Mittwoch, 26. August 2020

Oben geboren, oben geblieben.


Die Zeit der Aufsteiger-Biographien à la Gerd Schröder, als es ein Junge aus ärmlichsten, prekären Verhältnissen – die ungebildete Mutter war allein erziehend und versorgte als Putzfrau fünf Kinder  - über den zweiten Bildungsweg zum Bundeskanzler bringen konnte sind vorbei.
Heute entscheiden fast ausschließlich Papas Portemonnaie und Papas Kontakte darüber, ob es ein Kind in die höchsten Kreise schafft. Teure Privatschulen, Elite-Internate, internationale Unis – dazu Polo, Golf, Segeln und natürlich die richtigen Clubs, die richtigen „alten Herren“, die passenden Schickimicki-Ferien.
In einen DAX-Vorstand kommt man nur, wenn die Eltern auch schon steinreich waren.

Die USA galten hingegen lange als echte Meritokratie. Ein Land, in dem man es aus eigener Kraft ganz nach oben schaffen konnte. Tatsächlich sind die sozialen Schichten in den USA durchlässiger. Auch aus einfachen Verhältnissen kommend, kann man eine Top-Bildung bekommen und wer an den Ostküsten-Elite-Unis seinen Abschluss macht, wird auch weiter aufsteigen.
Die vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Zeiten sind aber auch in den Staaten nicht mehr rosig. Die Erwerbseinkünfte sind kontinuierlich geschrumpft. Heute kann eine Mittelklassefamilie mehr in einem schönen Haus mit Garten allein vom Lohn des Vaters leben.
Heute müssen alle ran; es reicht nicht mehr, daß die Frau mitverdient, sondern sie haben auch Zweit- und Drittjobs. Und selbst dann wird es schwer die teuren Collegegebühren aufzubringen.

Es gibt in den USA und erst Recht in Deutschland nur einen Weg Multimillionär zu werden: Man muss die Millionen durch ehrliche Abstammung erben.
Mit Adelstitel und Millionen auf dem Konto, mit großen Villen und berühmten Vätern gelang es Ursula von der Leyen genau wie Karl-Theodor Baron von und zu Guttenberg in die höchsten Partei- und Politikkreise aufzusteigen, obwohl bei ihnen akademisch Schmalhans angesagt war und die Promotionen entsprechend zusammengeklaut waren.

Wäre Karl-Theodors Mutter Putzfrau gewesen, wäre er nicht mit einer Gräfin Bismarck verheiratet, hätte keine 800 Millionen Euro auf dem Konto und hieße Kevin Schulze statt Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg, könnte ihm so eine dreiste Schummelei und Großlüge wie bei seinem Dr.-Titel-Betrug gesellschaftlich das Genick brechen.
Hieße die EU-Kommissionspräsidentin Ebru mit Vornamen und ihr Vater wäre ein aus Anatolien stammender Fabrikarbeiter, hätte die endlose Kette ihrer Skandale als Ministerin sie ebenfalls längst in die Arbeitslosigkeit befördert. Aber schon ihr Vater hatte einen Top-Job in Brüssel, war Ministerpräsident und fast CDU-Kanzlerkandidat, sie spricht mehrere Sprachen, ist bestens vernetzt. Dann fällt man nach oben.
Mit endlosen Adelstiteln und neunstelligen Beträgen auf dem Konto benötigt man keine Armen-Sprüche wie „Ich kann nie tiefer fallen als in Gottes Arme“, weil man gar nicht erst fällt.

Symbolbild
  Nach seinem Aus aus der Bundesregierung im Jahr 2011 kaufte sich Guttenberg eine repräsentative Villa für drei Millionen Euro in Connecticut und trat fürderhin als „Distinguished Statesman“ (Angesehener Staatsmann) in den besten Kreisen auf.

Wenig überraschend betrachtete der Bayerische Baron Anstand und Legalität weiterhin lediglich als optional und versilberte seine Kontakte in die Bundesregierung mit dubiosesten Partnern aus der Halbwelt.

Ein KTG kann nicht bescheiden oder demütig. Herr Hochwohlgeboren gehört zur internationalen Finanz- und Macht-Elite. So einer bäckt grundsätzlich keine kleinen Brötchen. Warum auch? Selbst Angela Merkel, der er Schimpf und Schande bereitete, ist immer noch so geblendet von seinem Multimillionen-Glanz, daß sie sich artig nach seinen Wünschen richtet.

[….] Der Name des ehemaligen Verteidigungsministers tauchte gleich bei zwei großen Politaffären auf: der umstrittenen Lobbyarbeit des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor für das New Yorker Start-up Augustus Intelligence. Und beim Zusammenbruch des milliardenschweren Finanzdienstleisters Wirecard. Am 3. September 2019 wurde Guttenberg sogar für beide Unternehmen im Kanzleramt vorstellig.
Nur scheibchenweise rückte die Regierung mit Details über das sonderbare Treffen mit Angela Merkel raus, ließ aber den genauen Inhalt des Gesprächs offen. Jetzt bringen Dokumente aus der Regierungszentrale etwas mehr Licht ins Dunkel. Am Abend jenes 3. September um 20:04 Uhr leitete das Büro von Guttenberg eine Nachricht ans Kanzleramt weiter. Darin bedankte er sich bei der "lieben Angela" für "das gute Gespräch heute! Eine Freude, Dich so guter Dinge zu sehen." Weiter schrieb er: "Hier die Adressen der beiden A.I. Herren der Firma Augustus Inc."
[….] Guttenberg war damals Investor und Direktor der Firma Augustus, die auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz unterwegs ist. In der Nachricht verschickte er die Mailadressen von zwei deutschen Gründern von Augustus, "für Frau Christiansen". Gemeint war offenbar Eva Christiansen, eine der engsten Mitarbeiterinnen der Kanzlerin und Leiterin der Abteilung für Digitalpolitik. Guttenberg beendete seine Nachricht an die Kanzlerin mit den Worten: "Herzlichst Stets Dein Karl-Theodor".[….]  Wie sich einige Wochen später erst durch SPIEGEL-Recherchen herausstellte, wurde Karl-Theodor zu Guttenberg an jenem 3. September nicht nur in Sachen Augustus im Kanzleramt vorstellig, sondern auch für den mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleister. Mit Erfolg: Auf Merkels China-Reise, die wenige Tage nach dem Termin im Kanzleramt begann, brachte sie die Pläne von Wirecard zur Sprache, nach China expandieren zu wollen. Und das, obwohl schon zu dieser Zeit eine Reihe von Untersuchungen zu Bilanzmanipulationen des Dax-Konzerns liefen. [….] Im Falle von Wirecard hat die Regierung [….] eingeräumt, dass Merkel die geplante Übernahme des chinesischen Zahlungsdienstleisters AllScore Payment Services auf ihrer Reise thematisiert hatte. [….] Guttenbergs Beratungsfirma Spitzberg Partners war "mit Unterbrechungen zwischen 2016 und 2020" für Wirecard tätig, wie der ehemalige Verteidigungsminister gegenüber dem SPIEGEL erklärte. Für die geplante Expansion nach China wurde Spitzberg Partners im Finanzministerium und Kanzleramt vorstellig. [….]

Die adeligen Superreichen sind in ihren erzkonservativen Kreisen unkaputtbar.
An ihnen bleibt nichts haften, sie stehen über dem Gesetz.

Fabio di Masi von der Links-Fraktion des Bundestages ist insofern eher niedlich, wenn er KTG angreift. Es wird nichts nützen. Guttenberg ist wie ein Mercedes mit der eingebauten Vorfahrt ab Werk. Er muss sich nicht an Gesetze und Paragrafen halten wie wir gewöhnlichen Menschen.

[….] „Die Bundeskanzlerin kann sich nicht länger wegducken. Der Bundestag wurde getäuscht“, kommentiert Fabio De Masi, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, Enthüllungen über den Austausch der Bundeskanzlerin mit Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg über die Unternehmen Augustus Intelligence und Wirecard. De Masi weiter:
„Die Bundeskanzlerin muss erklären, warum das Bundeskanzleramt mir das Gespräch in einer parlamentarischen Anfrage verschwiegen und nur eine angeblich unbeantwortete E-Mail von Herrn Guttenberg am 3. September 2019 eingeräumt hat. Eine Informationsfreiheitsanfrage zu der E-Mail von mir wurde mir bis heute nicht beantwortet. Ferner muss die Bundeskanzlerin beantworten, ob sie in China neben Wirecard auch für Augustus Intelligence im Auftrag von Herrn Guttenberg Klinken putzte. Die Aussageverweigerung gegenüber dem Parlament ist rechtlich unhaltbar und ein faktisches Eingeständnis des Lobbying für Augustus Intelligence.
Für die Geheimniskrämerei gibt es nur drei sinnvolle Erklärungen: Erstens, es sollte keine zusätzliche Aufmerksamkeit auf das zum Zeitpunkt meiner parlamentarischen Anfrage noch unbekannte Gespräch zwischen Guttenberg und der Bundeskanzlerin gelenkt werden, bei dem Guttenberg die Kanzlerin auch zugunsten von Wirecard lobbyierte. Zweitens, die Bundeskanzlerin sollte nicht zu eng mit der Firma Augustus Intelligence in Verbindung gebracht werden, die offenbar ein Rohrkrepierer und ein Reiseveranstalter für Philipp Amthor und den ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes Maaßen war. Drittens, es gibt Verbindungen zwischen den Hochstaplern von Wirecard und Augustus Intelligence oder weitergehende Erkenntnisse der Nachrichtendienste.
Die Begründung, man habe nur für Wirecard lobbyiert, weil es sich eben um einen DAX-Konzern handele und das ganze Ausmaß der Vorwürfe unbekannt gewesen sei, ist nicht haltbar, sofern die Kanzlerin auch für die seltsame Bude Augustus Intelligence lobbyierte.
[….] Es gäbe zahlreiche Mittelständler in Deutschland, für die sich die Bundeskanzlerin in China einsetzen könnte, anstatt für Unternehmen mit hoher krimineller Energie. Es ist beängstigend, dass der Felix Krull der deutschen Politik, Herr Guttenberg, mit seinen zwielichtigen Kunden offenbar weitgehenden Einfluss auf die Wirtschaftsförderung der Kanzlerin in China nehmen kann. Die Bundeskanzlerin sollte daher selbst in einem Untersuchungsausschuss zu Wirecard Rede und Antwort stehen und beantworten, ob sie sich ebenso für Augustus Intelligence in China eingesetzt hat.“ [….]

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