und über alle anderen Bundesländer stellen. OK, das Video ist leicht angekitscht mit lauter lächelnden Kindern und Babys, aber so ist nun mal Parteienwerbung.
Immerhin listet Kohnen auch detailliert auf was sie in Bayern verändern möchte – und da gibt es einiges.
Das klingt doch alles vernünftig.

Offensichtlich verfängt aber diese Art Wahlkampf nicht nur nicht, sondern lässt die sympathische Natascha heillos hinabtrudeln. 11 Prozent werden erwartet.
Die Methoden sind viel zu altbacken.
Wenn man sich nicht ausdrücklich für Politik interessiert und gezielt nach Natascha Kohnen googelt, bemerkt man sie gar nicht.
Ein einziges Mal, nämlich als sie sich gegen das Maaßen-Totaldesaster ihrer Chefin Nahles stellte, wurde Kohnen bundesweit bemerkt.

Die immerwährende Frage nach Rückenwind oder Gegenwind aus dem Bund, muss man diesmal wirklich nicht stellen. Nach der Fehlleistungs-Kaskade der Parteiführung kann nur noch radikale Distanzierung vom Willy-Brandt-Haus helfen. Andrea Nahles ist pures Urnengift, die auch ein Jahr nach der letzten Bundestagswahl immer noch damit beschäftigt ist die Sozis noch blöder aussehen zu lassen.
Warum zum Teufel machte sie nicht ein riesiges Fass auf, als die CSU-Minister auf ihrer Ferkelquälerei bestanden?
Das wäre die perfekte Gelegenheit gewesen auch dem minderinteressierten Wähler zu zeigen, wo ein Unterschied zwischen den (noch) großen Parteien liegt und weswegen man lieber SPD wählen sollte.
Die Bundesparteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion versteht aber nicht nur klassischen Wahlkampf nicht, sondern ist zudem eine klassische Offlinerin, die mit den digitalen Gewohnheiten der Millennials nicht vertraut ist.

(….)Wir haben ja jetzt Lars Klingbeil.
Da wird es was mit der alten Tante SPD. Der Mann ist nämlich „internetaffin“.
Der kennt sich aus mit diesem #Neuland, in dem heutzutage so viel passieren soll. #Neuland ist dieser Ort, an dem all die vielen ehemaligen SPD-Wähler hocken, die man nicht mehr erreicht mit Infoständen vorm EDEKA – selbst wenn man neben SPD-Luftballons auch noch kostenlos SPD-Kugelschreiber und SPD-Lollis anbietet. Verstehe einer diese jungen Leute.
Aber die kriegen wir nun doch auf unsere Seite.
Geheimwaffe Klingbeil macht das. Der ist jung (40) und frisch (Seeheimer).
Jetzt hauen die großen SPD-Gliederungen short messages in die hippen sozialen Netze.
Sogar auf Facebook, dernier cri, Jugendtreffpunkt der hippen Online-Community gibt es jetzt die poppig aufpoppenden SPD-Botschaften als gesponserte Links für Likes. Natürlich im Sozi-Rot.
In einfachen Hauptsätzen, ohne Fremdworte, dafür aber gern in Versalien werden die mitreißenden Sprüche nur so rausgehauen – inklusive Heschtegg, damit sich auch die Gerontengeneration auf Twitter (Donald Trump, Horst Seehofer, Erika Steinbach) angesprochen fühlt. (…..)

Sicher, sie lässt twittern und facebooken, aber das ist so offensichtlich nicht authentisch und katastrophal gemanaged, daß man damit der SPD eher schadet. Eine Werbeagentur plump ein paar Wohlfühlsätzchen ins Netz schicken zu lassen, reicht natürlich nicht. Das gehört zu den vielen, vielen Dingen, die Nahles aber einfach nicht versteht. Sie glaubt die Methoden aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, kreischige Tingelauftritte in der Provinz mit geschenkten SPD-Kugelschreibern wären auch im folgenden Jahrtausend zielführend.

(….) Andrea Nahles war sicher nie die Hellste, aber wie kann es sein, daß sie nach 25 Jahren als Spitzenfunktionärin immer noch nicht das geringste Gefühl dafür entwickelt hat wie ihr Handeln beim gemeinen Volk und der Parteibasis ankommt? (….)

Auf den letzten Metern vor dem zu erwartenden SPD-Megadesaster will das Willy-Brandt-Haus nun das Ruder rumreißen, indem ausgerechnet Nahles dauernd in Bayern auftritt.

[…..]  Für ihren Auftritt hat sich die Bayern-SPD den Eingang vor dem Dantebad ausgesucht. Ob die bayerische SPD nun doch schon vor dem kommenden Wahlsonntag baden geht? Nein, es geht um das Gebäude gegenüber, das über einem Parkplatz errichtet wurde und gleich als Beispiel für gute SPD-Wohnungspolitik verkauft werden soll. Für ihren Wahlkampfendspurt hat sich die bayerische Spitzenkandidatin Natascha Kohnen Politikprominenz eingeladen.
Das Bundespräsidium und SPD-Chefin Andrea Nahles sollen ihr aus den traurigen Elf-Prozent-Umfragen helfen. Sie kommen in einem Reisebus. Dessen Fahrtwind weht gleich mal die Plakate der Bayern-SPD um.
Nahles und Kohnen haben, vorsichtig ausgedrückt, nicht das herzlichste Verhältnis. […..] "Kein Blatt" passe zwischen sie und Kohnen, sagt Nahles also am Montag. Eine Diskussion, wer an den schlechten Umfragewerten der Bayern-SPD Schuld trage, gebe es nicht. "Wir hier stehen geschlossen." […..]

Als Sozi wünsche ich mir ja auch ein viel besseres SPD-Ergebnis, aber ob DAS hilft?
Meines Erachtens wäre es besser, wenn sich Nahles NICHT blicken lässt.
Den größten Gefallen tut sie ihrer Partei, wenn sie sich eine Papiertüte über den Kopf zieht und erst mal schweigend ein paar Wochen zu Hause in der Eifel bleibt. Da kann sie dann gemeinsam mit ihrer Ella beten bis der Arzt kommt.

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