Sonntag, 14. April 2019

Indikatorthema Wohnen

Die Wohnungsnot in Ballungsräumen ist groß.
Das betrifft natürlich in erster Linie alle Normal- und Geringverdiener, die als Mietinteressenten in einer Millionenstadt ein Dach über dem Kopf suchen.
Wie so viele Dinge, entspannt sich auch die Suche nach einer passenden Bleibe erheblich, wenn man > fünfstellig im Monat verdient.

Die Politmillionäre Spahn, Merz und Lindner dürften das Problem also nicht aus eigener Erfahrung kennen.
Das müssen sie auch nicht. Man kann sich in Schwierigkeiten hineinversetzen, die man selbst nicht erlebt hat.
Porschefahrer und Luxusuhrensammler Christian Lindner, der schon mit 18 Jahren als präpotenter Politberater in einer Mercedes-Limousine unterwegs war, macht sich also unnötig lächerlich, wenn er sich selbst als Opfer der Wohnungsnot stilisiert.


Er wisse wie schwierig es sei eine Zweitwohnung als Abgeordneter zu finden.


Nein, das weiß er eben nicht, weil man mit Linders Gehalt und Beziehungen nie auch nur ansatzweise Gefahr läuft wohnungslos zu werden.
Kollege Spahn, längst Immobilienbesitzer, überließ seine alte Bude Lindner, als er selbst zu seinem noch reicheren Ehemann Daniel Funke zog.

[…..] Wie BILD berichtet, zieht Lindner beim CDU-Politiker Jens Spahn ein: Der 38-Jährige wird die Wohnung von Merkels Finanzsekretär in Berlin-Schöneberg anmieten. Bisher wohnte Spahn hier mit seinem Lebensgefährten, dem Bunte-Redakteur Daniel Funke.
[…..] In einer Reportage des Sterns über Jens Spahn konnte man schon einen Eindruck davon bekommen, wie Lindner in Berlin nun leben wird: Neben einer Dachterrasse habe die Wohnung, „Holzböden und hohe Wände, an denen schrill poppige Bilder des Berliner Künstlers Lennart Grau hängen“. [….]

Kollege Merz, der allein in einem seiner Dutzenden Nebenjobs zusätzlich zu seinem eine-Million-Euro-Jahresgehalt bei Blackrock fast sechs Millionen Euro „erwirtschaftete“, dürfte ebenfalls nicht zu den Durchschnittsverdienern gehören, die in Berlin oder München bei offenen Wohnungsbesichtigungen für 2-Zimmer-Butzen im 4.OG ohne Lift mit hunderten anderen anstehen müssen.

[….] Wie aus dem Börsenprospekt hervorgeht, besitzt Friedrich Merz 150.000 Stadler-Aktien. Gemäß dem Schlusskurs vom Freitag haben diese einen Wert von 6,5 Millionen Franken (5,7 Millionen Euro). [….]

Man muss wahrlich kein schlechter Mensch sein, nur weil man Millionär ist. Aber diese groteske Form der Unehrlichkeit, sich wie Merz zur „Mittelschicht“ zu zählen, oder wie Lindner als Opfer der Wohnungsnot darzustellen, wirkt nicht gerade vertrauenserweckend.

CDU, CSU und insbesondere FDP befinden sich derzeit in Schockstarre ob der Unverschämtheit des Obergrünen Habeck, der es wagte an das Grundgesetz zu erinnern. Eigentum verpflichtet?
Teufelszeug, dieses.

Nach konservativer Darstellung wollen die Grünen Vermietern einfach so ihren Besitz wegnehmen, wenn sie Sympathie für das Berliner Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignenausdrücken.
Das ist natürlich hanebüchener Unsinn.
Es soll lediglich Konzerne betreffen können, die über 3.000 Wohnungen besitzen und durch extreme Wucher-Mieten auffallen.

[….] Das Begehren beruft sich auf den Artikel 15 des Grundgesetzes. Er erlaubt die Überführung von Produktionsmitteln, aber auch von Grund und Boden in Gemeineigentum – und zwar ausdrücklich „zum Zwecke der Vergesellschaftung“. [….]  Bis in die 1980er Jahre war der Begriff auf dem Wohnungsmarkt mit der Wohnungsgemeinnützigkeit fest definiert. Unternehmen, deren vorrangiges Ziel nicht Gewinne waren, sondern die Versorgung der Bevölkerung mit günstigem Wohnraum, genossen Steuervergünstigungen. Zahlreiche Genossenschaften zählten dazu, [….] Gemeinwirtschaft und die Versicherungsanstalt Volksfürsorge gehörten. Nicht Profit, sondern die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen war das Ziel. [….]
Dies strebt das Berliner Volksbegehren an – alle Wohnungsunternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen, sollen vergesellschaftet und in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden. Ausgenommen sind Genossenschaften und öffentliche Unternehmen. Diese Überführung von Privateigentum in Gemeinwirtschaft ermöglicht der Artikel 15 des Grundgesetzes. Er wurde nie genutzt, während Privatisierungen von Gemeineigentum unser Alltagstrauma sind: Die Telekom bringt kein Breitbandnetz ins Dorf, DHL-Boten haben keine Zeit mehr fürs Paketausliefern, und die Deutsche Börsenbahn fährt ins Nichts – nur die Finanzkrise 2008 rettete uns hier vor der Vollprivatisierung. [….]


Kritiker wenden ein, mit Vergesellschaftung würde keine einzige neue Wohnung geschaffen – ihr Argument ist dreifach falsch. Denn erstens würde mit der Sozialisierung von über 200.000 Wohnungen ein leistungsstarker Akteur entstehen, der neben der vernachlässigten Instandhaltung zügig mit Nachverdichtung und Neubau beginnen könnte. [….] Zweitens greift die Gegenüberstellung „Entweder Entschädigung zahlen oder neu bauen“ nicht. Die Initiative hat errechnet, dass die Entschädigung komplett aus den Mieten der vergesellschafteten Wohnungen aufgebracht werden kann, und zwar ohne Mieterhöhungen. [….] drittens offenbart die Rechnung „Mehr Neubau bringt billige Mieten“ genau jene fatale Marktgläubigkeit, die die Wohnungskrise verursacht hat. Denn Neubau ist teuer, neu gebaute Wohnungen kosten mehr Miete als Altbestände. [….]

Die hysterischen Reaktionen der Schwarzgelben erklären sich mit ihrem Schuldbewußtsein.
Konservative Bauminister auf Landes- und Bundesebene haben den sozialen Wohnungsbau eingestellt, Millionen Wohnungen aus staatlichem Besitz an Heuschrecken verscherbelt.

Man erinnert sich an die legendäre Ehlerding-Spende von 5,9 Millionen DM an die CDU, nachdem er den Zuschlag für die vom Bund ausgeschriebenen 110.000 Eisenbahnerwohnungen bekommen hatte.

Schwarzgelbe glaubten an den Markt. Oder sie sind möglicherweise auch lediglich wie Superbauminister Seehofer senil und überfordert, so daß sie nach über einem Jahr im Amt immer noch nicht den geringsten Handlungsbedarf sehen.

Während bei einigen anderen Themen bedauerlicherweise alle Parteien das gleiche wollen – zB Migranten rauswerfen und Kirchen schonen – gibt es beim Thema Wohnungsnot radikal unterschiedliche Ansätze.
C-Parteien und FDP bekämpfen die Mietpreisbremse, beklagen das Bestellerprinzip für Makler und setzen immer noch voll auf private Wohnungskonzerne.

SPD und Grüne wollen die Mieten deckeln, denken an staatlichen Wohnungsbau und schließen eben nicht aus, besonders rabiate Wohnungskonzerne zu mieterfreundlichem Verhalten zu zwingen.

Sehr gut. Wie beispielsweise auch bei der Urheberrechtsreform oder der Krankenversicherung – Schwarzgelb kämpft für die Privatversicherten, Rotgrün will die Bürgerversicherung – gibt es auch beim Thema Wohnen diametral entgegengesetzte Politikvorstellungen.

[…..] FDP soll sich als Partei des Eigentums profilieren
Zwei FDP-Spitzenpolitiker wollen auf dem kommenden Parteitag mit einem Antrag die Streichung des Vergesellschaftungsartikels durchsetzen. Damit soll die FDP als Partei des Eigentums punkten. [….]

Liebe Wähler, da habt Ihr mal wieder ein echtes Kriterium, um bei der Europawahl abzustimmen.

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